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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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wird. So ferner der Student Küpserlein. der 1558, weil er 5,sein Weib übel
geschlagen", zu vier Wochen Carcer verurtheilt wird. Wieder ein anderes Bei¬
spiel ist ein Studiiendcr, den man 1584 excludirt, weil er bei einem Zank mit
seinem Schwiegervater grausam gelärmt und geflucht hat. Ein letztes Exemplar
findet sich endlich 1597 in einem Studenten, der ein Mädchen heirathet. mit
dem er sich vergangen, außerdem aber werden 1575 heimliche Ehen von Stu¬
denten verboten.

Alte Studenten, solche, die sich, wie manche Handwerksburschen in die
freie Luft und den Wechsel des Strohmerlcbens, in die Ungebundenheit und
das bequeme Gehäuse des akademischen Lebens verliebt, kommen auch an an¬
dern Universitäten vor. Andere alte Herren, welche zur Bewältigung von so
viel Wissenschaft als das Examen verlangte, dreißig und mehr Jahre bedurften,
wurden im vorigen Abschnitt erwähnt, und könnten noch weiter angeführt wer¬
den, wie wir denn den ehrwürdigen Greis Heinrich Oel, der im Jahr 1638
zu Leipzig als Student das Zeitliche gesegnet, aus Respect vor den 100 Jahren,
die ihm die Locken gebleicht, in diese strebsame Classe stellen müssen. Stark
bejahrte Musenjünger also gab es allerdings damals nicht wenige, aber Stu¬
denten mit Frau und Kindern scheinen nur im Lande der sieben Schwaben ge¬
blüht zu haben. Erst im siebzehnten Jahrhundert begegnen wir in dem Ver¬
bot der Studentenehen, welches 1609 vom Senat der Universität Herborn
erlassen wurde, einem Zeugniß, daß dergleichen auch im Norden bisweilen
vorkam.

Die zweite Notiz, die noch hinzuzufügen ist, gehört in das Gebiet der da¬
mals aufgekommenen Teufelsbüudnisse und Hexenverfolgungen. Am 11. De¬
cember 1596 wird dem tübinger Senat angezeigt, ein Student Leipziger aus
Sachsen habe sich dem Bösen verschrieben, um pecuniärer Bedrängniß abzu¬
helfen. Man citirt ihn und läßt ihn durch die Theologen befragen, ob er
schon lange mit dem Teufel zu thun gehabt, wie oft er von ihm Geld erhalten,
was für ein Abkommen er mit ihm getroffen, welche Bücher er gelesen? Ant-
wort: wäre das erste Mal, hätte nichts erhalten, nur seine Schulden hätten
ihn dazu gebracht, wäre mehr als 200 Fi. schuldig, hätte es höchstens zwei
Jahre mit dem bösen Feind treiben wollen und, wenn er in dieser Zeit ge¬
storben, so hätte er vorher ihm abgesagt und ihm erklärt, er habe einen andern
Helfer, Jesum. Beschluß: ihn bis zum Christtage im Carcer zu lassen und ihm
anzuzeigen, daß er sich zum heiligen Abendmahle vorzubereiten und dieses zu
genießen habe, auch das ganze halbe Jahr zu Hause bleiben müsse, außer um
w die Kirche und in die Lectionen zu gehen -- man sieht, ein gelindes Crimen
und so auch gelinde Ahndung.

Auch dieser Fall steht in den Universitätsacten damaliger Zeit unsres
Wissens einzig da. Wie es aber nichts Neues unter der Sonne giebt, so auch,


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wird. So ferner der Student Küpserlein. der 1558, weil er 5,sein Weib übel
geschlagen", zu vier Wochen Carcer verurtheilt wird. Wieder ein anderes Bei¬
spiel ist ein Studiiendcr, den man 1584 excludirt, weil er bei einem Zank mit
seinem Schwiegervater grausam gelärmt und geflucht hat. Ein letztes Exemplar
findet sich endlich 1597 in einem Studenten, der ein Mädchen heirathet. mit
dem er sich vergangen, außerdem aber werden 1575 heimliche Ehen von Stu¬
denten verboten.

Alte Studenten, solche, die sich, wie manche Handwerksburschen in die
freie Luft und den Wechsel des Strohmerlcbens, in die Ungebundenheit und
das bequeme Gehäuse des akademischen Lebens verliebt, kommen auch an an¬
dern Universitäten vor. Andere alte Herren, welche zur Bewältigung von so
viel Wissenschaft als das Examen verlangte, dreißig und mehr Jahre bedurften,
wurden im vorigen Abschnitt erwähnt, und könnten noch weiter angeführt wer¬
den, wie wir denn den ehrwürdigen Greis Heinrich Oel, der im Jahr 1638
zu Leipzig als Student das Zeitliche gesegnet, aus Respect vor den 100 Jahren,
die ihm die Locken gebleicht, in diese strebsame Classe stellen müssen. Stark
bejahrte Musenjünger also gab es allerdings damals nicht wenige, aber Stu¬
denten mit Frau und Kindern scheinen nur im Lande der sieben Schwaben ge¬
blüht zu haben. Erst im siebzehnten Jahrhundert begegnen wir in dem Ver¬
bot der Studentenehen, welches 1609 vom Senat der Universität Herborn
erlassen wurde, einem Zeugniß, daß dergleichen auch im Norden bisweilen
vorkam.

Die zweite Notiz, die noch hinzuzufügen ist, gehört in das Gebiet der da¬
mals aufgekommenen Teufelsbüudnisse und Hexenverfolgungen. Am 11. De¬
cember 1596 wird dem tübinger Senat angezeigt, ein Student Leipziger aus
Sachsen habe sich dem Bösen verschrieben, um pecuniärer Bedrängniß abzu¬
helfen. Man citirt ihn und läßt ihn durch die Theologen befragen, ob er
schon lange mit dem Teufel zu thun gehabt, wie oft er von ihm Geld erhalten,
was für ein Abkommen er mit ihm getroffen, welche Bücher er gelesen? Ant-
wort: wäre das erste Mal, hätte nichts erhalten, nur seine Schulden hätten
ihn dazu gebracht, wäre mehr als 200 Fi. schuldig, hätte es höchstens zwei
Jahre mit dem bösen Feind treiben wollen und, wenn er in dieser Zeit ge¬
storben, so hätte er vorher ihm abgesagt und ihm erklärt, er habe einen andern
Helfer, Jesum. Beschluß: ihn bis zum Christtage im Carcer zu lassen und ihm
anzuzeigen, daß er sich zum heiligen Abendmahle vorzubereiten und dieses zu
genießen habe, auch das ganze halbe Jahr zu Hause bleiben müsse, außer um
w die Kirche und in die Lectionen zu gehen — man sieht, ein gelindes Crimen
und so auch gelinde Ahndung.

Auch dieser Fall steht in den Universitätsacten damaliger Zeit unsres
Wissens einzig da. Wie es aber nichts Neues unter der Sonne giebt, so auch,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/331>, abgerufen am 28.07.2024.