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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Wickelung eines lebenden Wesens vergleicht, so müßte ihm auch historisch jeder Cnt-
wickclungszustand für jeden folgenden absolute Bedeutung haben. Er leugnet wieder¬
holt, daß Aristoteles den Grund zu irgendeiner der Naturwissenschaften gelegt habe, zum
Schlüsse aber betont er aufs stärkste, daß derselbe eine Revolution hervorgerufen,
eine neue Methode gefunden, neue Forschungswege gezeigt habe, wie niemand nach
ihm, und so ist jene Leugnung eben nur eine formale.


ÜMexions ä'un LolcZat sur les DauZers <M msnaooiit 1a LolZiyuo.
IZiuxellös, O. Nuyuarät, Lidiairie Luroxosrms. 1865.

Vor einigen Monaten veröffentlichte der ehemalige belgische Minister des Aus¬
wärtigen, Dechamps, der zugleich einer der Führer der belgisch"" Klerikalen oder
Ultrcnuvntancn ist, eine Schrift, die für Belgien in nächster Zukunft Unheil kommen
sah. So oder anders, hieß es darin, in jedem Fall ist die Unabhängigkeit des
Landes schwer bedroht. Entweder verständigen sich Preußen und Oestreich und re-
formiren den deutschen Bund in der Weise, wie es die frankfurter Fürstenconferenz
bezweckte, und dann nimmt sich der Kaiser der Franzosen Belgien als Entschädigung
für die durch solche Einigung Deutschlands herbeigeführte Beeinträchtigung des fran¬
zösischen Interesses am Gleichgewicht Europas. Oder, so fuhr Herr Dechamps fort,
Preußen und Oestreich entzweien sich, und dann kauft sich der Kaiser Napoleon
mit seiner Bundesgenossenschaft entweder in Berlin oder in Wien die Einwilligung
in die Annexion Belgiens. Das klang sehr logisch, wäre aber doch leicht zu wider¬
legen, sobald man annehmen dürfte, daß eine Verständigung Oestreichs und Preußens
über die Umgestaltung des deutschen Bundes im Sinne größerer Einigkeit möglich
sei; denn käme eine solche Einigung zu Stande, so würde sie eine Annexion Belgiens
an Frankreich in Paris zwar sehr wünschenswert!) erscheinen lassen, dahin gehende
Versuche aber in gleichem Maße weniger möglich machen. Die Neigung Belgien zu
nehmen würde stärker, die Aussicht es zu bekommen schwächer werden. Das sind
die Hauptgedanken, welche die oben angeführte Schrift (die beiläufig von dem belgi¬
schen Oberst Brialmont verfaßt ist) gegen den ultramontanen Exministcr in elegantem
Französisch und in zum Theil recht witzigen Wendungen ins Feld führt. Das
Uebrige richtet sich gegen die Angriffe des Herrn Dechamps auf Italien, für welches
der Verfasser in einem Schlußcapitcl ein neues Vcrthcidigungssystcm vorschlägt, dessen
Mittelpunkt Piacenza sein würde.


Heinrich Heine und der Ncuisraelitismus. Briefe an Adolf Strodt-
mann von Dr. Hermann Schiff. Hamburg und Leipzig, I. P. Fr. E. Richter.
1866. 106 S. 8.

Einige Notizen über Eltern, Geschwister und sonstige Verwandte Heines und
ein Blick auf das Reformjudcnthum in seiner Entwickelung aus der alten ortho¬
doxen Glaubens- und Lebensweise, vorzüglich der Gemeinden in Hamburg und Altona.




Verantwortlicher Redacteur: or. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

Wickelung eines lebenden Wesens vergleicht, so müßte ihm auch historisch jeder Cnt-
wickclungszustand für jeden folgenden absolute Bedeutung haben. Er leugnet wieder¬
holt, daß Aristoteles den Grund zu irgendeiner der Naturwissenschaften gelegt habe, zum
Schlüsse aber betont er aufs stärkste, daß derselbe eine Revolution hervorgerufen,
eine neue Methode gefunden, neue Forschungswege gezeigt habe, wie niemand nach
ihm, und so ist jene Leugnung eben nur eine formale.


ÜMexions ä'un LolcZat sur les DauZers <M msnaooiit 1a LolZiyuo.
IZiuxellös, O. Nuyuarät, Lidiairie Luroxosrms. 1865.

Vor einigen Monaten veröffentlichte der ehemalige belgische Minister des Aus¬
wärtigen, Dechamps, der zugleich einer der Führer der belgisch«» Klerikalen oder
Ultrcnuvntancn ist, eine Schrift, die für Belgien in nächster Zukunft Unheil kommen
sah. So oder anders, hieß es darin, in jedem Fall ist die Unabhängigkeit des
Landes schwer bedroht. Entweder verständigen sich Preußen und Oestreich und re-
formiren den deutschen Bund in der Weise, wie es die frankfurter Fürstenconferenz
bezweckte, und dann nimmt sich der Kaiser der Franzosen Belgien als Entschädigung
für die durch solche Einigung Deutschlands herbeigeführte Beeinträchtigung des fran¬
zösischen Interesses am Gleichgewicht Europas. Oder, so fuhr Herr Dechamps fort,
Preußen und Oestreich entzweien sich, und dann kauft sich der Kaiser Napoleon
mit seiner Bundesgenossenschaft entweder in Berlin oder in Wien die Einwilligung
in die Annexion Belgiens. Das klang sehr logisch, wäre aber doch leicht zu wider¬
legen, sobald man annehmen dürfte, daß eine Verständigung Oestreichs und Preußens
über die Umgestaltung des deutschen Bundes im Sinne größerer Einigkeit möglich
sei; denn käme eine solche Einigung zu Stande, so würde sie eine Annexion Belgiens
an Frankreich in Paris zwar sehr wünschenswert!) erscheinen lassen, dahin gehende
Versuche aber in gleichem Maße weniger möglich machen. Die Neigung Belgien zu
nehmen würde stärker, die Aussicht es zu bekommen schwächer werden. Das sind
die Hauptgedanken, welche die oben angeführte Schrift (die beiläufig von dem belgi¬
schen Oberst Brialmont verfaßt ist) gegen den ultramontanen Exministcr in elegantem
Französisch und in zum Theil recht witzigen Wendungen ins Feld führt. Das
Uebrige richtet sich gegen die Angriffe des Herrn Dechamps auf Italien, für welches
der Verfasser in einem Schlußcapitcl ein neues Vcrthcidigungssystcm vorschlägt, dessen
Mittelpunkt Piacenza sein würde.


Heinrich Heine und der Ncuisraelitismus. Briefe an Adolf Strodt-
mann von Dr. Hermann Schiff. Hamburg und Leipzig, I. P. Fr. E. Richter.
1866. 106 S. 8.

Einige Notizen über Eltern, Geschwister und sonstige Verwandte Heines und
ein Blick auf das Reformjudcnthum in seiner Entwickelung aus der alten ortho¬
doxen Glaubens- und Lebensweise, vorzüglich der Gemeinden in Hamburg und Altona.




Verantwortlicher Redacteur: or. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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[0088] Wickelung eines lebenden Wesens vergleicht, so müßte ihm auch historisch jeder Cnt- wickclungszustand für jeden folgenden absolute Bedeutung haben. Er leugnet wieder¬ holt, daß Aristoteles den Grund zu irgendeiner der Naturwissenschaften gelegt habe, zum Schlüsse aber betont er aufs stärkste, daß derselbe eine Revolution hervorgerufen, eine neue Methode gefunden, neue Forschungswege gezeigt habe, wie niemand nach ihm, und so ist jene Leugnung eben nur eine formale. ÜMexions ä'un LolcZat sur les DauZers <M msnaooiit 1a LolZiyuo. IZiuxellös, O. Nuyuarät, Lidiairie Luroxosrms. 1865. Vor einigen Monaten veröffentlichte der ehemalige belgische Minister des Aus¬ wärtigen, Dechamps, der zugleich einer der Führer der belgisch«» Klerikalen oder Ultrcnuvntancn ist, eine Schrift, die für Belgien in nächster Zukunft Unheil kommen sah. So oder anders, hieß es darin, in jedem Fall ist die Unabhängigkeit des Landes schwer bedroht. Entweder verständigen sich Preußen und Oestreich und re- formiren den deutschen Bund in der Weise, wie es die frankfurter Fürstenconferenz bezweckte, und dann nimmt sich der Kaiser der Franzosen Belgien als Entschädigung für die durch solche Einigung Deutschlands herbeigeführte Beeinträchtigung des fran¬ zösischen Interesses am Gleichgewicht Europas. Oder, so fuhr Herr Dechamps fort, Preußen und Oestreich entzweien sich, und dann kauft sich der Kaiser Napoleon mit seiner Bundesgenossenschaft entweder in Berlin oder in Wien die Einwilligung in die Annexion Belgiens. Das klang sehr logisch, wäre aber doch leicht zu wider¬ legen, sobald man annehmen dürfte, daß eine Verständigung Oestreichs und Preußens über die Umgestaltung des deutschen Bundes im Sinne größerer Einigkeit möglich sei; denn käme eine solche Einigung zu Stande, so würde sie eine Annexion Belgiens an Frankreich in Paris zwar sehr wünschenswert!) erscheinen lassen, dahin gehende Versuche aber in gleichem Maße weniger möglich machen. Die Neigung Belgien zu nehmen würde stärker, die Aussicht es zu bekommen schwächer werden. Das sind die Hauptgedanken, welche die oben angeführte Schrift (die beiläufig von dem belgi¬ schen Oberst Brialmont verfaßt ist) gegen den ultramontanen Exministcr in elegantem Französisch und in zum Theil recht witzigen Wendungen ins Feld führt. Das Uebrige richtet sich gegen die Angriffe des Herrn Dechamps auf Italien, für welches der Verfasser in einem Schlußcapitcl ein neues Vcrthcidigungssystcm vorschlägt, dessen Mittelpunkt Piacenza sein würde. Heinrich Heine und der Ncuisraelitismus. Briefe an Adolf Strodt- mann von Dr. Hermann Schiff. Hamburg und Leipzig, I. P. Fr. E. Richter. 1866. 106 S. 8. Einige Notizen über Eltern, Geschwister und sonstige Verwandte Heines und ein Blick auf das Reformjudcnthum in seiner Entwickelung aus der alten ortho¬ doxen Glaubens- und Lebensweise, vorzüglich der Gemeinden in Hamburg und Altona. Verantwortlicher Redacteur: or. Moritz Busch. Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/88>, abgerufen am 29.06.2024.