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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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und später zu Hauptleuten aufrückten, und es giebt endlich Offiziere, die aus
vornehmer Familie sind. Diese drei Classen schließen sich im gesellschaftlichen
Verkehr fast ganz von einander ab, und nur die beiden ersten, ja auch diese
nur ausnahmsweise, kommen außer Dienst mit einander in Berührung. Dieser
Geist des Separatismus und der Exclusivität tritt am deutlichsten und unangenehm¬
sten bei der Artillerie hervor, die in Italien als die vornehmste Truppe gilt, und
in welcher deshalb -- anders wie in den deutschen Armeen -- die italienische
Aristokratie, besonders die sehr stolze, aber nur mittelmäßig begüterte piemon-
tesische, zahlreich vertreten ist. Daß sich zwischen Männern von ähnlicher Bildung
und verwandten Lebensanschauungen, aber von verschiedenem Rang in der
Gesellschaft außerhalb der militärischen Hierarchie Freundschaften inniger Art
bilden, während andere nur in kameradschaftlichen Verhältniß zu einander bleiben,
kommt in jeder Armee vor, daß aber ein Offizier die eingebildeten Vorrechte
seiner Geburt sogar seinen gieichchargirten Kameraden gegenüber herauskehrt, daß
ein Lieutenant mit blauem Grafenblut in den Adern, oder mit dem Marchesen-
krönchen über dem Wappen den engeren Verkehr mit einem andern Lieutenant
seiner Compagnie, dem diese Gottesgaben nicht bescheert sind, geflissentlich aus
aus dem Wege geht, wird nur im italienischen Heere zu bemerken sein.

In der Armee des Königs von Italien duzen sich die Gleichchargirten nicht,
wie dies in der östreichischen Armee geschieht, auch redet man sich nicht, wie
in der französischen, überall in gleicher Weise (bei letzterer mit "vous") an.
Die italienischen Offiziere brauchen entweder gegen einander das jetzt allgemein
übliche "eilf," oder "loi", welches ungefähr dem deutschen "Sie" entspricht, oder,
wenn sie sich einigermaßen näher getreten sind, das sonst etwas aus der Mode
gekommene "voi", und nur die, zwischen denen es zu einem innigeren Verhältniß
gekommen ist, duzen sich gegenseitig. Die Coterien unter den Offizieren sind
daher schon hierdurch mehr begrenzt als anderswo, und wenn dazu noch der
Hochmuth der piemontesischen Conti und Cabalieri mit seinen Standesvorurtheilcn
kommt, die in den Salon oder sonstwohin gehören mögen, nur nicht in den Verband
von Waffengenossen und Knegsgefährten, so kann von einem erfreulichen Ver¬
hältniß in diesen Kreisen nicht wohl die Rede sein. Indeß ist, wie unsre
Schrift hinzusetzt, auch in dieser Beziehung in den letzten Jahren manches besser
geworden, und wenigstens ein Theil der altadligen Offiziere begreift, daß der¬
artige Zustände nicht fortdauern können, ohne dem Werth der Armee zu schaden,
nur ist bis jetzt nicht leicht einer derselben hochsinnig genug, sich über das Her¬
kommen hinwegzusetzen und durch sein Beispiel Andere nachzuziehen.

In gewisser Hinsicht wird endlich der Mangel an Kameradschaftlichkeit durch
jene strenge Disciplin und Subordination ausgeglichen, welcher selbstverständlich
auch die vornehmsten Offiziere unterworfen sind, auch hat unter den Waffen


und später zu Hauptleuten aufrückten, und es giebt endlich Offiziere, die aus
vornehmer Familie sind. Diese drei Classen schließen sich im gesellschaftlichen
Verkehr fast ganz von einander ab, und nur die beiden ersten, ja auch diese
nur ausnahmsweise, kommen außer Dienst mit einander in Berührung. Dieser
Geist des Separatismus und der Exclusivität tritt am deutlichsten und unangenehm¬
sten bei der Artillerie hervor, die in Italien als die vornehmste Truppe gilt, und
in welcher deshalb — anders wie in den deutschen Armeen — die italienische
Aristokratie, besonders die sehr stolze, aber nur mittelmäßig begüterte piemon-
tesische, zahlreich vertreten ist. Daß sich zwischen Männern von ähnlicher Bildung
und verwandten Lebensanschauungen, aber von verschiedenem Rang in der
Gesellschaft außerhalb der militärischen Hierarchie Freundschaften inniger Art
bilden, während andere nur in kameradschaftlichen Verhältniß zu einander bleiben,
kommt in jeder Armee vor, daß aber ein Offizier die eingebildeten Vorrechte
seiner Geburt sogar seinen gieichchargirten Kameraden gegenüber herauskehrt, daß
ein Lieutenant mit blauem Grafenblut in den Adern, oder mit dem Marchesen-
krönchen über dem Wappen den engeren Verkehr mit einem andern Lieutenant
seiner Compagnie, dem diese Gottesgaben nicht bescheert sind, geflissentlich aus
aus dem Wege geht, wird nur im italienischen Heere zu bemerken sein.

In der Armee des Königs von Italien duzen sich die Gleichchargirten nicht,
wie dies in der östreichischen Armee geschieht, auch redet man sich nicht, wie
in der französischen, überall in gleicher Weise (bei letzterer mit „vous") an.
Die italienischen Offiziere brauchen entweder gegen einander das jetzt allgemein
übliche „eilf," oder „loi", welches ungefähr dem deutschen „Sie" entspricht, oder,
wenn sie sich einigermaßen näher getreten sind, das sonst etwas aus der Mode
gekommene „voi", und nur die, zwischen denen es zu einem innigeren Verhältniß
gekommen ist, duzen sich gegenseitig. Die Coterien unter den Offizieren sind
daher schon hierdurch mehr begrenzt als anderswo, und wenn dazu noch der
Hochmuth der piemontesischen Conti und Cabalieri mit seinen Standesvorurtheilcn
kommt, die in den Salon oder sonstwohin gehören mögen, nur nicht in den Verband
von Waffengenossen und Knegsgefährten, so kann von einem erfreulichen Ver¬
hältniß in diesen Kreisen nicht wohl die Rede sein. Indeß ist, wie unsre
Schrift hinzusetzt, auch in dieser Beziehung in den letzten Jahren manches besser
geworden, und wenigstens ein Theil der altadligen Offiziere begreift, daß der¬
artige Zustände nicht fortdauern können, ohne dem Werth der Armee zu schaden,
nur ist bis jetzt nicht leicht einer derselben hochsinnig genug, sich über das Her¬
kommen hinwegzusetzen und durch sein Beispiel Andere nachzuziehen.

In gewisser Hinsicht wird endlich der Mangel an Kameradschaftlichkeit durch
jene strenge Disciplin und Subordination ausgeglichen, welcher selbstverständlich
auch die vornehmsten Offiziere unterworfen sind, auch hat unter den Waffen


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[0286] und später zu Hauptleuten aufrückten, und es giebt endlich Offiziere, die aus vornehmer Familie sind. Diese drei Classen schließen sich im gesellschaftlichen Verkehr fast ganz von einander ab, und nur die beiden ersten, ja auch diese nur ausnahmsweise, kommen außer Dienst mit einander in Berührung. Dieser Geist des Separatismus und der Exclusivität tritt am deutlichsten und unangenehm¬ sten bei der Artillerie hervor, die in Italien als die vornehmste Truppe gilt, und in welcher deshalb — anders wie in den deutschen Armeen — die italienische Aristokratie, besonders die sehr stolze, aber nur mittelmäßig begüterte piemon- tesische, zahlreich vertreten ist. Daß sich zwischen Männern von ähnlicher Bildung und verwandten Lebensanschauungen, aber von verschiedenem Rang in der Gesellschaft außerhalb der militärischen Hierarchie Freundschaften inniger Art bilden, während andere nur in kameradschaftlichen Verhältniß zu einander bleiben, kommt in jeder Armee vor, daß aber ein Offizier die eingebildeten Vorrechte seiner Geburt sogar seinen gieichchargirten Kameraden gegenüber herauskehrt, daß ein Lieutenant mit blauem Grafenblut in den Adern, oder mit dem Marchesen- krönchen über dem Wappen den engeren Verkehr mit einem andern Lieutenant seiner Compagnie, dem diese Gottesgaben nicht bescheert sind, geflissentlich aus aus dem Wege geht, wird nur im italienischen Heere zu bemerken sein. In der Armee des Königs von Italien duzen sich die Gleichchargirten nicht, wie dies in der östreichischen Armee geschieht, auch redet man sich nicht, wie in der französischen, überall in gleicher Weise (bei letzterer mit „vous") an. Die italienischen Offiziere brauchen entweder gegen einander das jetzt allgemein übliche „eilf," oder „loi", welches ungefähr dem deutschen „Sie" entspricht, oder, wenn sie sich einigermaßen näher getreten sind, das sonst etwas aus der Mode gekommene „voi", und nur die, zwischen denen es zu einem innigeren Verhältniß gekommen ist, duzen sich gegenseitig. Die Coterien unter den Offizieren sind daher schon hierdurch mehr begrenzt als anderswo, und wenn dazu noch der Hochmuth der piemontesischen Conti und Cabalieri mit seinen Standesvorurtheilcn kommt, die in den Salon oder sonstwohin gehören mögen, nur nicht in den Verband von Waffengenossen und Knegsgefährten, so kann von einem erfreulichen Ver¬ hältniß in diesen Kreisen nicht wohl die Rede sein. Indeß ist, wie unsre Schrift hinzusetzt, auch in dieser Beziehung in den letzten Jahren manches besser geworden, und wenigstens ein Theil der altadligen Offiziere begreift, daß der¬ artige Zustände nicht fortdauern können, ohne dem Werth der Armee zu schaden, nur ist bis jetzt nicht leicht einer derselben hochsinnig genug, sich über das Her¬ kommen hinwegzusetzen und durch sein Beispiel Andere nachzuziehen. In gewisser Hinsicht wird endlich der Mangel an Kameradschaftlichkeit durch jene strenge Disciplin und Subordination ausgeglichen, welcher selbstverständlich auch die vornehmsten Offiziere unterworfen sind, auch hat unter den Waffen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/286>, abgerufen am 27.07.2024.