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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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der Convention beschlossen hat, besteht sie dennoch in Wirksamkeit. Es ist ein
Zustand, glücklicherweise ohne Gleichen in Deutschland, wenn man von dem
mit dem Concordat vom August 1835 behafteten Oestreich absieht. Selbst kein
anderer von den hier vorzüglich ins Auge gefaßten Staaten Südwcstdcutschlands
hat entsprechende Verhältnisse auszuweisen. In Nassau war das Verhältniß
der katholischen Kirche zum Staate zwar durch die Ministerialverordnung vom
25. Mai 1861 einseitig geregelt worden, die Negierung bemerkte aber der in-
terpellirenden Landesvertretung, daß diese Verordnung nicht die Bedeutung einer
Convention mit dem Bischof von Limburg habe, und aus dem Beschluß der
zweiten Kammer vom 8. August 1861, sie wolle nichts dagegen einwenden,
daß solche Einrichtungen, wie sie in der Ministerialverordnung getroffen sind,
vorläufig als Provisorium bis auf Weiteres (d. h. bis zum nächsten Landtage)
bestehen bleiben, jedoch lediglich als Verwaltungsmaßregeln und ohne Beein¬
trächtigung der landständischen Rechte, geht bereits hervor, daß der Inhalt der
Ministerialverordnung nicht ganz gleichbedeutend mit dem der mainz-darmstädter
Convention ist. Der ganze Zustand des Staates Nassau und die Entwicklung
seiner Bewohner macht es überhaupt dem ultramontanen Klerus schwierig, dort
seine Zwecke zu erreichen; er hat deshalb mit um so größerer Energie nach der
Besitzergreifung der Staatsgewalt gestrebt. Die Helfershelfer der Ultramontanen
oder Klerikalen saßen im Staatsrath, in der Landesregierung, in den Kammern.
Mit Hilfe der Unterdrückung der freien Presse, des Vereins- und Versammlungs¬
rechtes ?c. waren sie nahe daran, die entschiedene Mehrheit in der Stände¬
versammlung zu erreichen, hoffentlich gelingt es ihnen in der nächsten Zeit nicht,
wieder einmal so weit zu sein. In Württemberg siel bekanntlich das auch
dort schon eingeleitete Concordat vor dem einwilligen Votum beider Kammern,
und wurde eine andere gesetzliche Regelung des Verhältnisses von Kirche und
Staat im Herbste 1861 mit den Kammern vereinbart. Sie statuirt im Departement
des Kirchen- und Schulwesens einen katholischen Kirchenrath, an dessen Ent¬
scheidung in allen wichtigen Angelegenheiten der Bischof von Rottenburg ge¬
bunden ist. Die Geistlichen werden vom Bischof vorgeschlagen und erhalten
vom Könige das Planet. Ein Schulgesetz von 1865 wahrt die Schule vor zu
gefährlicher Einwirkung der Kirche. Das landesherrliche Planet für die Diener
der Kirche wird auch in Bayern nach dem Concordat vom Juni 1817 und
der königlichen Deklaration von 1854 festgehalten. Nur fehlt es noch an einem
ausreichenden Schulgesetz. In Kurhessen besteht der Kurfürst mit großer
Eifersucht auf der Wahrung seiner landesherrlichen Autorität der katholischen
Kirche gegenüber. In Baden aber ist am allerrationellsten seit 1860 das
Verhältniß geordnet, nachdem das vorbereitete Concordat in seiner Gefährlichkeit
an entscheidender Stelle erkannt war. Nach der Gesetzgebung vom 9. October
1860 stellt hier zwar nach dem auch für die evangelische Kirche geltenden Grund-


der Convention beschlossen hat, besteht sie dennoch in Wirksamkeit. Es ist ein
Zustand, glücklicherweise ohne Gleichen in Deutschland, wenn man von dem
mit dem Concordat vom August 1835 behafteten Oestreich absieht. Selbst kein
anderer von den hier vorzüglich ins Auge gefaßten Staaten Südwcstdcutschlands
hat entsprechende Verhältnisse auszuweisen. In Nassau war das Verhältniß
der katholischen Kirche zum Staate zwar durch die Ministerialverordnung vom
25. Mai 1861 einseitig geregelt worden, die Negierung bemerkte aber der in-
terpellirenden Landesvertretung, daß diese Verordnung nicht die Bedeutung einer
Convention mit dem Bischof von Limburg habe, und aus dem Beschluß der
zweiten Kammer vom 8. August 1861, sie wolle nichts dagegen einwenden,
daß solche Einrichtungen, wie sie in der Ministerialverordnung getroffen sind,
vorläufig als Provisorium bis auf Weiteres (d. h. bis zum nächsten Landtage)
bestehen bleiben, jedoch lediglich als Verwaltungsmaßregeln und ohne Beein¬
trächtigung der landständischen Rechte, geht bereits hervor, daß der Inhalt der
Ministerialverordnung nicht ganz gleichbedeutend mit dem der mainz-darmstädter
Convention ist. Der ganze Zustand des Staates Nassau und die Entwicklung
seiner Bewohner macht es überhaupt dem ultramontanen Klerus schwierig, dort
seine Zwecke zu erreichen; er hat deshalb mit um so größerer Energie nach der
Besitzergreifung der Staatsgewalt gestrebt. Die Helfershelfer der Ultramontanen
oder Klerikalen saßen im Staatsrath, in der Landesregierung, in den Kammern.
Mit Hilfe der Unterdrückung der freien Presse, des Vereins- und Versammlungs¬
rechtes ?c. waren sie nahe daran, die entschiedene Mehrheit in der Stände¬
versammlung zu erreichen, hoffentlich gelingt es ihnen in der nächsten Zeit nicht,
wieder einmal so weit zu sein. In Württemberg siel bekanntlich das auch
dort schon eingeleitete Concordat vor dem einwilligen Votum beider Kammern,
und wurde eine andere gesetzliche Regelung des Verhältnisses von Kirche und
Staat im Herbste 1861 mit den Kammern vereinbart. Sie statuirt im Departement
des Kirchen- und Schulwesens einen katholischen Kirchenrath, an dessen Ent¬
scheidung in allen wichtigen Angelegenheiten der Bischof von Rottenburg ge¬
bunden ist. Die Geistlichen werden vom Bischof vorgeschlagen und erhalten
vom Könige das Planet. Ein Schulgesetz von 1865 wahrt die Schule vor zu
gefährlicher Einwirkung der Kirche. Das landesherrliche Planet für die Diener
der Kirche wird auch in Bayern nach dem Concordat vom Juni 1817 und
der königlichen Deklaration von 1854 festgehalten. Nur fehlt es noch an einem
ausreichenden Schulgesetz. In Kurhessen besteht der Kurfürst mit großer
Eifersucht auf der Wahrung seiner landesherrlichen Autorität der katholischen
Kirche gegenüber. In Baden aber ist am allerrationellsten seit 1860 das
Verhältniß geordnet, nachdem das vorbereitete Concordat in seiner Gefährlichkeit
an entscheidender Stelle erkannt war. Nach der Gesetzgebung vom 9. October
1860 stellt hier zwar nach dem auch für die evangelische Kirche geltenden Grund-


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[0106] der Convention beschlossen hat, besteht sie dennoch in Wirksamkeit. Es ist ein Zustand, glücklicherweise ohne Gleichen in Deutschland, wenn man von dem mit dem Concordat vom August 1835 behafteten Oestreich absieht. Selbst kein anderer von den hier vorzüglich ins Auge gefaßten Staaten Südwcstdcutschlands hat entsprechende Verhältnisse auszuweisen. In Nassau war das Verhältniß der katholischen Kirche zum Staate zwar durch die Ministerialverordnung vom 25. Mai 1861 einseitig geregelt worden, die Negierung bemerkte aber der in- terpellirenden Landesvertretung, daß diese Verordnung nicht die Bedeutung einer Convention mit dem Bischof von Limburg habe, und aus dem Beschluß der zweiten Kammer vom 8. August 1861, sie wolle nichts dagegen einwenden, daß solche Einrichtungen, wie sie in der Ministerialverordnung getroffen sind, vorläufig als Provisorium bis auf Weiteres (d. h. bis zum nächsten Landtage) bestehen bleiben, jedoch lediglich als Verwaltungsmaßregeln und ohne Beein¬ trächtigung der landständischen Rechte, geht bereits hervor, daß der Inhalt der Ministerialverordnung nicht ganz gleichbedeutend mit dem der mainz-darmstädter Convention ist. Der ganze Zustand des Staates Nassau und die Entwicklung seiner Bewohner macht es überhaupt dem ultramontanen Klerus schwierig, dort seine Zwecke zu erreichen; er hat deshalb mit um so größerer Energie nach der Besitzergreifung der Staatsgewalt gestrebt. Die Helfershelfer der Ultramontanen oder Klerikalen saßen im Staatsrath, in der Landesregierung, in den Kammern. Mit Hilfe der Unterdrückung der freien Presse, des Vereins- und Versammlungs¬ rechtes ?c. waren sie nahe daran, die entschiedene Mehrheit in der Stände¬ versammlung zu erreichen, hoffentlich gelingt es ihnen in der nächsten Zeit nicht, wieder einmal so weit zu sein. In Württemberg siel bekanntlich das auch dort schon eingeleitete Concordat vor dem einwilligen Votum beider Kammern, und wurde eine andere gesetzliche Regelung des Verhältnisses von Kirche und Staat im Herbste 1861 mit den Kammern vereinbart. Sie statuirt im Departement des Kirchen- und Schulwesens einen katholischen Kirchenrath, an dessen Ent¬ scheidung in allen wichtigen Angelegenheiten der Bischof von Rottenburg ge¬ bunden ist. Die Geistlichen werden vom Bischof vorgeschlagen und erhalten vom Könige das Planet. Ein Schulgesetz von 1865 wahrt die Schule vor zu gefährlicher Einwirkung der Kirche. Das landesherrliche Planet für die Diener der Kirche wird auch in Bayern nach dem Concordat vom Juni 1817 und der königlichen Deklaration von 1854 festgehalten. Nur fehlt es noch an einem ausreichenden Schulgesetz. In Kurhessen besteht der Kurfürst mit großer Eifersucht auf der Wahrung seiner landesherrlichen Autorität der katholischen Kirche gegenüber. In Baden aber ist am allerrationellsten seit 1860 das Verhältniß geordnet, nachdem das vorbereitete Concordat in seiner Gefährlichkeit an entscheidender Stelle erkannt war. Nach der Gesetzgebung vom 9. October 1860 stellt hier zwar nach dem auch für die evangelische Kirche geltenden Grund-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/106>, abgerufen am 28.07.2024.