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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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und seiner Gattin Anna; das meisterliche Brustbild seines nahen gelehrten
Freundes Auerbach, dessen reiche Sammlung. 1661 von der Regierung Basels
angekauft, den Grund zum Reichthum jenes Museums an holbeinschen Arbeiten
legte; das des berühmten Verlegers und Buchdruckers des großen Erasmus
von Rotterdam, Frobenius. In dessen von dem gefeierten Humanisten all¬
jährlich besuchten Hause machte Holbein die Bekanntschaft des letztern, die ihm
von so großer Wichtigkeit werden sollte. Von ihren Beziehungen zu einander
zeugt außer der Zeichnung von Erasmus Porträt das im Museum aufbe¬
wahrte Exemplar von dessen "Lob der Starrheit", das der Maler mit höchst
geistreichen Randzeichnungen schmückte, zu des Autors großem Vergnügen. Die
unschätzbare Sammlung großer Porträtköpfe in Silberstift, theils auch mit der
Feder und leichter Pcistelltönung gezeichnet, ebendaselbst, ist seit ihrer photo¬
graphischen Vervielfältigung und Herausgabe Gemeingut der Kunstwelt und
uns eine stets frische Quelle wahrer Erbauung geworden. Eine Auswahl des
Vorzüglichsten war unter ihnen, den durchweg gleich werthen, nicht möglich.
Bon einem großen religiösen Gemälde Holbeins aus dieser Periode, einer Ma>
donna mit mehrern weiblichen Heiligen neben dem "Brunnen des Lebens" in
einer mit prächtiger Renaissancearchitektur ausgestatteten Landschaft, konnte der
Verfasser nur nach einer Photographie erzählen, welche.von dem nach Lissabon
verschlagnen Original in die Sammlung des herzoglichen Schlosses zu Gotha
gelangt ist, und von der es wiederum gestattet wurde, für dies Album eine
photographische Copie zu nehmen. So weit diese urtheilen läßt, kann man
den Gestalten des Bildes den hohen Adel, den schönen Gesichtern ihr indivi¬
duelles Gepräge, ihr Leben und ihre Mannigfaltigkeit, welche der Verfasser rühmt,
wohl zuerkennen. Das Ganze der Komposition bleibt aber doch eine ziemlich
bunte und ni^uhige Zusammenstellung nicht völlig verschmolzener Einzelstücke.

Ausführlich geht Herr Woltmann die fernern Arbeiten des vaseler Aufenthalts
durch, das Passionsbild, das nach seiner Ansicht seinem großen Ruf nicht
ganz entspricht, die gewaltigen Z e i es n u n g en aus der P a ssions g e s chies te
für Glasgemälde, die Altarflügel in der Universitätskapelle des
sreidurger Münsters; den todten Christus von 1521, dessen absichtlich
bis zur widrigen Häßlichkeit getriebne Todcswahrheit kaum den Maler erkennen
läßt, der so frei über die höchste Schönheit und Anmuth gebietet; das Abend-
mahl, in dessen spärlichen, uns noch in Basel erhaltnen Fragmenten Herr
Woltmann den überzeugenden Beweis finden will, daß Holbein Leonardos
Abendmahlsbild in Mailand selbst gesehen, eine italienische Studienwanderung
gemacht habe, deren wirkliches Stattgefundenhaben sich dennoch so wenig wird
erweisen lassen, als Grund zum Bestreiter ihrer Möglichkeit vorliegt, endlich die
Orgelflügelbilder des dahier Münsters. Mehr noch als die vielfach
beschädigten braun in 'braun gemalten Tafeln derselben im dortigen Museum


und seiner Gattin Anna; das meisterliche Brustbild seines nahen gelehrten
Freundes Auerbach, dessen reiche Sammlung. 1661 von der Regierung Basels
angekauft, den Grund zum Reichthum jenes Museums an holbeinschen Arbeiten
legte; das des berühmten Verlegers und Buchdruckers des großen Erasmus
von Rotterdam, Frobenius. In dessen von dem gefeierten Humanisten all¬
jährlich besuchten Hause machte Holbein die Bekanntschaft des letztern, die ihm
von so großer Wichtigkeit werden sollte. Von ihren Beziehungen zu einander
zeugt außer der Zeichnung von Erasmus Porträt das im Museum aufbe¬
wahrte Exemplar von dessen „Lob der Starrheit", das der Maler mit höchst
geistreichen Randzeichnungen schmückte, zu des Autors großem Vergnügen. Die
unschätzbare Sammlung großer Porträtköpfe in Silberstift, theils auch mit der
Feder und leichter Pcistelltönung gezeichnet, ebendaselbst, ist seit ihrer photo¬
graphischen Vervielfältigung und Herausgabe Gemeingut der Kunstwelt und
uns eine stets frische Quelle wahrer Erbauung geworden. Eine Auswahl des
Vorzüglichsten war unter ihnen, den durchweg gleich werthen, nicht möglich.
Bon einem großen religiösen Gemälde Holbeins aus dieser Periode, einer Ma>
donna mit mehrern weiblichen Heiligen neben dem „Brunnen des Lebens" in
einer mit prächtiger Renaissancearchitektur ausgestatteten Landschaft, konnte der
Verfasser nur nach einer Photographie erzählen, welche.von dem nach Lissabon
verschlagnen Original in die Sammlung des herzoglichen Schlosses zu Gotha
gelangt ist, und von der es wiederum gestattet wurde, für dies Album eine
photographische Copie zu nehmen. So weit diese urtheilen läßt, kann man
den Gestalten des Bildes den hohen Adel, den schönen Gesichtern ihr indivi¬
duelles Gepräge, ihr Leben und ihre Mannigfaltigkeit, welche der Verfasser rühmt,
wohl zuerkennen. Das Ganze der Komposition bleibt aber doch eine ziemlich
bunte und ni^uhige Zusammenstellung nicht völlig verschmolzener Einzelstücke.

Ausführlich geht Herr Woltmann die fernern Arbeiten des vaseler Aufenthalts
durch, das Passionsbild, das nach seiner Ansicht seinem großen Ruf nicht
ganz entspricht, die gewaltigen Z e i es n u n g en aus der P a ssions g e s chies te
für Glasgemälde, die Altarflügel in der Universitätskapelle des
sreidurger Münsters; den todten Christus von 1521, dessen absichtlich
bis zur widrigen Häßlichkeit getriebne Todcswahrheit kaum den Maler erkennen
läßt, der so frei über die höchste Schönheit und Anmuth gebietet; das Abend-
mahl, in dessen spärlichen, uns noch in Basel erhaltnen Fragmenten Herr
Woltmann den überzeugenden Beweis finden will, daß Holbein Leonardos
Abendmahlsbild in Mailand selbst gesehen, eine italienische Studienwanderung
gemacht habe, deren wirkliches Stattgefundenhaben sich dennoch so wenig wird
erweisen lassen, als Grund zum Bestreiter ihrer Möglichkeit vorliegt, endlich die
Orgelflügelbilder des dahier Münsters. Mehr noch als die vielfach
beschädigten braun in 'braun gemalten Tafeln derselben im dortigen Museum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/98>, abgerufen am 29.06.2024.