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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Lehrstuhl für dos Griechische gegründet, auf welchem Emanuel Chrysoloras
mehre Jahre mit großem Erfolg wirkte. Später folgten ihm andere Griechen,
namentlich Johann Argyropulos, Theodoms Gaza und Bessarion von Trape-
zunt, nach Italien, um in gleicher Weise an verschiedenen Orten -- der erste
ebenfalls in Florenz, der zweite vorzüglich in Ferrara und Rom, der dritte,
zur Würde eines Kardinals und päpstlichen Legaten emporgestiegen, in Bologna
-- für Weckung der Geister mit der Leuchte althellenischer Dichtung und Wissen¬
schaft thätig zu sein.

Der höhere Unterricht erfuhr durch diese Männer, denen sich bald zahlreiche
Schüler anschlössen, zunächst in engen inselartigen Kreisen, besonders in der Um¬
gebung kunstsinniger und der Wissenschaft wohlwollender Höfe, dann in weiterem
Umfange, eine beinahe vollständige Umgestaltung. Nicht ohne Kämpfe mit den
Anhängern des Herkommens, die recht wohl ahnten, daß ihren Interessen hier
schwere Gefahr drohte, aber von Jahr zu Jahr siegreicher, gewann das neue
Wissen und mit ihm ein neues Dichten und Trachten Boden. Unablässig ging
die Auferstehung der alten Welt vor sich. Fast täglich sehen wir sie glanzvolle
Häupter begrabner Größen aus ihren Grüften heben. Die alte Lyra, die alte
Rednerbühne, die alte Philosophenschule wird wieder laut und lebendig. Es
entstehen griechische Grammatiker wie die Ivstiwtioues des Theodorus Gaza.
Es folgen Uebersetzungen griechischer Poeten, Rhetoren und Historiker in clas¬
sischem Latein. Der echte Aristoteles beginnt den Aristoteles der Araber aus
den Studirzimmern zu verdrängen. An einigen Hochschulen besteigt die Weis¬
heit Platons die Katheder der Scholastiker. Dichter und Geschichtschreiber bilden
sich an' den antiken Mustern, und Staatsmänner schöpfen aus den neuaufge¬
schlossenen Brunnen neue Ideen, allenthalben tritt eine Lebensphilosophie mit
praktischer Tendenz an die Stelle der seitherigen Schulphilosophie mit ihren
unfruchtbaren Spekulationen über Speculationen. Der Anblick des mächtig
pulsirenden Lebens der classischen Zeiten hebt und adelt die Gemüther der nach-
gebornen und reizt zur Nacheiferung und zum Wiederaufbau solcher Größe und
Schönheit. Ein großer Bund entsteht, der die besten Männer Italiens umfaßt
und sich schwärmerisch den Zweck fest, die Republik Platons mit ihrer Herr¬
schaft der Edelsten einzuführen, und dessen Glieder, was schöner lautet, sich
beinahe durchgehends durch Wahrhaftigkeit und gerechten Sinn über die allge¬
meine Sittenverderbniß erheben, die sonst von der neuen Bildung in Italien
nicht verändert wird. Fast überall weicht die finstre Mönchslehre mit ihrem
Weithaß und ihrer Selbsterniedrigungstheorie einem heiteren, sonnedurchieuchteten
Heidenthum. Die meisten Universitäten Italiens werden aus Klöstern der
Wissenschaft Akademien freier, schöner Weltlichkeit, die allmälig auch die Kirche
erfüllt, wenn anch ohne sie umgestalten zu können. Der Zauber der Poesie
und Weisheit, welchen die wieder zum Leben erwachte Vorzeit ausstrahlt, ist


Lehrstuhl für dos Griechische gegründet, auf welchem Emanuel Chrysoloras
mehre Jahre mit großem Erfolg wirkte. Später folgten ihm andere Griechen,
namentlich Johann Argyropulos, Theodoms Gaza und Bessarion von Trape-
zunt, nach Italien, um in gleicher Weise an verschiedenen Orten — der erste
ebenfalls in Florenz, der zweite vorzüglich in Ferrara und Rom, der dritte,
zur Würde eines Kardinals und päpstlichen Legaten emporgestiegen, in Bologna
— für Weckung der Geister mit der Leuchte althellenischer Dichtung und Wissen¬
schaft thätig zu sein.

Der höhere Unterricht erfuhr durch diese Männer, denen sich bald zahlreiche
Schüler anschlössen, zunächst in engen inselartigen Kreisen, besonders in der Um¬
gebung kunstsinniger und der Wissenschaft wohlwollender Höfe, dann in weiterem
Umfange, eine beinahe vollständige Umgestaltung. Nicht ohne Kämpfe mit den
Anhängern des Herkommens, die recht wohl ahnten, daß ihren Interessen hier
schwere Gefahr drohte, aber von Jahr zu Jahr siegreicher, gewann das neue
Wissen und mit ihm ein neues Dichten und Trachten Boden. Unablässig ging
die Auferstehung der alten Welt vor sich. Fast täglich sehen wir sie glanzvolle
Häupter begrabner Größen aus ihren Grüften heben. Die alte Lyra, die alte
Rednerbühne, die alte Philosophenschule wird wieder laut und lebendig. Es
entstehen griechische Grammatiker wie die Ivstiwtioues des Theodorus Gaza.
Es folgen Uebersetzungen griechischer Poeten, Rhetoren und Historiker in clas¬
sischem Latein. Der echte Aristoteles beginnt den Aristoteles der Araber aus
den Studirzimmern zu verdrängen. An einigen Hochschulen besteigt die Weis¬
heit Platons die Katheder der Scholastiker. Dichter und Geschichtschreiber bilden
sich an' den antiken Mustern, und Staatsmänner schöpfen aus den neuaufge¬
schlossenen Brunnen neue Ideen, allenthalben tritt eine Lebensphilosophie mit
praktischer Tendenz an die Stelle der seitherigen Schulphilosophie mit ihren
unfruchtbaren Spekulationen über Speculationen. Der Anblick des mächtig
pulsirenden Lebens der classischen Zeiten hebt und adelt die Gemüther der nach-
gebornen und reizt zur Nacheiferung und zum Wiederaufbau solcher Größe und
Schönheit. Ein großer Bund entsteht, der die besten Männer Italiens umfaßt
und sich schwärmerisch den Zweck fest, die Republik Platons mit ihrer Herr¬
schaft der Edelsten einzuführen, und dessen Glieder, was schöner lautet, sich
beinahe durchgehends durch Wahrhaftigkeit und gerechten Sinn über die allge¬
meine Sittenverderbniß erheben, die sonst von der neuen Bildung in Italien
nicht verändert wird. Fast überall weicht die finstre Mönchslehre mit ihrem
Weithaß und ihrer Selbsterniedrigungstheorie einem heiteren, sonnedurchieuchteten
Heidenthum. Die meisten Universitäten Italiens werden aus Klöstern der
Wissenschaft Akademien freier, schöner Weltlichkeit, die allmälig auch die Kirche
erfüllt, wenn anch ohne sie umgestalten zu können. Der Zauber der Poesie
und Weisheit, welchen die wieder zum Leben erwachte Vorzeit ausstrahlt, ist


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[0512] Lehrstuhl für dos Griechische gegründet, auf welchem Emanuel Chrysoloras mehre Jahre mit großem Erfolg wirkte. Später folgten ihm andere Griechen, namentlich Johann Argyropulos, Theodoms Gaza und Bessarion von Trape- zunt, nach Italien, um in gleicher Weise an verschiedenen Orten — der erste ebenfalls in Florenz, der zweite vorzüglich in Ferrara und Rom, der dritte, zur Würde eines Kardinals und päpstlichen Legaten emporgestiegen, in Bologna — für Weckung der Geister mit der Leuchte althellenischer Dichtung und Wissen¬ schaft thätig zu sein. Der höhere Unterricht erfuhr durch diese Männer, denen sich bald zahlreiche Schüler anschlössen, zunächst in engen inselartigen Kreisen, besonders in der Um¬ gebung kunstsinniger und der Wissenschaft wohlwollender Höfe, dann in weiterem Umfange, eine beinahe vollständige Umgestaltung. Nicht ohne Kämpfe mit den Anhängern des Herkommens, die recht wohl ahnten, daß ihren Interessen hier schwere Gefahr drohte, aber von Jahr zu Jahr siegreicher, gewann das neue Wissen und mit ihm ein neues Dichten und Trachten Boden. Unablässig ging die Auferstehung der alten Welt vor sich. Fast täglich sehen wir sie glanzvolle Häupter begrabner Größen aus ihren Grüften heben. Die alte Lyra, die alte Rednerbühne, die alte Philosophenschule wird wieder laut und lebendig. Es entstehen griechische Grammatiker wie die Ivstiwtioues des Theodorus Gaza. Es folgen Uebersetzungen griechischer Poeten, Rhetoren und Historiker in clas¬ sischem Latein. Der echte Aristoteles beginnt den Aristoteles der Araber aus den Studirzimmern zu verdrängen. An einigen Hochschulen besteigt die Weis¬ heit Platons die Katheder der Scholastiker. Dichter und Geschichtschreiber bilden sich an' den antiken Mustern, und Staatsmänner schöpfen aus den neuaufge¬ schlossenen Brunnen neue Ideen, allenthalben tritt eine Lebensphilosophie mit praktischer Tendenz an die Stelle der seitherigen Schulphilosophie mit ihren unfruchtbaren Spekulationen über Speculationen. Der Anblick des mächtig pulsirenden Lebens der classischen Zeiten hebt und adelt die Gemüther der nach- gebornen und reizt zur Nacheiferung und zum Wiederaufbau solcher Größe und Schönheit. Ein großer Bund entsteht, der die besten Männer Italiens umfaßt und sich schwärmerisch den Zweck fest, die Republik Platons mit ihrer Herr¬ schaft der Edelsten einzuführen, und dessen Glieder, was schöner lautet, sich beinahe durchgehends durch Wahrhaftigkeit und gerechten Sinn über die allge¬ meine Sittenverderbniß erheben, die sonst von der neuen Bildung in Italien nicht verändert wird. Fast überall weicht die finstre Mönchslehre mit ihrem Weithaß und ihrer Selbsterniedrigungstheorie einem heiteren, sonnedurchieuchteten Heidenthum. Die meisten Universitäten Italiens werden aus Klöstern der Wissenschaft Akademien freier, schöner Weltlichkeit, die allmälig auch die Kirche erfüllt, wenn anch ohne sie umgestalten zu können. Der Zauber der Poesie und Weisheit, welchen die wieder zum Leben erwachte Vorzeit ausstrahlt, ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/512>, abgerufen am 22.12.2024.