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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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ersten Blick, daß es einem akademischen Bürger nichts verschlagen soll, wenn
er sich herabläßt, mit einem Mercatore oder Kaufgesellen Brüderschaft zu machen,
Und daß unsere Schrift sogar dazu ermahnt. Aber die nächste Seite zeigt den
Grund: "Solche Freundschaft ist beides, im Verlag und Geldwechsel und wo
sich sonst einer nicht baares Geldes erholen kann, nacen zu machen nützlich
und zuträglich."

Mit sittlicher Entrüstung, die sich im Ton der Zeit äußerst kräftig und
wenig sauber ausdrückt, verurtheilt der Versasser die, welche "hausticos "aus
Speiseschüsseln, darinnen noch wohl Stücklein Fleisch und ein Ziemliches von
der fetten Suppe vorhanden, oder aus des Hausknechts lausigen Filzhut oder
aber aus alten schlimmgetretnen Schuhen." "mit greulich aufgesperrtem Rachen und
starken Schlucken" trinken, oder Unschlittlichte in die eingeschenkten Gläser wer¬
fen odeI es gar "wie jener Umstand Simon Großoge mit dem rothen Bart"
machen, "welcher sechs ganzer Simonssische oder gesalzene Bauernkarpfen in
die Kanne that und mit dein Bier gar meisterlich wußte einzuschlucken."

Dagegen berichtet die Schrift im bloßen Erzähierton von zahlreichen an¬
dern Methoden des Zechens. "Etliche, wenn sie trinken, fassen und heben das
Glas mit dem Munde auf. etliche fassen die eine Lippe, damit sie also mit zur Erde
gestürzten Kopfe trinken können, andere nehmen zwei Gläser zusammen und
trinken sie mit einander zugleich aus. Andere fassen das Glas nicht mit der
Hand, sondern zwischen den Arm, andere stürzens an die Stirn, damit also
das liebe Getränk allgemachsam an der Nase wie in einer Rinne zum Munde
herabfließe." "Ueber dieses alles finden sich noch andere, welche ihrem Trinken
wegen allerlei seltsamen Gesticulationen und Ceremonien, deren sie dabei ge¬
brauchen, sonderbare Namen adscribiren und zueignen; als da find Curl-
Murl-Puff, wo der Bart bald da, bald dort gewischt, bald da, bald dort, jetzt
mit den Fingern, jetzt mit den Armen, jetzt mit den Füßen getappt, bald mit
den Fingern geschnippt, bald eins gepfiffen und sonsten viel seltsame phanta¬
stische Possen gebraucht werden. Item, da findet sich auch das ?ven1no lati-
"um, dazu gar sonderbare Worte mit einer vierfachen Propination gehören.
Item: Das Rößlein verkaufen, Den Unbekannten bringen. Item: Ohne Duck,
ohne Schmuck, ohne Bartwisch, an welche Formel sich die gelehrte Frage, ob
einer, der ein unfruchtbares Kinn habe, ohne Bartwischen trinken könne, knüpft,
die beiläufig ungefähr ebenso wichtig war, wie die meisten Fragen der damals
wieder in vollem Flor stehenden theologischen Scholastik.

Mit dem 31. Paragraph betritt der Verfasser unsres Trinkcomments ein
neues Gebiet. "Nun wollen wir auch die Pokale betrachten, die nicht auf ein¬
mal, sondern auf zwei oder mehr Trunke verrichtet werden. Als da ist das
?ventum (?r^w1g.toriulli, dessen Gebrauch gar gemein ist und sonderlich bei


G'-nzboten II, 1806. 45

ersten Blick, daß es einem akademischen Bürger nichts verschlagen soll, wenn
er sich herabläßt, mit einem Mercatore oder Kaufgesellen Brüderschaft zu machen,
Und daß unsere Schrift sogar dazu ermahnt. Aber die nächste Seite zeigt den
Grund: „Solche Freundschaft ist beides, im Verlag und Geldwechsel und wo
sich sonst einer nicht baares Geldes erholen kann, nacen zu machen nützlich
und zuträglich."

Mit sittlicher Entrüstung, die sich im Ton der Zeit äußerst kräftig und
wenig sauber ausdrückt, verurtheilt der Versasser die, welche „hausticos „aus
Speiseschüsseln, darinnen noch wohl Stücklein Fleisch und ein Ziemliches von
der fetten Suppe vorhanden, oder aus des Hausknechts lausigen Filzhut oder
aber aus alten schlimmgetretnen Schuhen." „mit greulich aufgesperrtem Rachen und
starken Schlucken" trinken, oder Unschlittlichte in die eingeschenkten Gläser wer¬
fen odeI es gar „wie jener Umstand Simon Großoge mit dem rothen Bart"
machen, „welcher sechs ganzer Simonssische oder gesalzene Bauernkarpfen in
die Kanne that und mit dein Bier gar meisterlich wußte einzuschlucken."

Dagegen berichtet die Schrift im bloßen Erzähierton von zahlreichen an¬
dern Methoden des Zechens. „Etliche, wenn sie trinken, fassen und heben das
Glas mit dem Munde auf. etliche fassen die eine Lippe, damit sie also mit zur Erde
gestürzten Kopfe trinken können, andere nehmen zwei Gläser zusammen und
trinken sie mit einander zugleich aus. Andere fassen das Glas nicht mit der
Hand, sondern zwischen den Arm, andere stürzens an die Stirn, damit also
das liebe Getränk allgemachsam an der Nase wie in einer Rinne zum Munde
herabfließe." „Ueber dieses alles finden sich noch andere, welche ihrem Trinken
wegen allerlei seltsamen Gesticulationen und Ceremonien, deren sie dabei ge¬
brauchen, sonderbare Namen adscribiren und zueignen; als da find Curl-
Murl-Puff, wo der Bart bald da, bald dort gewischt, bald da, bald dort, jetzt
mit den Fingern, jetzt mit den Armen, jetzt mit den Füßen getappt, bald mit
den Fingern geschnippt, bald eins gepfiffen und sonsten viel seltsame phanta¬
stische Possen gebraucht werden. Item, da findet sich auch das ?ven1no lati-
»um, dazu gar sonderbare Worte mit einer vierfachen Propination gehören.
Item: Das Rößlein verkaufen, Den Unbekannten bringen. Item: Ohne Duck,
ohne Schmuck, ohne Bartwisch, an welche Formel sich die gelehrte Frage, ob
einer, der ein unfruchtbares Kinn habe, ohne Bartwischen trinken könne, knüpft,
die beiläufig ungefähr ebenso wichtig war, wie die meisten Fragen der damals
wieder in vollem Flor stehenden theologischen Scholastik.

Mit dem 31. Paragraph betritt der Verfasser unsres Trinkcomments ein
neues Gebiet. „Nun wollen wir auch die Pokale betrachten, die nicht auf ein¬
mal, sondern auf zwei oder mehr Trunke verrichtet werden. Als da ist das
?ventum (?r^w1g.toriulli, dessen Gebrauch gar gemein ist und sonderlich bei


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[0379] ersten Blick, daß es einem akademischen Bürger nichts verschlagen soll, wenn er sich herabläßt, mit einem Mercatore oder Kaufgesellen Brüderschaft zu machen, Und daß unsere Schrift sogar dazu ermahnt. Aber die nächste Seite zeigt den Grund: „Solche Freundschaft ist beides, im Verlag und Geldwechsel und wo sich sonst einer nicht baares Geldes erholen kann, nacen zu machen nützlich und zuträglich." Mit sittlicher Entrüstung, die sich im Ton der Zeit äußerst kräftig und wenig sauber ausdrückt, verurtheilt der Versasser die, welche „hausticos „aus Speiseschüsseln, darinnen noch wohl Stücklein Fleisch und ein Ziemliches von der fetten Suppe vorhanden, oder aus des Hausknechts lausigen Filzhut oder aber aus alten schlimmgetretnen Schuhen." „mit greulich aufgesperrtem Rachen und starken Schlucken" trinken, oder Unschlittlichte in die eingeschenkten Gläser wer¬ fen odeI es gar „wie jener Umstand Simon Großoge mit dem rothen Bart" machen, „welcher sechs ganzer Simonssische oder gesalzene Bauernkarpfen in die Kanne that und mit dein Bier gar meisterlich wußte einzuschlucken." Dagegen berichtet die Schrift im bloßen Erzähierton von zahlreichen an¬ dern Methoden des Zechens. „Etliche, wenn sie trinken, fassen und heben das Glas mit dem Munde auf. etliche fassen die eine Lippe, damit sie also mit zur Erde gestürzten Kopfe trinken können, andere nehmen zwei Gläser zusammen und trinken sie mit einander zugleich aus. Andere fassen das Glas nicht mit der Hand, sondern zwischen den Arm, andere stürzens an die Stirn, damit also das liebe Getränk allgemachsam an der Nase wie in einer Rinne zum Munde herabfließe." „Ueber dieses alles finden sich noch andere, welche ihrem Trinken wegen allerlei seltsamen Gesticulationen und Ceremonien, deren sie dabei ge¬ brauchen, sonderbare Namen adscribiren und zueignen; als da find Curl- Murl-Puff, wo der Bart bald da, bald dort gewischt, bald da, bald dort, jetzt mit den Fingern, jetzt mit den Armen, jetzt mit den Füßen getappt, bald mit den Fingern geschnippt, bald eins gepfiffen und sonsten viel seltsame phanta¬ stische Possen gebraucht werden. Item, da findet sich auch das ?ven1no lati- »um, dazu gar sonderbare Worte mit einer vierfachen Propination gehören. Item: Das Rößlein verkaufen, Den Unbekannten bringen. Item: Ohne Duck, ohne Schmuck, ohne Bartwisch, an welche Formel sich die gelehrte Frage, ob einer, der ein unfruchtbares Kinn habe, ohne Bartwischen trinken könne, knüpft, die beiläufig ungefähr ebenso wichtig war, wie die meisten Fragen der damals wieder in vollem Flor stehenden theologischen Scholastik. Mit dem 31. Paragraph betritt der Verfasser unsres Trinkcomments ein neues Gebiet. „Nun wollen wir auch die Pokale betrachten, die nicht auf ein¬ mal, sondern auf zwei oder mehr Trunke verrichtet werden. Als da ist das ?ventum (?r^w1g.toriulli, dessen Gebrauch gar gemein ist und sonderlich bei G'-nzboten II, 1806. 45

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/379>, abgerufen am 28.07.2024.