Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

den Herren studiosis. So, wenn sie sehen, daß sich ein neuer Gast, der zu¬
vor in ihrer Stube niemals erschienen, präsentirt, säumen sie nicht lange, witz
das große Glas vom Simse, und das offeriren sie dem neuen Gaste, der sich
gleichsam davor entsetzet und wegen der greulichen ungeheuren Last des Kuckuks
erblasset, mit einer wohlgeläufigen Rede und bitten freundlich, daß er solches
zum Zeugniß angenehmer und lieber Ankunft und nicht zu Minderung, sondern
vielmehr zu mehrer Bestärkung alter und wohlhergebrachter Gewohnheit und
Stubenrechts unweigerlich wolle acceptiren und wo nicht auf einen Trunk doch
bei seiner guten Weile evacuiren. Und wird deswegen oft gefragt, ob einer
solches könne füglich recusiren und abschlagen. Wir aber sagen stracks nein;
denn ein jeder ist Monarch" und Herr auf seiner Stube und hat allda Statut
und Gesetz zu ordnen, wie er will." -- "Da aber einer oder der andre mit
einem solchen Willkommen einmal ehrlich empfangen und angenommen worden
und gleich allda auf eine andere Zeit wieder erschienen, so bleibt er dann da¬
mit billig verschont, es wäre' denn unterdessen das Museum (die Stube) ver¬
ändert worden, wo alsdann gleichsam wie in einem neuen Territorio neue Sta¬
tuten und Ordnungen sancirt und verordnet worden.

Der Verfasser geht nun von den xota-tioriLS totales zu den Mrtislss,
d. h. zu den Trunken über, wo "zwei oder drei nach einander aus einem Glase
genießen. Als da ist die große ungeheure Humpe, welche man das Römische
Reich nennt, deren Kraft und Gewalt so groß und mächtig ist, daß sie auch
wohl den allerstärksten Herculem oder Saufritter dürfte ein Bein stellen und
wider Gottes Boden niederwerfen. Und auf solche Manier Pflegen sonderlich
in Niedersachsen auch wohl ihrer vier aus einer Kanne zu trinken, die da en-t"
weder mit Bier oder Wein gefüllt ist, auf folgende Weise, daß die ersten drei
jeder einen Trunk thun, der vierte aber muß das andre alles, was noch hinter-
stellig, exsicciren oder austrocknen. Diese liebliche Kurzweil nennen sie: den
Fuchs schleppen."

Anmuthiger ist die gleich nach dieser Sitte erwähnte Art des Partial¬
trunks, bei welcher die Gesellschaft bunte Reihe macht, "ein jeder junge Gesell
der neben ihm sitzenden Jungfrau seinen Goldsinger an den ihren häkelt und
beide mit der andern Hand unten einen Becher fassen, die Mäulchen ganz hart
und fest zusammenrecken, wie die Tauben, wenn sie sich invicsm schnäbeln, und
so beide zu gleicher Zeit aus dem Trinkgeschirr trinken."

Anderes, was unser Zechrecht noch ins Auge faßt, läßt sich als gar zu
unreinlich hier nicht mittheilen. Dagegen sei noch erwähnt, daß der Verfasser
als Zweck des Trinkens einen guten Rausch angiebt, den er dann schildert.
"Wenn nun die Herren Gäste einen solchen Saus-?mon erlanget, so fangen
sie allererst tolle Händel und wunderliche Possen an, schwärmen, jauchzen und


den Herren studiosis. So, wenn sie sehen, daß sich ein neuer Gast, der zu¬
vor in ihrer Stube niemals erschienen, präsentirt, säumen sie nicht lange, witz
das große Glas vom Simse, und das offeriren sie dem neuen Gaste, der sich
gleichsam davor entsetzet und wegen der greulichen ungeheuren Last des Kuckuks
erblasset, mit einer wohlgeläufigen Rede und bitten freundlich, daß er solches
zum Zeugniß angenehmer und lieber Ankunft und nicht zu Minderung, sondern
vielmehr zu mehrer Bestärkung alter und wohlhergebrachter Gewohnheit und
Stubenrechts unweigerlich wolle acceptiren und wo nicht auf einen Trunk doch
bei seiner guten Weile evacuiren. Und wird deswegen oft gefragt, ob einer
solches könne füglich recusiren und abschlagen. Wir aber sagen stracks nein;
denn ein jeder ist Monarch« und Herr auf seiner Stube und hat allda Statut
und Gesetz zu ordnen, wie er will." — „Da aber einer oder der andre mit
einem solchen Willkommen einmal ehrlich empfangen und angenommen worden
und gleich allda auf eine andere Zeit wieder erschienen, so bleibt er dann da¬
mit billig verschont, es wäre' denn unterdessen das Museum (die Stube) ver¬
ändert worden, wo alsdann gleichsam wie in einem neuen Territorio neue Sta¬
tuten und Ordnungen sancirt und verordnet worden.

Der Verfasser geht nun von den xota-tioriLS totales zu den Mrtislss,
d. h. zu den Trunken über, wo „zwei oder drei nach einander aus einem Glase
genießen. Als da ist die große ungeheure Humpe, welche man das Römische
Reich nennt, deren Kraft und Gewalt so groß und mächtig ist, daß sie auch
wohl den allerstärksten Herculem oder Saufritter dürfte ein Bein stellen und
wider Gottes Boden niederwerfen. Und auf solche Manier Pflegen sonderlich
in Niedersachsen auch wohl ihrer vier aus einer Kanne zu trinken, die da en-t«
weder mit Bier oder Wein gefüllt ist, auf folgende Weise, daß die ersten drei
jeder einen Trunk thun, der vierte aber muß das andre alles, was noch hinter-
stellig, exsicciren oder austrocknen. Diese liebliche Kurzweil nennen sie: den
Fuchs schleppen."

Anmuthiger ist die gleich nach dieser Sitte erwähnte Art des Partial¬
trunks, bei welcher die Gesellschaft bunte Reihe macht, „ein jeder junge Gesell
der neben ihm sitzenden Jungfrau seinen Goldsinger an den ihren häkelt und
beide mit der andern Hand unten einen Becher fassen, die Mäulchen ganz hart
und fest zusammenrecken, wie die Tauben, wenn sie sich invicsm schnäbeln, und
so beide zu gleicher Zeit aus dem Trinkgeschirr trinken."

Anderes, was unser Zechrecht noch ins Auge faßt, läßt sich als gar zu
unreinlich hier nicht mittheilen. Dagegen sei noch erwähnt, daß der Verfasser
als Zweck des Trinkens einen guten Rausch angiebt, den er dann schildert.
„Wenn nun die Herren Gäste einen solchen Saus-?mon erlanget, so fangen
sie allererst tolle Händel und wunderliche Possen an, schwärmen, jauchzen und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0380" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285408"/>
          <p xml:id="ID_1148" prev="#ID_1147"> den Herren studiosis. So, wenn sie sehen, daß sich ein neuer Gast, der zu¬<lb/>
vor in ihrer Stube niemals erschienen, präsentirt, säumen sie nicht lange, witz<lb/>
das große Glas vom Simse, und das offeriren sie dem neuen Gaste, der sich<lb/>
gleichsam davor entsetzet und wegen der greulichen ungeheuren Last des Kuckuks<lb/>
erblasset, mit einer wohlgeläufigen Rede und bitten freundlich, daß er solches<lb/>
zum Zeugniß angenehmer und lieber Ankunft und nicht zu Minderung, sondern<lb/>
vielmehr zu mehrer Bestärkung alter und wohlhergebrachter Gewohnheit und<lb/>
Stubenrechts unweigerlich wolle acceptiren und wo nicht auf einen Trunk doch<lb/>
bei seiner guten Weile evacuiren. Und wird deswegen oft gefragt, ob einer<lb/>
solches könne füglich recusiren und abschlagen. Wir aber sagen stracks nein;<lb/>
denn ein jeder ist Monarch« und Herr auf seiner Stube und hat allda Statut<lb/>
und Gesetz zu ordnen, wie er will." &#x2014; &#x201E;Da aber einer oder der andre mit<lb/>
einem solchen Willkommen einmal ehrlich empfangen und angenommen worden<lb/>
und gleich allda auf eine andere Zeit wieder erschienen, so bleibt er dann da¬<lb/>
mit billig verschont, es wäre' denn unterdessen das Museum (die Stube) ver¬<lb/>
ändert worden, wo alsdann gleichsam wie in einem neuen Territorio neue Sta¬<lb/>
tuten und Ordnungen sancirt und verordnet worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1149"> Der Verfasser geht nun von den xota-tioriLS totales zu den Mrtislss,<lb/>
d. h. zu den Trunken über, wo &#x201E;zwei oder drei nach einander aus einem Glase<lb/>
genießen. Als da ist die große ungeheure Humpe, welche man das Römische<lb/>
Reich nennt, deren Kraft und Gewalt so groß und mächtig ist, daß sie auch<lb/>
wohl den allerstärksten Herculem oder Saufritter dürfte ein Bein stellen und<lb/>
wider Gottes Boden niederwerfen. Und auf solche Manier Pflegen sonderlich<lb/>
in Niedersachsen auch wohl ihrer vier aus einer Kanne zu trinken, die da en-t«<lb/>
weder mit Bier oder Wein gefüllt ist, auf folgende Weise, daß die ersten drei<lb/>
jeder einen Trunk thun, der vierte aber muß das andre alles, was noch hinter-<lb/>
stellig, exsicciren oder austrocknen. Diese liebliche Kurzweil nennen sie: den<lb/>
Fuchs schleppen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1150"> Anmuthiger ist die gleich nach dieser Sitte erwähnte Art des Partial¬<lb/>
trunks, bei welcher die Gesellschaft bunte Reihe macht, &#x201E;ein jeder junge Gesell<lb/>
der neben ihm sitzenden Jungfrau seinen Goldsinger an den ihren häkelt und<lb/>
beide mit der andern Hand unten einen Becher fassen, die Mäulchen ganz hart<lb/>
und fest zusammenrecken, wie die Tauben, wenn sie sich invicsm schnäbeln, und<lb/>
so beide zu gleicher Zeit aus dem Trinkgeschirr trinken."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1151" next="#ID_1152"> Anderes, was unser Zechrecht noch ins Auge faßt, läßt sich als gar zu<lb/>
unreinlich hier nicht mittheilen. Dagegen sei noch erwähnt, daß der Verfasser<lb/>
als Zweck des Trinkens einen guten Rausch angiebt, den er dann schildert.<lb/>
&#x201E;Wenn nun die Herren Gäste einen solchen Saus-?mon erlanget, so fangen<lb/>
sie allererst tolle Händel und wunderliche Possen an, schwärmen, jauchzen und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0380] den Herren studiosis. So, wenn sie sehen, daß sich ein neuer Gast, der zu¬ vor in ihrer Stube niemals erschienen, präsentirt, säumen sie nicht lange, witz das große Glas vom Simse, und das offeriren sie dem neuen Gaste, der sich gleichsam davor entsetzet und wegen der greulichen ungeheuren Last des Kuckuks erblasset, mit einer wohlgeläufigen Rede und bitten freundlich, daß er solches zum Zeugniß angenehmer und lieber Ankunft und nicht zu Minderung, sondern vielmehr zu mehrer Bestärkung alter und wohlhergebrachter Gewohnheit und Stubenrechts unweigerlich wolle acceptiren und wo nicht auf einen Trunk doch bei seiner guten Weile evacuiren. Und wird deswegen oft gefragt, ob einer solches könne füglich recusiren und abschlagen. Wir aber sagen stracks nein; denn ein jeder ist Monarch« und Herr auf seiner Stube und hat allda Statut und Gesetz zu ordnen, wie er will." — „Da aber einer oder der andre mit einem solchen Willkommen einmal ehrlich empfangen und angenommen worden und gleich allda auf eine andere Zeit wieder erschienen, so bleibt er dann da¬ mit billig verschont, es wäre' denn unterdessen das Museum (die Stube) ver¬ ändert worden, wo alsdann gleichsam wie in einem neuen Territorio neue Sta¬ tuten und Ordnungen sancirt und verordnet worden. Der Verfasser geht nun von den xota-tioriLS totales zu den Mrtislss, d. h. zu den Trunken über, wo „zwei oder drei nach einander aus einem Glase genießen. Als da ist die große ungeheure Humpe, welche man das Römische Reich nennt, deren Kraft und Gewalt so groß und mächtig ist, daß sie auch wohl den allerstärksten Herculem oder Saufritter dürfte ein Bein stellen und wider Gottes Boden niederwerfen. Und auf solche Manier Pflegen sonderlich in Niedersachsen auch wohl ihrer vier aus einer Kanne zu trinken, die da en-t« weder mit Bier oder Wein gefüllt ist, auf folgende Weise, daß die ersten drei jeder einen Trunk thun, der vierte aber muß das andre alles, was noch hinter- stellig, exsicciren oder austrocknen. Diese liebliche Kurzweil nennen sie: den Fuchs schleppen." Anmuthiger ist die gleich nach dieser Sitte erwähnte Art des Partial¬ trunks, bei welcher die Gesellschaft bunte Reihe macht, „ein jeder junge Gesell der neben ihm sitzenden Jungfrau seinen Goldsinger an den ihren häkelt und beide mit der andern Hand unten einen Becher fassen, die Mäulchen ganz hart und fest zusammenrecken, wie die Tauben, wenn sie sich invicsm schnäbeln, und so beide zu gleicher Zeit aus dem Trinkgeschirr trinken." Anderes, was unser Zechrecht noch ins Auge faßt, läßt sich als gar zu unreinlich hier nicht mittheilen. Dagegen sei noch erwähnt, daß der Verfasser als Zweck des Trinkens einen guten Rausch angiebt, den er dann schildert. „Wenn nun die Herren Gäste einen solchen Saus-?mon erlanget, so fangen sie allererst tolle Händel und wunderliche Possen an, schwärmen, jauchzen und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/380
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/380>, abgerufen am 28.07.2024.