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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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einen aus den DepartementSchefS zusammengesetzten Ministerrath -- Wieder¬
herstellung des Einkammersystems, der Preß- und der Vereinsfreiheit -- Ab-
schaffung der feudalen Jagdrechte auf fremdem Grund und Boden u. s. w. --;
nach Aufzählung dieser einzelnen Forderungen folgt ein allgemeiner Schlußsatz:
"Alle diese Grundsätze, welche wir hiermit, veranlaßt durch specielle Landes¬
beschwerden, als die Zielpunkte der Thätigkeit der zu wählenden Abgeordneten
aufgestellt haben, finden sich bereits als in Nassau zu Recht bestehend anerkannt
in der Zusammenstellung unseres Staatsrechts (Codification) vom
28, December 1849. Dieses von der Negierung mit der berechtigten Volks¬
vertretung vereinbarte und im Gesetzblatt als das anerkannter Maßen bestehende
Staatsrecht des Herzogthums verkündigte Verfassungsrecht ist unserem Lande
durch einen nicht als rechtmäßig anzuerkennenden Act entrissen worden. Die
unverkürzte und volle Wiederherstellung desselben wird sowohl
durch die berechtigten Interessen des Landes, als durch das ver-
letzte Rechtsgefühl gefordert und ist von dem zu wählenden Land¬
tage anzustreben." Dieses Programm wurde sofort bedeckt mit Tausenden
por Unterschriften der angesehensten Bürger und Bauern aus allen Theilen des
Landes. Mit ihm schritten die Liberalen zur Wahl. Trotz aller Anstrengungen
der ihnen entgegenstehenden Coalition und der Negierung errangen die Liberalen
bei den Wahlen vom November 1863 einen glänzenden Sieg. Sie gewannen
drei Viertel der Sitze der zweiten und alle Wahlstellen in der ersten Kammer.

Die Antwort hieraus war die Ernennung Werrens zum Negierungsdirector,
Absetzung. Versetzung und sonstige Maßregelung aller Richter, Staats- und Ge¬
meindeverwaltungsbeamten, welche mit Recht oder Unrecht in einem liberalen
oder antiklerikalen Rufe standen; Besetzung aller einflußreichen Dienststellen mit
Klerikalen; Ernennung von 9 -- sage und schreibe: neun Generalen für unsere
5,000 Mann Soldaten; Bestrafung der Beamten, in deren Verwaltungsbezirken
liberal gewählt worden war; Bedrohung und Verwarnung derer, welche "regie¬
rungsfeindliche" Männer in die Kammern gewählt hatten; Ertheilung von Cor-
porationsrechten, sowie der Befugniß, Lehranstalten zu errichten und Grund¬
eigenthum zu erwerben, an verschiedene, bisher nur stillschweigend geduldete
Mönchs, und Nonnenklöster; Veräußerung einer der Landeskasse gehörigen werth¬
vollen Besitzung auf dem Westerwalde zu einem Spottpreise an den katholischen
Bischof zum Zwecke der Gründung einer Jesuitenanstalt daselbst; Begünstigung
und Ausdehnung der Familienfideicommisse; Förderung und Gestattung der Er¬
werbung von Grundeigenthum durch die todte Hand; Einführung von Com-
munaloctroy auf Fleisch. Brod, Bier und Wein; Einschlachten von Bauern¬
gütern in die Domäne; übermäßige Hegung des Wüdstandes; Steigerung der
Gewerbesteuer; Verweigerung von Fabrikconcessionen; sowie eine ganze Reihe
weiterer gemeinschädlicher und unpopulärer Maßregeln, welche sich in der Schrift


einen aus den DepartementSchefS zusammengesetzten Ministerrath — Wieder¬
herstellung des Einkammersystems, der Preß- und der Vereinsfreiheit — Ab-
schaffung der feudalen Jagdrechte auf fremdem Grund und Boden u. s. w. —;
nach Aufzählung dieser einzelnen Forderungen folgt ein allgemeiner Schlußsatz:
„Alle diese Grundsätze, welche wir hiermit, veranlaßt durch specielle Landes¬
beschwerden, als die Zielpunkte der Thätigkeit der zu wählenden Abgeordneten
aufgestellt haben, finden sich bereits als in Nassau zu Recht bestehend anerkannt
in der Zusammenstellung unseres Staatsrechts (Codification) vom
28, December 1849. Dieses von der Negierung mit der berechtigten Volks¬
vertretung vereinbarte und im Gesetzblatt als das anerkannter Maßen bestehende
Staatsrecht des Herzogthums verkündigte Verfassungsrecht ist unserem Lande
durch einen nicht als rechtmäßig anzuerkennenden Act entrissen worden. Die
unverkürzte und volle Wiederherstellung desselben wird sowohl
durch die berechtigten Interessen des Landes, als durch das ver-
letzte Rechtsgefühl gefordert und ist von dem zu wählenden Land¬
tage anzustreben." Dieses Programm wurde sofort bedeckt mit Tausenden
por Unterschriften der angesehensten Bürger und Bauern aus allen Theilen des
Landes. Mit ihm schritten die Liberalen zur Wahl. Trotz aller Anstrengungen
der ihnen entgegenstehenden Coalition und der Negierung errangen die Liberalen
bei den Wahlen vom November 1863 einen glänzenden Sieg. Sie gewannen
drei Viertel der Sitze der zweiten und alle Wahlstellen in der ersten Kammer.

Die Antwort hieraus war die Ernennung Werrens zum Negierungsdirector,
Absetzung. Versetzung und sonstige Maßregelung aller Richter, Staats- und Ge¬
meindeverwaltungsbeamten, welche mit Recht oder Unrecht in einem liberalen
oder antiklerikalen Rufe standen; Besetzung aller einflußreichen Dienststellen mit
Klerikalen; Ernennung von 9 — sage und schreibe: neun Generalen für unsere
5,000 Mann Soldaten; Bestrafung der Beamten, in deren Verwaltungsbezirken
liberal gewählt worden war; Bedrohung und Verwarnung derer, welche „regie¬
rungsfeindliche" Männer in die Kammern gewählt hatten; Ertheilung von Cor-
porationsrechten, sowie der Befugniß, Lehranstalten zu errichten und Grund¬
eigenthum zu erwerben, an verschiedene, bisher nur stillschweigend geduldete
Mönchs, und Nonnenklöster; Veräußerung einer der Landeskasse gehörigen werth¬
vollen Besitzung auf dem Westerwalde zu einem Spottpreise an den katholischen
Bischof zum Zwecke der Gründung einer Jesuitenanstalt daselbst; Begünstigung
und Ausdehnung der Familienfideicommisse; Förderung und Gestattung der Er¬
werbung von Grundeigenthum durch die todte Hand; Einführung von Com-
munaloctroy auf Fleisch. Brod, Bier und Wein; Einschlachten von Bauern¬
gütern in die Domäne; übermäßige Hegung des Wüdstandes; Steigerung der
Gewerbesteuer; Verweigerung von Fabrikconcessionen; sowie eine ganze Reihe
weiterer gemeinschädlicher und unpopulärer Maßregeln, welche sich in der Schrift


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[0402] einen aus den DepartementSchefS zusammengesetzten Ministerrath — Wieder¬ herstellung des Einkammersystems, der Preß- und der Vereinsfreiheit — Ab- schaffung der feudalen Jagdrechte auf fremdem Grund und Boden u. s. w. —; nach Aufzählung dieser einzelnen Forderungen folgt ein allgemeiner Schlußsatz: „Alle diese Grundsätze, welche wir hiermit, veranlaßt durch specielle Landes¬ beschwerden, als die Zielpunkte der Thätigkeit der zu wählenden Abgeordneten aufgestellt haben, finden sich bereits als in Nassau zu Recht bestehend anerkannt in der Zusammenstellung unseres Staatsrechts (Codification) vom 28, December 1849. Dieses von der Negierung mit der berechtigten Volks¬ vertretung vereinbarte und im Gesetzblatt als das anerkannter Maßen bestehende Staatsrecht des Herzogthums verkündigte Verfassungsrecht ist unserem Lande durch einen nicht als rechtmäßig anzuerkennenden Act entrissen worden. Die unverkürzte und volle Wiederherstellung desselben wird sowohl durch die berechtigten Interessen des Landes, als durch das ver- letzte Rechtsgefühl gefordert und ist von dem zu wählenden Land¬ tage anzustreben." Dieses Programm wurde sofort bedeckt mit Tausenden por Unterschriften der angesehensten Bürger und Bauern aus allen Theilen des Landes. Mit ihm schritten die Liberalen zur Wahl. Trotz aller Anstrengungen der ihnen entgegenstehenden Coalition und der Negierung errangen die Liberalen bei den Wahlen vom November 1863 einen glänzenden Sieg. Sie gewannen drei Viertel der Sitze der zweiten und alle Wahlstellen in der ersten Kammer. Die Antwort hieraus war die Ernennung Werrens zum Negierungsdirector, Absetzung. Versetzung und sonstige Maßregelung aller Richter, Staats- und Ge¬ meindeverwaltungsbeamten, welche mit Recht oder Unrecht in einem liberalen oder antiklerikalen Rufe standen; Besetzung aller einflußreichen Dienststellen mit Klerikalen; Ernennung von 9 — sage und schreibe: neun Generalen für unsere 5,000 Mann Soldaten; Bestrafung der Beamten, in deren Verwaltungsbezirken liberal gewählt worden war; Bedrohung und Verwarnung derer, welche „regie¬ rungsfeindliche" Männer in die Kammern gewählt hatten; Ertheilung von Cor- porationsrechten, sowie der Befugniß, Lehranstalten zu errichten und Grund¬ eigenthum zu erwerben, an verschiedene, bisher nur stillschweigend geduldete Mönchs, und Nonnenklöster; Veräußerung einer der Landeskasse gehörigen werth¬ vollen Besitzung auf dem Westerwalde zu einem Spottpreise an den katholischen Bischof zum Zwecke der Gründung einer Jesuitenanstalt daselbst; Begünstigung und Ausdehnung der Familienfideicommisse; Förderung und Gestattung der Er¬ werbung von Grundeigenthum durch die todte Hand; Einführung von Com- munaloctroy auf Fleisch. Brod, Bier und Wein; Einschlachten von Bauern¬ gütern in die Domäne; übermäßige Hegung des Wüdstandes; Steigerung der Gewerbesteuer; Verweigerung von Fabrikconcessionen; sowie eine ganze Reihe weiterer gemeinschädlicher und unpopulärer Maßregeln, welche sich in der Schrift

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/402>, abgerufen am 01.09.2024.