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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Ansprüchen der Zeit nachgebend, der bestehenden konstitutionellen Ordnung ein.
Doch ist der republikanische Geist, der in einigen Provinzen -- so besonders in
den ehemals zum Kirchenstaat gehörigen Landestheilen -- im Volke tiefe Wurzeln
gefaßt hat, nichts weniger als unterdrückt, und wir können behaupten, daß der¬
selbe eher an Verbreitung gewinnt als at'nennt. Vollkommen königlich gesinnt
sind nur die Piemontesen." "Bis das Werk der Einheit vollkommen beendigt
ist, und zugleich aus Dankbarkeit für die wirklich großartigen Verdienste, welche
sich der "lie galimtuomo" um das Vaterland erworben hat. wird das italienische
Volk seine monarchischen Gefühle bewahren, das ist unsre Ueberzeugung. Doch
ob mit der Zeit, mit dem Umsichgreifen der demokratischen Ideen nicht auch
republikanische Neigungen sich wieder einstellen und die Oberhand gewinnen
werden -- in Bezug hierauf kann man nur darauf aufmerksam machen, daß
solche Neigungen nicht nur im Volke, sondern auch in der Armee bereits An¬
hänger haben."

Wir bedauern das und hoffen, daß der Verfasser, der selbst derartige
Neigungen zu haben scheint, nur erwartet, was er wünscht; denn Italien kann
bei seiner Lage zwischen zwei großen Militärstaaten und bei den noch lange nicht
völlig ausgerotteten Antipathien des Südens gegen den Norden, bei dem
Municipalgeist seiner Städte und bei der Existenz des Papstthums mitten in
seinem Körper, soweit menschliche Berechnung reicht, seine Einheit und Unab¬
hängigkeit nur in der Form der Monarchie bewahren. Eine Republik Italien
ist ebensolch ein Unding wie eine Republik Deutschland sein würde; kein Jahr
würde vergehen, und die eine Republik zerfiele in ein paar Dutzend, kein
zweites, und von Osten und Westen kämen die Adler, sich aus dem Zank
dieser neuen Particularstaaten ihre Beute zu holen.

Zum Schluß noch einige Auszüge aus dem, was der Verfasser von den
italienischen Offizieren berichtet. Wie festbegründet und wie allgemein auch in
der Armee Italiens das patriotische Gefühl ist, welches alle vereinigt, so läßt
der Zusammenhalt derselben, besonders was das Offizierscorps betrifft, doch
Manches zu wünschen übrig. Namentlich was man Esprit de Corps nennt,
fehlt hier fast gänzlich, wenigstens ist von einer Kameradschaftlichkeit, wie sie
in der östreichischen Armee durch alle Classen der Offiziere vom Lieutenant bis
hinauf zum General verbreitet ist, nur wenig zu bemerken. Wie durch unsicht¬
bare Scheidewände von einander getrennt, stehen sich die einzelnen Classen der
Gesellschaft hier im täglichen Verkehr gegenüber.

Es giebt, wie bemerkt, Offiziere, die von der Pike auf gedient und
welche die Manieren von Sergeanten beibehalten haben, es giebt ferner im
italienischen Offiziercorps eine starke Anzahl gebildeter junger Leute, welche
ursprünglich Techniker waren, dann vor einigen Jahren in das Heer ein¬
löten, und nachdem sie eine kurze Zeit die Kriegsschule besucht, zu Lieutenants


Ansprüchen der Zeit nachgebend, der bestehenden konstitutionellen Ordnung ein.
Doch ist der republikanische Geist, der in einigen Provinzen — so besonders in
den ehemals zum Kirchenstaat gehörigen Landestheilen — im Volke tiefe Wurzeln
gefaßt hat, nichts weniger als unterdrückt, und wir können behaupten, daß der¬
selbe eher an Verbreitung gewinnt als at'nennt. Vollkommen königlich gesinnt
sind nur die Piemontesen." „Bis das Werk der Einheit vollkommen beendigt
ist, und zugleich aus Dankbarkeit für die wirklich großartigen Verdienste, welche
sich der „lie galimtuomo" um das Vaterland erworben hat. wird das italienische
Volk seine monarchischen Gefühle bewahren, das ist unsre Ueberzeugung. Doch
ob mit der Zeit, mit dem Umsichgreifen der demokratischen Ideen nicht auch
republikanische Neigungen sich wieder einstellen und die Oberhand gewinnen
werden — in Bezug hierauf kann man nur darauf aufmerksam machen, daß
solche Neigungen nicht nur im Volke, sondern auch in der Armee bereits An¬
hänger haben."

Wir bedauern das und hoffen, daß der Verfasser, der selbst derartige
Neigungen zu haben scheint, nur erwartet, was er wünscht; denn Italien kann
bei seiner Lage zwischen zwei großen Militärstaaten und bei den noch lange nicht
völlig ausgerotteten Antipathien des Südens gegen den Norden, bei dem
Municipalgeist seiner Städte und bei der Existenz des Papstthums mitten in
seinem Körper, soweit menschliche Berechnung reicht, seine Einheit und Unab¬
hängigkeit nur in der Form der Monarchie bewahren. Eine Republik Italien
ist ebensolch ein Unding wie eine Republik Deutschland sein würde; kein Jahr
würde vergehen, und die eine Republik zerfiele in ein paar Dutzend, kein
zweites, und von Osten und Westen kämen die Adler, sich aus dem Zank
dieser neuen Particularstaaten ihre Beute zu holen.

Zum Schluß noch einige Auszüge aus dem, was der Verfasser von den
italienischen Offizieren berichtet. Wie festbegründet und wie allgemein auch in
der Armee Italiens das patriotische Gefühl ist, welches alle vereinigt, so läßt
der Zusammenhalt derselben, besonders was das Offizierscorps betrifft, doch
Manches zu wünschen übrig. Namentlich was man Esprit de Corps nennt,
fehlt hier fast gänzlich, wenigstens ist von einer Kameradschaftlichkeit, wie sie
in der östreichischen Armee durch alle Classen der Offiziere vom Lieutenant bis
hinauf zum General verbreitet ist, nur wenig zu bemerken. Wie durch unsicht¬
bare Scheidewände von einander getrennt, stehen sich die einzelnen Classen der
Gesellschaft hier im täglichen Verkehr gegenüber.

Es giebt, wie bemerkt, Offiziere, die von der Pike auf gedient und
welche die Manieren von Sergeanten beibehalten haben, es giebt ferner im
italienischen Offiziercorps eine starke Anzahl gebildeter junger Leute, welche
ursprünglich Techniker waren, dann vor einigen Jahren in das Heer ein¬
löten, und nachdem sie eine kurze Zeit die Kriegsschule besucht, zu Lieutenants


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/285>, abgerufen am 28.07.2024.