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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Die Studenten, welche er röche, müßten aus Säulachcn und Schindpfützen gebadet
sein. Ihm würde bedünken, die Bilder und Gemälde an den Kirchen, Häusern und
Collegien wollten anheben zu wandeln -- was wandeln? tumultuircn, tollisiren,
tyrannisiren. Sie wollten anheben zu reden -- was reden? zu blöken, zu
grunzen, zu schreien, zu heulen, zu belle", zu toben und wilde Ochsen zu ver¬
ständigen Menschen zu machen."

Und seine Leute näher ins Auge fassend, fährt unser Sittenprediger ent¬
rüstet fort: "Wenn jemand in eine Stadt kommt, da dergleichen Unwesen bei
der Universität eingerissen ist. siehet er Studenten, die ziehen auf in der Kleidung
wie Kriegsgurgeln und haben die furchtsamen Hasen-Degen angegürtet, die
stinkende Speivogel-Feder aufgesteckt, die lahmen Fußhinkcr-Stiefeln und Sporen
angelegt, die kranken Raben-Koller um sich geworfen und die strickwürdigen
Buben-Feldzeichen -- ich irre, Schärpen und Favoren -- an die linke Schulter
geheftet oder zum wenigsten um den Kothwanst und schindgrubenmäßigen Bauch
wie den Hopfen um die Stange gezogen." "Wollen für herzhafte Soldaten
und versuchte Kriegsofsizicre angesehen sein, prahlen mit Stäben und Spitz-
Hämmern, haben aber keinen todten Mann als nur Diebe an dem Galgen und
Mörder auf den Rädern gesehen." "Hinter dem Ohr braviret ein schöner
schwarzer und gekräuselter Zopf." "Das Wamms ist fein zerschnitten und bis¬
weilen wieder geheftet, und mangeln nur die Fenster, so leicht hineinzusetzen."
"Den alamodischen Studenten verdrießt, den schweren und ehrbaren Mantel
zu tragen, und gefaltet, wenn an ihnen die Glieder beschauet werden, welche
alle redlichen Völker bedeckt haben." "Sie gehen einher in mancherlei Farben,
wie Häscher und gemalete Kartenmänner."

"Kommen die verfluchten Faßnacht- und Frcßtage, siehe da finden sich
Larven und Gespenster -- Faßnacht, nicht Fastnacht, und Phantasten, das heißt
alamodische Studenten. Pfui Teufel, in was für Formen, in welchen schänd¬
lichen Formen, in welchen unfläthigcn. unsinnigen, unmenschlichen, in welchen
Vor züchtigen Ohren nicht mannbaren Formen erscheinen oft auf offnen Gassen
und Straßen die alamodiscben Studenten! Kommen vor die Wohnung der
Doctoren und Professoren, der Bischöfe, der Prediger, der Beichtiger, kommen
vor die Tempel, wenn fromme Christen darin beten. fly/zen, beichten, das
Szcrament empfangen und ausspenden, Almosen reichen, trösten, lehren, zuhören,
kommen vor die Tempel, schreien, blöken, brülle", fluchen, lästern, stürmen.
Poltern und lauern auf die Priester, die nach ihren Häusern gehen, begleiten
dieselbigen mit Höhnen und Spotten, komme" auf die Plätze, .wo in dem Herrn
Gestorbene zu Grabe getragen werden, verunruhigen die Leichenbegängnisse und
Trauerlieder mit Pfeifen, Grölen, Rufen und Töne"."

Weiterhin beklagt sich Mcyfart über die "gelten und verführerischen Ko¬
mödien, welche die alamodischen Studenten den Ncctorc", Professoren, Doctoren,


Grenzboten II. 1866. 64

Die Studenten, welche er röche, müßten aus Säulachcn und Schindpfützen gebadet
sein. Ihm würde bedünken, die Bilder und Gemälde an den Kirchen, Häusern und
Collegien wollten anheben zu wandeln — was wandeln? tumultuircn, tollisiren,
tyrannisiren. Sie wollten anheben zu reden — was reden? zu blöken, zu
grunzen, zu schreien, zu heulen, zu belle», zu toben und wilde Ochsen zu ver¬
ständigen Menschen zu machen."

Und seine Leute näher ins Auge fassend, fährt unser Sittenprediger ent¬
rüstet fort: „Wenn jemand in eine Stadt kommt, da dergleichen Unwesen bei
der Universität eingerissen ist. siehet er Studenten, die ziehen auf in der Kleidung
wie Kriegsgurgeln und haben die furchtsamen Hasen-Degen angegürtet, die
stinkende Speivogel-Feder aufgesteckt, die lahmen Fußhinkcr-Stiefeln und Sporen
angelegt, die kranken Raben-Koller um sich geworfen und die strickwürdigen
Buben-Feldzeichen — ich irre, Schärpen und Favoren — an die linke Schulter
geheftet oder zum wenigsten um den Kothwanst und schindgrubenmäßigen Bauch
wie den Hopfen um die Stange gezogen." „Wollen für herzhafte Soldaten
und versuchte Kriegsofsizicre angesehen sein, prahlen mit Stäben und Spitz-
Hämmern, haben aber keinen todten Mann als nur Diebe an dem Galgen und
Mörder auf den Rädern gesehen." „Hinter dem Ohr braviret ein schöner
schwarzer und gekräuselter Zopf." „Das Wamms ist fein zerschnitten und bis¬
weilen wieder geheftet, und mangeln nur die Fenster, so leicht hineinzusetzen."
„Den alamodischen Studenten verdrießt, den schweren und ehrbaren Mantel
zu tragen, und gefaltet, wenn an ihnen die Glieder beschauet werden, welche
alle redlichen Völker bedeckt haben." „Sie gehen einher in mancherlei Farben,
wie Häscher und gemalete Kartenmänner."

„Kommen die verfluchten Faßnacht- und Frcßtage, siehe da finden sich
Larven und Gespenster — Faßnacht, nicht Fastnacht, und Phantasten, das heißt
alamodische Studenten. Pfui Teufel, in was für Formen, in welchen schänd¬
lichen Formen, in welchen unfläthigcn. unsinnigen, unmenschlichen, in welchen
Vor züchtigen Ohren nicht mannbaren Formen erscheinen oft auf offnen Gassen
und Straßen die alamodiscben Studenten! Kommen vor die Wohnung der
Doctoren und Professoren, der Bischöfe, der Prediger, der Beichtiger, kommen
vor die Tempel, wenn fromme Christen darin beten. fly/zen, beichten, das
Szcrament empfangen und ausspenden, Almosen reichen, trösten, lehren, zuhören,
kommen vor die Tempel, schreien, blöken, brülle», fluchen, lästern, stürmen.
Poltern und lauern auf die Priester, die nach ihren Häusern gehen, begleiten
dieselbigen mit Höhnen und Spotten, komme» auf die Plätze, .wo in dem Herrn
Gestorbene zu Grabe getragen werden, verunruhigen die Leichenbegängnisse und
Trauerlieder mit Pfeifen, Grölen, Rufen und Töne»."

Weiterhin beklagt sich Mcyfart über die „gelten und verführerischen Ko¬
mödien, welche die alamodischen Studenten den Ncctorc», Professoren, Doctoren,


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[0455] Die Studenten, welche er röche, müßten aus Säulachcn und Schindpfützen gebadet sein. Ihm würde bedünken, die Bilder und Gemälde an den Kirchen, Häusern und Collegien wollten anheben zu wandeln — was wandeln? tumultuircn, tollisiren, tyrannisiren. Sie wollten anheben zu reden — was reden? zu blöken, zu grunzen, zu schreien, zu heulen, zu belle», zu toben und wilde Ochsen zu ver¬ ständigen Menschen zu machen." Und seine Leute näher ins Auge fassend, fährt unser Sittenprediger ent¬ rüstet fort: „Wenn jemand in eine Stadt kommt, da dergleichen Unwesen bei der Universität eingerissen ist. siehet er Studenten, die ziehen auf in der Kleidung wie Kriegsgurgeln und haben die furchtsamen Hasen-Degen angegürtet, die stinkende Speivogel-Feder aufgesteckt, die lahmen Fußhinkcr-Stiefeln und Sporen angelegt, die kranken Raben-Koller um sich geworfen und die strickwürdigen Buben-Feldzeichen — ich irre, Schärpen und Favoren — an die linke Schulter geheftet oder zum wenigsten um den Kothwanst und schindgrubenmäßigen Bauch wie den Hopfen um die Stange gezogen." „Wollen für herzhafte Soldaten und versuchte Kriegsofsizicre angesehen sein, prahlen mit Stäben und Spitz- Hämmern, haben aber keinen todten Mann als nur Diebe an dem Galgen und Mörder auf den Rädern gesehen." „Hinter dem Ohr braviret ein schöner schwarzer und gekräuselter Zopf." „Das Wamms ist fein zerschnitten und bis¬ weilen wieder geheftet, und mangeln nur die Fenster, so leicht hineinzusetzen." „Den alamodischen Studenten verdrießt, den schweren und ehrbaren Mantel zu tragen, und gefaltet, wenn an ihnen die Glieder beschauet werden, welche alle redlichen Völker bedeckt haben." „Sie gehen einher in mancherlei Farben, wie Häscher und gemalete Kartenmänner." „Kommen die verfluchten Faßnacht- und Frcßtage, siehe da finden sich Larven und Gespenster — Faßnacht, nicht Fastnacht, und Phantasten, das heißt alamodische Studenten. Pfui Teufel, in was für Formen, in welchen schänd¬ lichen Formen, in welchen unfläthigcn. unsinnigen, unmenschlichen, in welchen Vor züchtigen Ohren nicht mannbaren Formen erscheinen oft auf offnen Gassen und Straßen die alamodiscben Studenten! Kommen vor die Wohnung der Doctoren und Professoren, der Bischöfe, der Prediger, der Beichtiger, kommen vor die Tempel, wenn fromme Christen darin beten. fly/zen, beichten, das Szcrament empfangen und ausspenden, Almosen reichen, trösten, lehren, zuhören, kommen vor die Tempel, schreien, blöken, brülle», fluchen, lästern, stürmen. Poltern und lauern auf die Priester, die nach ihren Häusern gehen, begleiten dieselbigen mit Höhnen und Spotten, komme» auf die Plätze, .wo in dem Herrn Gestorbene zu Grabe getragen werden, verunruhigen die Leichenbegängnisse und Trauerlieder mit Pfeifen, Grölen, Rufen und Töne»." Weiterhin beklagt sich Mcyfart über die „gelten und verführerischen Ko¬ mödien, welche die alamodischen Studenten den Ncctorc», Professoren, Doctoren, Grenzboten II. 1866. 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/455>, abgerufen am 28.07.2024.