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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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solle nicht ungerochen bleiben; sie wollen weder Student, Magister, Doctor,
Arm oder Reich, Klein oder Groß, Gewaffnet oder Ungewaffnet verschonen,
sondern sie wieder mit Gewalt niederschlagen, wie denn solches ihres Schwurs
etliche Anzeigung an den Unsern bewiesen worden. Denn sie haben zwei junge
Gesellen, unbewaffnet, angeplotzt und den Schenken in unsrer lieben Frauen
Collegio, welcher seines Dienstes halber zu Markt gegangen, sich unterstanden
zu hochmuthcn. sind jedoch unbeschädigt von ihnen gekommen. Sie haben auch,
das doch ihnen Spottlied ist, die jungen Knaben mit trotzlichen Worten ange¬
sprengt. Desgleichen, als wir Gott zu Lobe in der Procejsivn gegangen, hat
Sebald Fröschlein, der Fechtmeister gegen uns, da er nicht mehr gekonnt, die
Zunge herausgcrcckt und mit Fingern auf uns gewiesen, auch zuletzt nach der
Procession auf dem Markte uns zu beschädigen begehrt. Darauf, ein wenig
nach sieben Uhr zu Nacht, sind bei den Paulern die Handwerksgesellen mit
versammelten Haufen gestanden mit wehrhafter Hand und verharret, bis der
Richter mit seinen Bürgern und Stadtknechtcn gekommen. Da haben die Hand"
wertet gewaltig nachgefolgt, und wie der Richter vor das große Kollegium
gekommen ist, hat er an das Thor geschlagen und ihnen zu öffnen begehrt;
denn es war zugemacht. Ist aber von Magistro Gotfriedo abgewiesen worden.
Darnach haben die Andern mit Messern hineingestochen und ein Theil nach
einem Wagen gerufen, damit sie das Thor offen machten, der Richter aber die
Gasse hinabgegangen bis zu dem Schuhhaus, Unterdeß werfen diejenigen, so
geblieben und von dem Richter unabgcwiesen waren, mit steinernen Löthkolben
an das Collegium, also daß wenig Fenster ganz bleiben mochten. Wie solches
geschah, wandle sich der Richter wieder und trieb sie aus der Gasse."

Infolge dieser Vorfälle beschlossen die Studenten die Stadt zu verlasse", und
der Untergang der Universität stand .drohend in Aussicht, bis sich endlich Rector
und Universität an den Herzog Georg und den Capitancus der Burg um Bei¬
stand wandten, worauf einige Jahre Ruhe herrschte.

Wieder ein schlimmes Jahr war 1544, in welchem sich die leipziger Hoch¬
schule i" einem Semester über nicht weniger als drei Todtschläge und "sirtlranieag
inLi'ctus imrumei'g,dilL8" zu beklagen hatte. Ein Kürschner Nickel von Salzci
erschlug den Baccalaureus Caspar Kolben von Glogau und ging unbelästigt
am hellen Tage davon. Der Student Leonhard Rücker erstach bei Nacht mit
dem Schwerte Adam von Tschwitz und wurde dafür auf hundert und ein Jahre
relegirt. Der Sohn des Richters von Schvnefcld und der Sohn des Richters
von Naundorf brachten den Studiosus Johann Leysen aus Görlitz um und
kamen durch die Nachlässigkeit des Bürgermeisters Widmann ohne Strafe davon,
was die der Universität besonders aufsässigen Kürschner zu allerlei Angriffen
aus letztere ermuthigte. Als der Herbergsvater (ltos^es) der Kürschner, Andreas
Rabe im Brühe, mit einer Vvmbardc nach den Studenten geschossen und diese


solle nicht ungerochen bleiben; sie wollen weder Student, Magister, Doctor,
Arm oder Reich, Klein oder Groß, Gewaffnet oder Ungewaffnet verschonen,
sondern sie wieder mit Gewalt niederschlagen, wie denn solches ihres Schwurs
etliche Anzeigung an den Unsern bewiesen worden. Denn sie haben zwei junge
Gesellen, unbewaffnet, angeplotzt und den Schenken in unsrer lieben Frauen
Collegio, welcher seines Dienstes halber zu Markt gegangen, sich unterstanden
zu hochmuthcn. sind jedoch unbeschädigt von ihnen gekommen. Sie haben auch,
das doch ihnen Spottlied ist, die jungen Knaben mit trotzlichen Worten ange¬
sprengt. Desgleichen, als wir Gott zu Lobe in der Procejsivn gegangen, hat
Sebald Fröschlein, der Fechtmeister gegen uns, da er nicht mehr gekonnt, die
Zunge herausgcrcckt und mit Fingern auf uns gewiesen, auch zuletzt nach der
Procession auf dem Markte uns zu beschädigen begehrt. Darauf, ein wenig
nach sieben Uhr zu Nacht, sind bei den Paulern die Handwerksgesellen mit
versammelten Haufen gestanden mit wehrhafter Hand und verharret, bis der
Richter mit seinen Bürgern und Stadtknechtcn gekommen. Da haben die Hand»
wertet gewaltig nachgefolgt, und wie der Richter vor das große Kollegium
gekommen ist, hat er an das Thor geschlagen und ihnen zu öffnen begehrt;
denn es war zugemacht. Ist aber von Magistro Gotfriedo abgewiesen worden.
Darnach haben die Andern mit Messern hineingestochen und ein Theil nach
einem Wagen gerufen, damit sie das Thor offen machten, der Richter aber die
Gasse hinabgegangen bis zu dem Schuhhaus, Unterdeß werfen diejenigen, so
geblieben und von dem Richter unabgcwiesen waren, mit steinernen Löthkolben
an das Collegium, also daß wenig Fenster ganz bleiben mochten. Wie solches
geschah, wandle sich der Richter wieder und trieb sie aus der Gasse."

Infolge dieser Vorfälle beschlossen die Studenten die Stadt zu verlasse», und
der Untergang der Universität stand .drohend in Aussicht, bis sich endlich Rector
und Universität an den Herzog Georg und den Capitancus der Burg um Bei¬
stand wandten, worauf einige Jahre Ruhe herrschte.

Wieder ein schlimmes Jahr war 1544, in welchem sich die leipziger Hoch¬
schule i» einem Semester über nicht weniger als drei Todtschläge und „sirtlranieag
inLi'ctus imrumei'g,dilL8" zu beklagen hatte. Ein Kürschner Nickel von Salzci
erschlug den Baccalaureus Caspar Kolben von Glogau und ging unbelästigt
am hellen Tage davon. Der Student Leonhard Rücker erstach bei Nacht mit
dem Schwerte Adam von Tschwitz und wurde dafür auf hundert und ein Jahre
relegirt. Der Sohn des Richters von Schvnefcld und der Sohn des Richters
von Naundorf brachten den Studiosus Johann Leysen aus Görlitz um und
kamen durch die Nachlässigkeit des Bürgermeisters Widmann ohne Strafe davon,
was die der Universität besonders aufsässigen Kürschner zu allerlei Angriffen
aus letztere ermuthigte. Als der Herbergsvater (ltos^es) der Kürschner, Andreas
Rabe im Brühe, mit einer Vvmbardc nach den Studenten geschossen und diese


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/336>, abgerufen am 28.07.2024.