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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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in einigen Wochen trägt der andre den einen mitleidig vor .die Füße des
Feldarztes.

Auch das ist oft geschildert, gerühmt und als unpraktisch begutachtet.
Jedermann in Preußen empfindet deutlich genug die unermeßlichen Vorzüge
und die unvermeidlichen Uebelstände, welche ein so intelligentes und civilisirtes
Heer in blutiger Arbeit bereitet, wo die Kugel und der Pallasch eines Tauge¬
nichts ebenso gut tödtet, als die Waffe eines geistvollen Künstlers, eines großen
Grundbesitzers oder unternehmenden Industriellen. Aber um dieses Heer, wie
es ist, um die hochsinnige, tapfere, noch unerprobte Jugend des Staates, die
Blüthe unsrer Volkskraft, um unsere Hoffnung für den Krieg der Gegenwart
und den künftigen Frieden, um die Jünglinge und Männer im Felde schweben
wieder liebende Sorge und heißer Wunsch von zwanzig Millionen Deutscher.

Unterdeß meldet fast allstündlich der Draht neue aufregende Kunde. Voran
die letzten Noten, durch welche Preußen und Oestreich auf die öffentliche Mei¬
nung zu wirken suchten, Schriftstücke, welche man gut geschrieben nennt, wenn
sie die beabsichtigte Wirkung hervorbringen; unter ihnen die letzte preußische Note
an die auswärtigen Gesandten sehr merkwürdig durch ihre rücksichtslose Sprache,
welche die diplomatische, Grandezza des Ausdrucks Völlig aufgiebt, die gehobene
Empfindung des Sprechenden in origineller Weise hervorhebt. Es ist nicht
die lehrhafte, spcculircndc Rede deS Kaisers Napoleon des Dritten, der ähnliche
Wirkungen schätzt, sondern die Ungeduld einer feurigen Natur, welche aus
den zornigen Worten bricht. Sie wird, wie die meisten Noten desselben Verfassers,
die Gegner und Fremden ebenso verletzen, als die Anhänger erfreuen; wahr¬
scheinlich war diesmal die Absicht vorhanden, zu ärgern.

Der Einmarsch in Holstein war von Preußen so geschickt curangirt, daß ein
Zusammenstoß vermieden wurde und die Brigade Kalik in Frieden ihre Gar¬
nisonen räumte, während die preußischen Regimenter die östreichische National¬
hymne spielten. Sie waren auf demselben Boden Waffengefährten gewesen.
Wahrscheinlich hat man prcußischcrseits den friedlichen Abzug erwartet und als
unmittelbare Antwort darauf die Eröffnung des schlesischen Feldzugs durch
Oestreich.

Aber auch Oestreich hat einen klugen Gegenzug gethan, sein Antrag am
Bunde, das gesammte Bundesheer mit Ausnahme der preußischen Corps zu
mobilisiren, hütet sich, von den Mittelstaatcn vorläufig größere kriegerische Thätig¬
keit zu verlangen, als sie ohndics zu entwickeln bereit waren. Das Neue und
Ungeheure der Forderung liegt jedoch darin, daß von den Bundesstaaten die
runde Erklärung gefordert wird, ihre Mobilisirung sei gegen Preußen gerichtet.
Ob wir einen Krieg zwischen Preußen und Oestreich erleben, der auf ihrem
beiderseitigen Gebiete ausgefochten wird, oder ob es ein großer Krieg der
Deutschen gegen Deutsche, Zerstörung des Zollvereins, Vernichtung aller Ver-


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in einigen Wochen trägt der andre den einen mitleidig vor .die Füße des
Feldarztes.

Auch das ist oft geschildert, gerühmt und als unpraktisch begutachtet.
Jedermann in Preußen empfindet deutlich genug die unermeßlichen Vorzüge
und die unvermeidlichen Uebelstände, welche ein so intelligentes und civilisirtes
Heer in blutiger Arbeit bereitet, wo die Kugel und der Pallasch eines Tauge¬
nichts ebenso gut tödtet, als die Waffe eines geistvollen Künstlers, eines großen
Grundbesitzers oder unternehmenden Industriellen. Aber um dieses Heer, wie
es ist, um die hochsinnige, tapfere, noch unerprobte Jugend des Staates, die
Blüthe unsrer Volkskraft, um unsere Hoffnung für den Krieg der Gegenwart
und den künftigen Frieden, um die Jünglinge und Männer im Felde schweben
wieder liebende Sorge und heißer Wunsch von zwanzig Millionen Deutscher.

Unterdeß meldet fast allstündlich der Draht neue aufregende Kunde. Voran
die letzten Noten, durch welche Preußen und Oestreich auf die öffentliche Mei¬
nung zu wirken suchten, Schriftstücke, welche man gut geschrieben nennt, wenn
sie die beabsichtigte Wirkung hervorbringen; unter ihnen die letzte preußische Note
an die auswärtigen Gesandten sehr merkwürdig durch ihre rücksichtslose Sprache,
welche die diplomatische, Grandezza des Ausdrucks Völlig aufgiebt, die gehobene
Empfindung des Sprechenden in origineller Weise hervorhebt. Es ist nicht
die lehrhafte, spcculircndc Rede deS Kaisers Napoleon des Dritten, der ähnliche
Wirkungen schätzt, sondern die Ungeduld einer feurigen Natur, welche aus
den zornigen Worten bricht. Sie wird, wie die meisten Noten desselben Verfassers,
die Gegner und Fremden ebenso verletzen, als die Anhänger erfreuen; wahr¬
scheinlich war diesmal die Absicht vorhanden, zu ärgern.

Der Einmarsch in Holstein war von Preußen so geschickt curangirt, daß ein
Zusammenstoß vermieden wurde und die Brigade Kalik in Frieden ihre Gar¬
nisonen räumte, während die preußischen Regimenter die östreichische National¬
hymne spielten. Sie waren auf demselben Boden Waffengefährten gewesen.
Wahrscheinlich hat man prcußischcrseits den friedlichen Abzug erwartet und als
unmittelbare Antwort darauf die Eröffnung des schlesischen Feldzugs durch
Oestreich.

Aber auch Oestreich hat einen klugen Gegenzug gethan, sein Antrag am
Bunde, das gesammte Bundesheer mit Ausnahme der preußischen Corps zu
mobilisiren, hütet sich, von den Mittelstaatcn vorläufig größere kriegerische Thätig¬
keit zu verlangen, als sie ohndics zu entwickeln bereit waren. Das Neue und
Ungeheure der Forderung liegt jedoch darin, daß von den Bundesstaaten die
runde Erklärung gefordert wird, ihre Mobilisirung sei gegen Preußen gerichtet.
Ob wir einen Krieg zwischen Preußen und Oestreich erleben, der auf ihrem
beiderseitigen Gebiete ausgefochten wird, oder ob es ein großer Krieg der
Deutschen gegen Deutsche, Zerstörung des Zollvereins, Vernichtung aller Ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/475>, abgerufen am 28.07.2024.