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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Hans Halben d. I. neueste Biographie.

Zu keiner Zeit zeigte man sich so eifrig bemüht, die wissenschaftliche Er¬
kenntniß aus einem Privatbesitz der Fachgelehrten zum Gemeingut aller zu
machen, und die Resultate der Forschung zu popuiarisiren, als in der unsrigen.
Wenn sich dieses Bestreben schon auf den Gebieten der strengsten Wissenschaften
kundgiebt, um wie viel mehr auf demjenigen, welches dem allgemein gebildeten,
wie dem ganz naiven Bewußtsein immer noch das zugänglichste sein wird, dem
der Kunstwissenschaft und speciell der Kunstgeschichte. Wie sehr solche Arbeiten
dem Bedürfniß und Verlangen entsprechen, beweisen hinlänglich die zahlreich
und in rascher Folge nach einander erscheinenden derartigen Werke, alle jene
"Handbücher" und "Grundrisse der Kunstgeschichte" im Ganzen, wie der ein¬
zelnen Kunstzweige, der Architektur, Plastik und Malerei, die wir seit zwanzig
Jahren bei uns ans Licht treten sahen. Ihrem Wesen nach bietet unter diesen
selbstverständlich die Malerei den willkommensten Stoff. Baukunst "ist hoch",
Sculptur "ist streng"; trotz der besten Absicht lassen sie sich dem "Gebildeten"
nicht so bequem und mundgerecht Präpariren. Aber über die Malerei und ihre
Meister läßt sich so hübsch sprechen und so behaglich und ohne besondere Kopf¬
anstrengung lesen, was davon im Stil blühender und poetischer Schilderung
vom Kunsthistoriker erzählt wird. Es ist in solchem Genre viel leichtfertiges
Zeug fabricirt worden, aber das soll uns nicht ungerecht machen gegen die
ehrlichen und fruchtbaren Arbeiten, die von tüchtigen Männern zu dem an sich
sehr schönen Zweck geliefert worden sind, in dessen Erreichung sie ihren besten
Lohn gefunden haben.

Alles Schildern und Berichten aber von Werken der bildenden Kunst schwebt
gleichsam in der Luft, wenn es sich nicht auf die bestimmte sinnliche Anschauung
des Geschilderten stützen oder berufen kann. Mit Recht hat man daher jene
Handbücher immer reichlicher mit Illustrationen auszustatten unternommen.
Doch konnten diese, meist durch das (durch Wohlfeilheit und Vervielfältigungs-
fa'higkeit sich gleich sehr empfehlende) Mittel des Holzschnitts ausgeführt, nie jene


Grenzboten I. 18SK, ^
Hans Halben d. I. neueste Biographie.

Zu keiner Zeit zeigte man sich so eifrig bemüht, die wissenschaftliche Er¬
kenntniß aus einem Privatbesitz der Fachgelehrten zum Gemeingut aller zu
machen, und die Resultate der Forschung zu popuiarisiren, als in der unsrigen.
Wenn sich dieses Bestreben schon auf den Gebieten der strengsten Wissenschaften
kundgiebt, um wie viel mehr auf demjenigen, welches dem allgemein gebildeten,
wie dem ganz naiven Bewußtsein immer noch das zugänglichste sein wird, dem
der Kunstwissenschaft und speciell der Kunstgeschichte. Wie sehr solche Arbeiten
dem Bedürfniß und Verlangen entsprechen, beweisen hinlänglich die zahlreich
und in rascher Folge nach einander erscheinenden derartigen Werke, alle jene
„Handbücher" und „Grundrisse der Kunstgeschichte" im Ganzen, wie der ein¬
zelnen Kunstzweige, der Architektur, Plastik und Malerei, die wir seit zwanzig
Jahren bei uns ans Licht treten sahen. Ihrem Wesen nach bietet unter diesen
selbstverständlich die Malerei den willkommensten Stoff. Baukunst „ist hoch",
Sculptur „ist streng"; trotz der besten Absicht lassen sie sich dem „Gebildeten"
nicht so bequem und mundgerecht Präpariren. Aber über die Malerei und ihre
Meister läßt sich so hübsch sprechen und so behaglich und ohne besondere Kopf¬
anstrengung lesen, was davon im Stil blühender und poetischer Schilderung
vom Kunsthistoriker erzählt wird. Es ist in solchem Genre viel leichtfertiges
Zeug fabricirt worden, aber das soll uns nicht ungerecht machen gegen die
ehrlichen und fruchtbaren Arbeiten, die von tüchtigen Männern zu dem an sich
sehr schönen Zweck geliefert worden sind, in dessen Erreichung sie ihren besten
Lohn gefunden haben.

Alles Schildern und Berichten aber von Werken der bildenden Kunst schwebt
gleichsam in der Luft, wenn es sich nicht auf die bestimmte sinnliche Anschauung
des Geschilderten stützen oder berufen kann. Mit Recht hat man daher jene
Handbücher immer reichlicher mit Illustrationen auszustatten unternommen.
Doch konnten diese, meist durch das (durch Wohlfeilheit und Vervielfältigungs-
fa'higkeit sich gleich sehr empfehlende) Mittel des Holzschnitts ausgeführt, nie jene


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[0091] Hans Halben d. I. neueste Biographie. Zu keiner Zeit zeigte man sich so eifrig bemüht, die wissenschaftliche Er¬ kenntniß aus einem Privatbesitz der Fachgelehrten zum Gemeingut aller zu machen, und die Resultate der Forschung zu popuiarisiren, als in der unsrigen. Wenn sich dieses Bestreben schon auf den Gebieten der strengsten Wissenschaften kundgiebt, um wie viel mehr auf demjenigen, welches dem allgemein gebildeten, wie dem ganz naiven Bewußtsein immer noch das zugänglichste sein wird, dem der Kunstwissenschaft und speciell der Kunstgeschichte. Wie sehr solche Arbeiten dem Bedürfniß und Verlangen entsprechen, beweisen hinlänglich die zahlreich und in rascher Folge nach einander erscheinenden derartigen Werke, alle jene „Handbücher" und „Grundrisse der Kunstgeschichte" im Ganzen, wie der ein¬ zelnen Kunstzweige, der Architektur, Plastik und Malerei, die wir seit zwanzig Jahren bei uns ans Licht treten sahen. Ihrem Wesen nach bietet unter diesen selbstverständlich die Malerei den willkommensten Stoff. Baukunst „ist hoch", Sculptur „ist streng"; trotz der besten Absicht lassen sie sich dem „Gebildeten" nicht so bequem und mundgerecht Präpariren. Aber über die Malerei und ihre Meister läßt sich so hübsch sprechen und so behaglich und ohne besondere Kopf¬ anstrengung lesen, was davon im Stil blühender und poetischer Schilderung vom Kunsthistoriker erzählt wird. Es ist in solchem Genre viel leichtfertiges Zeug fabricirt worden, aber das soll uns nicht ungerecht machen gegen die ehrlichen und fruchtbaren Arbeiten, die von tüchtigen Männern zu dem an sich sehr schönen Zweck geliefert worden sind, in dessen Erreichung sie ihren besten Lohn gefunden haben. Alles Schildern und Berichten aber von Werken der bildenden Kunst schwebt gleichsam in der Luft, wenn es sich nicht auf die bestimmte sinnliche Anschauung des Geschilderten stützen oder berufen kann. Mit Recht hat man daher jene Handbücher immer reichlicher mit Illustrationen auszustatten unternommen. Doch konnten diese, meist durch das (durch Wohlfeilheit und Vervielfältigungs- fa'higkeit sich gleich sehr empfehlende) Mittel des Holzschnitts ausgeführt, nie jene Grenzboten I. 18SK, ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/91>, abgerufen am 29.06.2024.