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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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die Billigkeit des Wahlergebnisses und erzwang, da Preußen, Rußland und
Sardinien sich diesem Schritte anschlössen, von der Pforte einen Befehl an. den
Kaimakam Vogorides, nach welchem neue Wahlen angeordnet werden sollten.
Dieselben fanden statt und sielen ganz nach Wunsch der Unionisten aus. Ein
ähnliches Resultat hatten die Wahlen in der Walachei. In der ersten Hälfte
des October traten die Divans zusammen, und beide erklärten sich für das
Programm der nationalen Partei: Autonomie der Fürstenthümer innerhalb der
alten mit der Pforte abgeschlossenen Kapitulationen, Vereinigung beider Länder
zu einem Staat Rumänien, an der Spitze ein Fürst aus einer fremden Herrscher¬
familie, Neutralität des rumänischen Gebietes, eine aus Wahlen hervorgegangn"!,
alle Interessen des Volks vertretende gesetzgebende Versammlung und das alles
unter Garantie der Mächte, welche den pariser Vertrag ^unterzeichnet. Der
Divan der Moldau entschied sich noch für eine Anzahl von Grundzügen der
innern Organisation: Einkammersystem, Veto des Fürsten, Religionsfreiheit,
Gleichheit vor dem Gesetz, allgemeine Steuer- und Militärpflicht und Gleich¬
berechtigung aller bei Bewerbung um Staatsämter. Die Pforte verwarf diese
Forderungen der Divans, namentlich den Unionsplan, und erlangte, nachdem
die in Bukarest tagende europäische Commission ihren Schlußbericht erstattet,
die Einwilligung der Großmächte zur Auflösung jener Versammlungen, die
dann im Januar 1838 erfolgte.

Erst im Mai begannen in Paris neue Conferenzen zur Ordnung der
Donausürstenthümerangelegenheit, und am 19. August unterzeichnete man hier
eine Convention, die im Wesentlichen Folgendes bestimmte: Die Moldau und
Walachei heißen fortan Vereinigte Fürstenthümer der Moldau und Walachei,
sie stehen unter der Oberhoheit des Sultans, behalten aber ihre bisherigen
Freiheiten, namentlich vollkommen unabhängige Verwaltung, in die sich die
Pforte nicht zu mischen hat. An der Spitze jedes der beiden Länder steht ein
Hospodar und eine aus Wahlen hervorgegangne Versammlung, jener hat die
vollziehende Gewalt, während er die gesetzgebende mit der Versammlung und
einer beiden Fürstenthümer" gemeinsamen Centralcommission theilt. Die von
letzterer entworfenen Gesetze für gemeinschaftliche Angelegenheiten müssen von
den Versammlungen angenommen' werden. Beide Fürstenthümer zahlen der
Pforte einen jährlichen Tribut, der für die Walachei 2,300,000, für die Moldau
1,300,000 Piaster lZ ungefähr 2 Sgr.) beträgt. Die Hospodare werden von
den Abgeordnetenversammlungen gewählt und zwar auf Lebenszeit, sie müssen
Moldauer oder Walachen sein, wenigstens 3000 Ducaten Einkommen von Grund¬
besitz beziehen und entweder Mitglieder der gesetzgebenden Versammlungen sein
oder mindestens zehn Jahre im öffentlichen Dienste gestanden haben. Die
Minister sind verantwortlich, die Wahlen für die Abgeordnetenkammer theils
direct, theils indirect und für sieben Jahre giltig, wählbar alle Moldauer und


die Billigkeit des Wahlergebnisses und erzwang, da Preußen, Rußland und
Sardinien sich diesem Schritte anschlössen, von der Pforte einen Befehl an. den
Kaimakam Vogorides, nach welchem neue Wahlen angeordnet werden sollten.
Dieselben fanden statt und sielen ganz nach Wunsch der Unionisten aus. Ein
ähnliches Resultat hatten die Wahlen in der Walachei. In der ersten Hälfte
des October traten die Divans zusammen, und beide erklärten sich für das
Programm der nationalen Partei: Autonomie der Fürstenthümer innerhalb der
alten mit der Pforte abgeschlossenen Kapitulationen, Vereinigung beider Länder
zu einem Staat Rumänien, an der Spitze ein Fürst aus einer fremden Herrscher¬
familie, Neutralität des rumänischen Gebietes, eine aus Wahlen hervorgegangn«!,
alle Interessen des Volks vertretende gesetzgebende Versammlung und das alles
unter Garantie der Mächte, welche den pariser Vertrag ^unterzeichnet. Der
Divan der Moldau entschied sich noch für eine Anzahl von Grundzügen der
innern Organisation: Einkammersystem, Veto des Fürsten, Religionsfreiheit,
Gleichheit vor dem Gesetz, allgemeine Steuer- und Militärpflicht und Gleich¬
berechtigung aller bei Bewerbung um Staatsämter. Die Pforte verwarf diese
Forderungen der Divans, namentlich den Unionsplan, und erlangte, nachdem
die in Bukarest tagende europäische Commission ihren Schlußbericht erstattet,
die Einwilligung der Großmächte zur Auflösung jener Versammlungen, die
dann im Januar 1838 erfolgte.

Erst im Mai begannen in Paris neue Conferenzen zur Ordnung der
Donausürstenthümerangelegenheit, und am 19. August unterzeichnete man hier
eine Convention, die im Wesentlichen Folgendes bestimmte: Die Moldau und
Walachei heißen fortan Vereinigte Fürstenthümer der Moldau und Walachei,
sie stehen unter der Oberhoheit des Sultans, behalten aber ihre bisherigen
Freiheiten, namentlich vollkommen unabhängige Verwaltung, in die sich die
Pforte nicht zu mischen hat. An der Spitze jedes der beiden Länder steht ein
Hospodar und eine aus Wahlen hervorgegangne Versammlung, jener hat die
vollziehende Gewalt, während er die gesetzgebende mit der Versammlung und
einer beiden Fürstenthümer» gemeinsamen Centralcommission theilt. Die von
letzterer entworfenen Gesetze für gemeinschaftliche Angelegenheiten müssen von
den Versammlungen angenommen' werden. Beide Fürstenthümer zahlen der
Pforte einen jährlichen Tribut, der für die Walachei 2,300,000, für die Moldau
1,300,000 Piaster lZ ungefähr 2 Sgr.) beträgt. Die Hospodare werden von
den Abgeordnetenversammlungen gewählt und zwar auf Lebenszeit, sie müssen
Moldauer oder Walachen sein, wenigstens 3000 Ducaten Einkommen von Grund¬
besitz beziehen und entweder Mitglieder der gesetzgebenden Versammlungen sein
oder mindestens zehn Jahre im öffentlichen Dienste gestanden haben. Die
Minister sind verantwortlich, die Wahlen für die Abgeordnetenkammer theils
direct, theils indirect und für sieben Jahre giltig, wählbar alle Moldauer und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/490>, abgerufen am 28.07.2024.