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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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soll kein Geistlicher und kein "guter" Katholik in die Schulräthe eintreten)
einzutreten, was sie dann mit den Kreisschulanstalten wollten? oder ob etwa
katholische Geistliche ein besonderes Verständniß für Straßen- und Brücken¬
anlagen hätten, ob es vielleicht außer dem "katholischen Schreib- und Rechenunter¬
richt" auch auf katholischen Straßen- und Brückenbau, katholische Flußreguli-
rungen u. tgi. abgesehen sei? Es half nichts, mit allem Eifer suchten die
Casinonier in die Kreisversammlungen kirchlich gesinnte, "gut katholische" Männer
hineinzubringen. Wie sich schon bei der Schulgesetzbewegung verschiedene adlige
Herren, der Graf v. Herrin, der Fürst Karl von Löwenstein-Weilheim-Rosen-
berg, Freiherr v. Stotzingen, Graf v. Kageneck, in der ersten Kammer bei Be¬
rathung der gegen das Gesetz eingegaugcnenPetitionen für ihre Richtungsgenosscn
(freilich ohne Erfolg, denn die erste Kammer ging über die Petitionen zur Tages¬
ordnung über) verwendet hatten, so geschah es auch bei den Vorbereitungen zu
den Wahlen für die Kreisversammlungen; namentlich ist wieder zu erwähnen
Freiherr v. Stotzingen und neu die beiden Fürsten und Altgrafcn Salm von
Hersberg bei Meersburg (würtenbergische Enclave in Baden; man vergleiche
den gothaischen Hofkalcnder). Diese Herren machten indeß auf einer Versamm¬
lung zu Markdorf (27. August 186S) unliebsame Erfahrungen. Auf der von
ihnen angesagten und ausdrücklich nur für "gute Katholiken" angesagten Ver¬
sammlung erschien eine Mehrzahl von sogenannten "Auchkatholiken", nämlich
Katholiken, welche auch gute Katholiken zu sein vorgaben, namentlich, weil sie
zugleich gute Staatsbürger seien, und das Recht beanspruchten, an der Ver¬
sammlung theilzunehmen. Da man sie nicht dulden wollte und es darüber
auch hier wieder zu Thätlichkeiten kam, wurde die Versammlung von der Bc-
zirksbehörde aufgelöst, die Herren Fürsten hatten weiter nichts von derselben,
als daß sie mit verschiedenem "liberalen Gesindel" zusammensitzen mußten.
Der eine der beiden Herren mußte auf diese Anspielung und eine andere Be¬
merkung hin, daß hier nur eine Casinovcrsammlunz berufen sei und anständige
Leute nicht dahin kämen, wohin sie nicht geladen seien, die Entgegnung hin¬
nehmen, daß die Katholiken der Umgegend es fernerhin nicht mehr zu dulden
gedächten, daß die Casinonier mit dem Worte "kirchlich gesinnte Katholiken"
Mißbrauch trieben, daß es heutzutage keine Bevorrechteten mehr gebe und hier
lauter freie, gleichberechtigte Staatsbürger anwesend seien, die sich für ebenso
gut hielten wie ein Fürst oder ein Graf. Die schlimmsten Dinge, welche der
Fürst hören mußte, lassen wir hier weg. Andere Versammlungen der Cafinolcute
wurden aufgelöst, weil sie nicht nach Gcsetzesvvrschrift angezeigt waren, viele
aber auch gehalten; das Ergebniß der Kreisversammlungswahlen aber ist darum
für die Ultramontanen nicht günstiger geworden. Sie selbst rühmen sich, daß
von der Zahl der Wahlmänner ein Drittel ihrer Partei angehörte; wenn das
nicht übertrieben ist, so will es immer noch wenig sagen, wenn man bedenkt,


soll kein Geistlicher und kein „guter" Katholik in die Schulräthe eintreten)
einzutreten, was sie dann mit den Kreisschulanstalten wollten? oder ob etwa
katholische Geistliche ein besonderes Verständniß für Straßen- und Brücken¬
anlagen hätten, ob es vielleicht außer dem „katholischen Schreib- und Rechenunter¬
richt" auch auf katholischen Straßen- und Brückenbau, katholische Flußreguli-
rungen u. tgi. abgesehen sei? Es half nichts, mit allem Eifer suchten die
Casinonier in die Kreisversammlungen kirchlich gesinnte, „gut katholische" Männer
hineinzubringen. Wie sich schon bei der Schulgesetzbewegung verschiedene adlige
Herren, der Graf v. Herrin, der Fürst Karl von Löwenstein-Weilheim-Rosen-
berg, Freiherr v. Stotzingen, Graf v. Kageneck, in der ersten Kammer bei Be¬
rathung der gegen das Gesetz eingegaugcnenPetitionen für ihre Richtungsgenosscn
(freilich ohne Erfolg, denn die erste Kammer ging über die Petitionen zur Tages¬
ordnung über) verwendet hatten, so geschah es auch bei den Vorbereitungen zu
den Wahlen für die Kreisversammlungen; namentlich ist wieder zu erwähnen
Freiherr v. Stotzingen und neu die beiden Fürsten und Altgrafcn Salm von
Hersberg bei Meersburg (würtenbergische Enclave in Baden; man vergleiche
den gothaischen Hofkalcnder). Diese Herren machten indeß auf einer Versamm¬
lung zu Markdorf (27. August 186S) unliebsame Erfahrungen. Auf der von
ihnen angesagten und ausdrücklich nur für „gute Katholiken" angesagten Ver¬
sammlung erschien eine Mehrzahl von sogenannten „Auchkatholiken", nämlich
Katholiken, welche auch gute Katholiken zu sein vorgaben, namentlich, weil sie
zugleich gute Staatsbürger seien, und das Recht beanspruchten, an der Ver¬
sammlung theilzunehmen. Da man sie nicht dulden wollte und es darüber
auch hier wieder zu Thätlichkeiten kam, wurde die Versammlung von der Bc-
zirksbehörde aufgelöst, die Herren Fürsten hatten weiter nichts von derselben,
als daß sie mit verschiedenem „liberalen Gesindel" zusammensitzen mußten.
Der eine der beiden Herren mußte auf diese Anspielung und eine andere Be¬
merkung hin, daß hier nur eine Casinovcrsammlunz berufen sei und anständige
Leute nicht dahin kämen, wohin sie nicht geladen seien, die Entgegnung hin¬
nehmen, daß die Katholiken der Umgegend es fernerhin nicht mehr zu dulden
gedächten, daß die Casinonier mit dem Worte „kirchlich gesinnte Katholiken"
Mißbrauch trieben, daß es heutzutage keine Bevorrechteten mehr gebe und hier
lauter freie, gleichberechtigte Staatsbürger anwesend seien, die sich für ebenso
gut hielten wie ein Fürst oder ein Graf. Die schlimmsten Dinge, welche der
Fürst hören mußte, lassen wir hier weg. Andere Versammlungen der Cafinolcute
wurden aufgelöst, weil sie nicht nach Gcsetzesvvrschrift angezeigt waren, viele
aber auch gehalten; das Ergebniß der Kreisversammlungswahlen aber ist darum
für die Ultramontanen nicht günstiger geworden. Sie selbst rühmen sich, daß
von der Zahl der Wahlmänner ein Drittel ihrer Partei angehörte; wenn das
nicht übertrieben ist, so will es immer noch wenig sagen, wenn man bedenkt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/116>, abgerufen am 28.07.2024.