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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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und allein während der handhaben Periode seine segensreiche Wirksamkeit. Trotz
aller Anfeindungen und Beschimpfungen, die ihm mehr als einem andern
Deutschen zu Theil wurden, kämpft er mit Ausdauer und Unerschrockenheit
weiter. Wir erwähnen noch die Namen Waidele, Stamm, Dotzauer, Taschek,
Johann Maresch, Volkelt u. s. w., alles Männer, die sich um die deutsche Sache
Verdienste erwarben.

Zugleich hob sich auch das deutsche Vereinsleben. Von einer politischen
Vereinigung mühte man allerdings absehen, so sehr dieselbe auch am Platze
gewesen wäre; denn bekanntlich ist man auch in Neuöstreich noch nicht so weit
politische Vereine bilden zu dürfen.

Das böhmische Nationalmuseum, die Stiftung des Grafen Sternberg, war
glücklich in ein tschechisches Institut verwandelt worden, und die Museums-
zcitschrift war vor dem Jahre 1860 ein Mittelpunkt der nationalen Literatur.
Das Museum galt ursprünglich beiden Nationalitäten, jetzt hat dasselbe einen
unbestritten tschechischen Charakter. Ein schwerer Verlust für die Deutschen,
der unter allen Umständen durch ein neues wissenschaftliches und zwar rein
deutsches Institut ausgeglichen werden mußte. Ein solches entstand denn auch
am Is. Mai 1862 im "Verein für die Geschichte der Deutschen in
Böhmen". Die junge wissenschaftliche Gesellschaft zählte bald gegen 2000
über das ganze Land zerstreute Mitglieder; die Seele wurde Höfler, dem sich
tüchtige Männer wie Grohmann (der deutsche Sagenforscher), Schmalfuß. Hall--
wich. Lippert und eine Anzahl jüngerer Kräfte anschlössen. Da kam Leben in
die deutsch-historischen Verhältnisse, da ward nachgewiesen, was unser Volk für
Böhmen ist, und wie dieses Land seine Cultur fast allein den Deutschen ver¬
dankt. Vor der Axt der Deutschen lichteten sich die Urwälder, sie kamen als
Colonisten, herbeigerufen von den tschechischen Herrschern und gründeten Städte
mit Magdeburger !l!echt. Sie erbauten die schönsten Werke des Landes (Präger
Dom, Karlsbrücke u. s. w.); sie waren es, die den Bergbau im Erzgebirge und
in Kuttenberg in Flor brachten. Sie führten später die Großindustrie des
Landes ein, die noch heute in ihren Händen ist, so gut wie der Großhandel.
Sie endlich schufen in der neuen Zeit die Eisenbahnen, belebten die Gewerbe
und errichteten die Geldinstitute (Escomptebank u. s. w.), welche weit und breit
Segen verbreiten. Gar mancher tschechische Schwindel ist, namentlich auch was
die ältere Geschichte betrifft, vor der deutschen Kritik in nichts zerstoben. Sehr
lesenswerth sind die "Mittheilungen des Vereins", von denen bereits vier Jahr¬
gänge vorliegen; außerdem erschienen größere Publicationen, Städtechroniken
u. s. w. Schenkungen lausen von allen Seiten ein. Die Bibliothek zählt
weit über 3000 Bände; das Antiquarium L300 Nummern; das Vermögen be¬
trägt 9000 Gulden. Der Verein birgt einen frischen Lebenskeim in sich und
ann mit Stolz auf das. was er binnen kurzem geleistet, zurückschauen.


und allein während der handhaben Periode seine segensreiche Wirksamkeit. Trotz
aller Anfeindungen und Beschimpfungen, die ihm mehr als einem andern
Deutschen zu Theil wurden, kämpft er mit Ausdauer und Unerschrockenheit
weiter. Wir erwähnen noch die Namen Waidele, Stamm, Dotzauer, Taschek,
Johann Maresch, Volkelt u. s. w., alles Männer, die sich um die deutsche Sache
Verdienste erwarben.

Zugleich hob sich auch das deutsche Vereinsleben. Von einer politischen
Vereinigung mühte man allerdings absehen, so sehr dieselbe auch am Platze
gewesen wäre; denn bekanntlich ist man auch in Neuöstreich noch nicht so weit
politische Vereine bilden zu dürfen.

Das böhmische Nationalmuseum, die Stiftung des Grafen Sternberg, war
glücklich in ein tschechisches Institut verwandelt worden, und die Museums-
zcitschrift war vor dem Jahre 1860 ein Mittelpunkt der nationalen Literatur.
Das Museum galt ursprünglich beiden Nationalitäten, jetzt hat dasselbe einen
unbestritten tschechischen Charakter. Ein schwerer Verlust für die Deutschen,
der unter allen Umständen durch ein neues wissenschaftliches und zwar rein
deutsches Institut ausgeglichen werden mußte. Ein solches entstand denn auch
am Is. Mai 1862 im „Verein für die Geschichte der Deutschen in
Böhmen". Die junge wissenschaftliche Gesellschaft zählte bald gegen 2000
über das ganze Land zerstreute Mitglieder; die Seele wurde Höfler, dem sich
tüchtige Männer wie Grohmann (der deutsche Sagenforscher), Schmalfuß. Hall--
wich. Lippert und eine Anzahl jüngerer Kräfte anschlössen. Da kam Leben in
die deutsch-historischen Verhältnisse, da ward nachgewiesen, was unser Volk für
Böhmen ist, und wie dieses Land seine Cultur fast allein den Deutschen ver¬
dankt. Vor der Axt der Deutschen lichteten sich die Urwälder, sie kamen als
Colonisten, herbeigerufen von den tschechischen Herrschern und gründeten Städte
mit Magdeburger !l!echt. Sie erbauten die schönsten Werke des Landes (Präger
Dom, Karlsbrücke u. s. w.); sie waren es, die den Bergbau im Erzgebirge und
in Kuttenberg in Flor brachten. Sie führten später die Großindustrie des
Landes ein, die noch heute in ihren Händen ist, so gut wie der Großhandel.
Sie endlich schufen in der neuen Zeit die Eisenbahnen, belebten die Gewerbe
und errichteten die Geldinstitute (Escomptebank u. s. w.), welche weit und breit
Segen verbreiten. Gar mancher tschechische Schwindel ist, namentlich auch was
die ältere Geschichte betrifft, vor der deutschen Kritik in nichts zerstoben. Sehr
lesenswerth sind die „Mittheilungen des Vereins", von denen bereits vier Jahr¬
gänge vorliegen; außerdem erschienen größere Publicationen, Städtechroniken
u. s. w. Schenkungen lausen von allen Seiten ein. Die Bibliothek zählt
weit über 3000 Bände; das Antiquarium L300 Nummern; das Vermögen be¬
trägt 9000 Gulden. Der Verein birgt einen frischen Lebenskeim in sich und
ann mit Stolz auf das. was er binnen kurzem geleistet, zurückschauen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/314>, abgerufen am 28.07.2024.