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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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namentlich in Oestreich grassirenden verwandtschaftlichen Protection vorgebeugt
wobei der vornehme Junker durch Versetzung von einer Waffengattung zur
andern in kurzer Zeit und ohne alles Verdienst die Oberstenuniform erlangen
kann.

Besonders gut ist das Offiziercorps der Artillerie und der Genietruppen.
Die Obergenerale nehmen unter den militärischen Autoritäten Europas eine
würdige Stellung ein. Die niederen Mitglieder der Generalität dagegen lassen,
wie bei vielen andern Armeen, zu wünschen übrig, indem sie meist nur mit ihrer
besondern Waffengattung genügend bekannt sind und der allgemeinen militärischen
Bildung ermangeln.

Besonders viel thut man für die Bildung der Unteroffiziere, denen vor¬
züglich bei der Artillerie in den Abendstunden, wo sie nicht im Dienste beschäf¬
tigt sind, bestimmte Vorträge über Arithmetik, Geometrie, Geographie, Terrain¬
lehre und Geschichte gehalten werden, und die nicht eher avanciren, als bis sie
einen derartigen Lehrcursus durchgemacht haben.
'

Sehr wohl durchgeführt ist in dem italienischen Heere die nothwendige Ver¬
schmelzung der verschiedenen Stämme. Dasselbe ist damit gleichsam zu einem
Musterkörper für andere staatliche Institute und zu einer Schule praktischer Ver¬
wirklichung der Einheitsidee geworden. In ihm war, um einen wichtigen Punkt
hervorzuheben, Gelegenheit zu bieten, daß die Kinder der Berge Apuliens und
Calabriens wie die der lombardischen Ebene die reine italienische Sprache ^er¬
lernten und aufhörten, ihre Idiome zu reden, in denen sie sich nur mit den
nächsten Nachbarn verständigen konnten. In ihr war ferner das Mittel zu
schaffen, die Vorurtheile und die unnatürlichen Abneigungen deS Südens gegen
den Norden und umgekehrt zu mildern und die Angehörigen aller Gegenden der
Halbinsel durch das Band der Kameradschaftlichkeit zu verbinden. So wurde
die Vermischung der aus den verschiedensten Provinzen gebürtigen Rekruten zum
Princip erhoben, und dasselbe ist mit solcher Consequenz angewendet worden,
daß die Mannschaften in den Regimentern bis in die kleinsten Abtheilungen
unter einander gemengt sind.

Im Allgemeinen ist die italienische Armee nach dem Urtheil des Verfassers
allerdings noch nicht so ausgebildet wie die französische, aber sie berechtigt zu
den besten Hoffnungen, und jedenfalls hat die Negierung mit ihrer Organisation
das Rechte getroffen.

Das Land ist in militärischer Hinsicht in sieben große und ein Unter-
commando eingetheilt. Das erste Gran-Commando hat seinen Sitz in Turin,
das zweite in Mailand, das dritte in Parma; das vierte befindet sich in Bologna,
das fünfte in Florenz, das sechste in Neapel, das siebente in Palermo, wo-
Segen das Untercommando, welches die Insel Sardinien umfaßt, in Caguan
residirt.


namentlich in Oestreich grassirenden verwandtschaftlichen Protection vorgebeugt
wobei der vornehme Junker durch Versetzung von einer Waffengattung zur
andern in kurzer Zeit und ohne alles Verdienst die Oberstenuniform erlangen
kann.

Besonders gut ist das Offiziercorps der Artillerie und der Genietruppen.
Die Obergenerale nehmen unter den militärischen Autoritäten Europas eine
würdige Stellung ein. Die niederen Mitglieder der Generalität dagegen lassen,
wie bei vielen andern Armeen, zu wünschen übrig, indem sie meist nur mit ihrer
besondern Waffengattung genügend bekannt sind und der allgemeinen militärischen
Bildung ermangeln.

Besonders viel thut man für die Bildung der Unteroffiziere, denen vor¬
züglich bei der Artillerie in den Abendstunden, wo sie nicht im Dienste beschäf¬
tigt sind, bestimmte Vorträge über Arithmetik, Geometrie, Geographie, Terrain¬
lehre und Geschichte gehalten werden, und die nicht eher avanciren, als bis sie
einen derartigen Lehrcursus durchgemacht haben.
'

Sehr wohl durchgeführt ist in dem italienischen Heere die nothwendige Ver¬
schmelzung der verschiedenen Stämme. Dasselbe ist damit gleichsam zu einem
Musterkörper für andere staatliche Institute und zu einer Schule praktischer Ver¬
wirklichung der Einheitsidee geworden. In ihm war, um einen wichtigen Punkt
hervorzuheben, Gelegenheit zu bieten, daß die Kinder der Berge Apuliens und
Calabriens wie die der lombardischen Ebene die reine italienische Sprache ^er¬
lernten und aufhörten, ihre Idiome zu reden, in denen sie sich nur mit den
nächsten Nachbarn verständigen konnten. In ihr war ferner das Mittel zu
schaffen, die Vorurtheile und die unnatürlichen Abneigungen deS Südens gegen
den Norden und umgekehrt zu mildern und die Angehörigen aller Gegenden der
Halbinsel durch das Band der Kameradschaftlichkeit zu verbinden. So wurde
die Vermischung der aus den verschiedensten Provinzen gebürtigen Rekruten zum
Princip erhoben, und dasselbe ist mit solcher Consequenz angewendet worden,
daß die Mannschaften in den Regimentern bis in die kleinsten Abtheilungen
unter einander gemengt sind.

Im Allgemeinen ist die italienische Armee nach dem Urtheil des Verfassers
allerdings noch nicht so ausgebildet wie die französische, aber sie berechtigt zu
den besten Hoffnungen, und jedenfalls hat die Negierung mit ihrer Organisation
das Rechte getroffen.

Das Land ist in militärischer Hinsicht in sieben große und ein Unter-
commando eingetheilt. Das erste Gran-Commando hat seinen Sitz in Turin,
das zweite in Mailand, das dritte in Parma; das vierte befindet sich in Bologna,
das fünfte in Florenz, das sechste in Neapel, das siebente in Palermo, wo-
Segen das Untercommando, welches die Insel Sardinien umfaßt, in Caguan
residirt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/277>, abgerufen am 28.07.2024.