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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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furt erscheinenden "Zeit" ab, wonach der Herzog die böhmischen Güter viel zu
theuer bezahlt haben sollte und auf gewisse Hofbedienstete und Unterhändler kein
dsehr günstiges Licht siel. Da erfolgte die erste jener polizeilichen Explosionen,
die sich seitdem so häusig wiederholt haben. Die "Rhein-Lahn-Zeitung" wurde
unterdrückt, die "Zeit" verboten, die halbliberale "Mittelrheinische Zeitung" --
obgleich sie gor nichts verschuldet hatte -- wahrscheinlich aus prophylaktischen
Gründen, verwarnt. Die zur Unterdrückung erforderlichen vorhergehenden zwei
Bestrafungen hatten bei der "Rhein-Lahn-Zeitung" noch nicht stattgefunden. Sie
hatte nur einmal wegen eines harmlosen Scherzes, den sie über einen nassauischen
Amtmann, der das Echo verboten, gemacht hatte, eine Strafe erlitten. Nun
folgten die Zeitungsverbote und Unterdrückungen einander Schlag auf Schlag.
Etwa ein Dutzend Blätter -- darunter sogar die großdeutsche Neue frankfurter
Zeitung -- sielen als Opfer des turor dursaueratlous. Man stellte unver¬
hohlen den Grundsatz auf, daß in Nassau überhaupt ein liberales Blatt nicht
concessionirt werden und nicht bestehen dürfe; und noch im Jahre 1866 gab
man dem Schriftsteller Bernhard Scholz, als er eine Concession nachsuchte, den
Bescheid, er solle sie erhalten, wenn er sich verpflichte und Garantie stelle, daß
er das Blatt nicht anders als im großdeutsch-conservativen Sinne redigire.
Scholz lehnte natürlich eine solche Gnade ab. Während die liberale Presse
vollständig unterdrückt war -- das Nähere über die zum Theil höchst originellen
Einzelnheiten, die namentlich unter Werren vorkamen, findet sich in einem von
August Lammers dem deutschen Journalistentag erstatteten wahrheitsgetreuer
Bericht, betitelt: "Die Behandlung der Presse in Nassau" -- erging sich das
von der Negierung unterstützte großdeutsche Blatt, zuerst "Wiesbadener Zeitung"
und dann "Herzoglich Nassauische Landeszeitung" genannt, in Zügellosigkeiten,
Schimpfreden und Verleumdungen. Es wurde unzählige Mal auf Klage der
Verletzten von den Gerichten verurtheilt, aber auch ebenso oft von dem Herzog
begnadigt. Um eine Probe seiner Schreibweise zu geben, erinnern wir daran,
daß es wiederholt direct in mannigfachen Variationen dazu auffsrderte, die
Führer der Opposition "an der Leichtweißhöhle (einer schauerlichen Waldeinsam¬
keit bei Wiesbaden) abzuschlachten und ihr Fleisch den Raben zum Fraße vor¬
zuwerfen", -- gewiß ein angemessener Stil für ein officielles Blatt.

Doch kehren wir von dieser Episode, welche einer spätern Periode angehört,
zurück zum Jahre 1861. Um dieselbe Zeit, wo man jenen polizeilich-administra¬
tiven Feldzug gegen die liberale Presse begann, von welchem man sagen darf:
"Leila Mri Meeat uullos KMtura triuiripIioL!" brachte jenes von der Regie¬
rung begünstigte Blatt, die "Wiesbadener Zeitung" einen Artikel voll ab¬
geschmackter Grobheiten gegen König Wilhelm von Preußen, welcher Artikel
diplomatische Reclamationen zur Folge hatte. Nassau wollte Preußen einfach
Vor die Gerichte verweisen; allein dasselbe entgegnete sehr richtig: "Warum soll


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furt erscheinenden „Zeit" ab, wonach der Herzog die böhmischen Güter viel zu
theuer bezahlt haben sollte und auf gewisse Hofbedienstete und Unterhändler kein
dsehr günstiges Licht siel. Da erfolgte die erste jener polizeilichen Explosionen,
die sich seitdem so häusig wiederholt haben. Die „Rhein-Lahn-Zeitung" wurde
unterdrückt, die „Zeit" verboten, die halbliberale „Mittelrheinische Zeitung" —
obgleich sie gor nichts verschuldet hatte — wahrscheinlich aus prophylaktischen
Gründen, verwarnt. Die zur Unterdrückung erforderlichen vorhergehenden zwei
Bestrafungen hatten bei der „Rhein-Lahn-Zeitung" noch nicht stattgefunden. Sie
hatte nur einmal wegen eines harmlosen Scherzes, den sie über einen nassauischen
Amtmann, der das Echo verboten, gemacht hatte, eine Strafe erlitten. Nun
folgten die Zeitungsverbote und Unterdrückungen einander Schlag auf Schlag.
Etwa ein Dutzend Blätter — darunter sogar die großdeutsche Neue frankfurter
Zeitung — sielen als Opfer des turor dursaueratlous. Man stellte unver¬
hohlen den Grundsatz auf, daß in Nassau überhaupt ein liberales Blatt nicht
concessionirt werden und nicht bestehen dürfe; und noch im Jahre 1866 gab
man dem Schriftsteller Bernhard Scholz, als er eine Concession nachsuchte, den
Bescheid, er solle sie erhalten, wenn er sich verpflichte und Garantie stelle, daß
er das Blatt nicht anders als im großdeutsch-conservativen Sinne redigire.
Scholz lehnte natürlich eine solche Gnade ab. Während die liberale Presse
vollständig unterdrückt war — das Nähere über die zum Theil höchst originellen
Einzelnheiten, die namentlich unter Werren vorkamen, findet sich in einem von
August Lammers dem deutschen Journalistentag erstatteten wahrheitsgetreuer
Bericht, betitelt: „Die Behandlung der Presse in Nassau" — erging sich das
von der Negierung unterstützte großdeutsche Blatt, zuerst „Wiesbadener Zeitung"
und dann „Herzoglich Nassauische Landeszeitung" genannt, in Zügellosigkeiten,
Schimpfreden und Verleumdungen. Es wurde unzählige Mal auf Klage der
Verletzten von den Gerichten verurtheilt, aber auch ebenso oft von dem Herzog
begnadigt. Um eine Probe seiner Schreibweise zu geben, erinnern wir daran,
daß es wiederholt direct in mannigfachen Variationen dazu auffsrderte, die
Führer der Opposition „an der Leichtweißhöhle (einer schauerlichen Waldeinsam¬
keit bei Wiesbaden) abzuschlachten und ihr Fleisch den Raben zum Fraße vor¬
zuwerfen", — gewiß ein angemessener Stil für ein officielles Blatt.

Doch kehren wir von dieser Episode, welche einer spätern Periode angehört,
zurück zum Jahre 1861. Um dieselbe Zeit, wo man jenen polizeilich-administra¬
tiven Feldzug gegen die liberale Presse begann, von welchem man sagen darf:
„Leila Mri Meeat uullos KMtura triuiripIioL!" brachte jenes von der Regie¬
rung begünstigte Blatt, die „Wiesbadener Zeitung" einen Artikel voll ab¬
geschmackter Grobheiten gegen König Wilhelm von Preußen, welcher Artikel
diplomatische Reclamationen zur Folge hatte. Nassau wollte Preußen einfach
Vor die Gerichte verweisen; allein dasselbe entgegnete sehr richtig: „Warum soll


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/399>, abgerufen am 28.07.2024.