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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Dafür, daß seine Sammlung manches Unsaubere enthält, kann er so wenig wie der
Philolog, der den Aristophanes oder den Martial herausgiebt. Sprüchwörter erfindet
man nicht, sondern findet sie, und das Volk geht nun einmal nicht in Glacehand¬
schuhen. Das ist so selbstverständlich, daß es nicht erst des Gutachtens von drei
preußischen Professoren bedurft haben sollte, um dem Buche den Weg in die Oeffent-
lichkeit zu bahnen und den Verfasser von Strafe für ein Unternehmen zu befreien,
für das ihm im Gegentheil eine Belohnung gebührte. Wir wollen in solchen Samm¬
lungen das Volk sehen, wie es wirklich ist. denkt und spricht, nicht wie es sein,
denken und sprechen sollte, und wenn die Polizei sich in solche Angelegenheiten mischt,
so sollte sie sich vorher, nicht nachher von der Wissenschaft sagen lassen, ob das ge¬
rathen ist oder nicht.


Grundriß der Geschichte der Philosophie von or. Johann Eduard
Erdmann. Erster Band. Berlin, 1866. Verlag von Wilhelm Hertz. 623 S. 8.

Giebt namentlich eine gute und mancherlei Neues enthaltende Uebersicht über
die Scholastiker, welche eine recht dankenswerthe Blumenlese mittelalterlicher Philo-
sopheme einschließt. Manche werden es befremdend finden, daß dieser Periode der Ge¬
schichte der Philosophie mehr Raum gewidmet ist, als allen frühern zusammenge¬
nommen (in der That nimmt ihre Darstellung zwei Drittheile des Buchs ein), aber
einmal durfte der Verfasser da, wo er nur sagte, was auch anderwärts zu haben
ist, kurz sein, während er neue Ansichten, wie er sie über mehre Scholastiker aus¬
stellt, zu begründen hatte, dann aber verdient das Wesen der Scholastik, die uns
unsre ganze philosophische Terminologie geschenkt hat und, wie sehr uns ihre Aus¬
artungen zuwider sein mögen, doch eine imposante Denkarbeit repräsentirt, an sich
auch in mehr populären Werken sorgfältigere Darstellung, als ihr in solchen ge¬
wöhnlich zu Theil wird.


Enthüllungen der Geheimnisse der Freimaurerei. Von Rudolph
Backoffner. Berlin, Selbstverlag des Verfassers. 126 S. 8.

Herr B. will uns die geheimen Zeichen und Arbeiten des Freimaurerbundes
erklären und uns eine historische Darstellung des Ursprungs des Vereins und seiner
verschiedenen Systeme geben. Er will endlich eine Apologie gegen die Feinde des¬
selben liefern. Schade, daß er damit zu spät kommt. Die Geheimnisse der Frei¬
maurerei sind für den Kenner der hierher gehörigen Literatur, von welcher der Ver¬
fasser offenbar nur einen sehr kleinen Theil vor sich gehabt hat, schon längst keine
Geheimnisse mehr, auch die Geschichte des Bundes oder, wie Andre wollen, des Or¬
dens, ist schon wiederholt und mit weit mehr Kenntniß und historischem Sinn, als
Herr B. besitzt, behandelt worden. Die Maurerbrüderschaft aber gegen die wahn¬
witzigen Ausfälle Eckardts vertheidigen wollen, ist ein rein überflüssiges Unter¬
nehmen.




Verantwortlicher Redacteur: or. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Her dig. Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

Dafür, daß seine Sammlung manches Unsaubere enthält, kann er so wenig wie der
Philolog, der den Aristophanes oder den Martial herausgiebt. Sprüchwörter erfindet
man nicht, sondern findet sie, und das Volk geht nun einmal nicht in Glacehand¬
schuhen. Das ist so selbstverständlich, daß es nicht erst des Gutachtens von drei
preußischen Professoren bedurft haben sollte, um dem Buche den Weg in die Oeffent-
lichkeit zu bahnen und den Verfasser von Strafe für ein Unternehmen zu befreien,
für das ihm im Gegentheil eine Belohnung gebührte. Wir wollen in solchen Samm¬
lungen das Volk sehen, wie es wirklich ist. denkt und spricht, nicht wie es sein,
denken und sprechen sollte, und wenn die Polizei sich in solche Angelegenheiten mischt,
so sollte sie sich vorher, nicht nachher von der Wissenschaft sagen lassen, ob das ge¬
rathen ist oder nicht.


Grundriß der Geschichte der Philosophie von or. Johann Eduard
Erdmann. Erster Band. Berlin, 1866. Verlag von Wilhelm Hertz. 623 S. 8.

Giebt namentlich eine gute und mancherlei Neues enthaltende Uebersicht über
die Scholastiker, welche eine recht dankenswerthe Blumenlese mittelalterlicher Philo-
sopheme einschließt. Manche werden es befremdend finden, daß dieser Periode der Ge¬
schichte der Philosophie mehr Raum gewidmet ist, als allen frühern zusammenge¬
nommen (in der That nimmt ihre Darstellung zwei Drittheile des Buchs ein), aber
einmal durfte der Verfasser da, wo er nur sagte, was auch anderwärts zu haben
ist, kurz sein, während er neue Ansichten, wie er sie über mehre Scholastiker aus¬
stellt, zu begründen hatte, dann aber verdient das Wesen der Scholastik, die uns
unsre ganze philosophische Terminologie geschenkt hat und, wie sehr uns ihre Aus¬
artungen zuwider sein mögen, doch eine imposante Denkarbeit repräsentirt, an sich
auch in mehr populären Werken sorgfältigere Darstellung, als ihr in solchen ge¬
wöhnlich zu Theil wird.


Enthüllungen der Geheimnisse der Freimaurerei. Von Rudolph
Backoffner. Berlin, Selbstverlag des Verfassers. 126 S. 8.

Herr B. will uns die geheimen Zeichen und Arbeiten des Freimaurerbundes
erklären und uns eine historische Darstellung des Ursprungs des Vereins und seiner
verschiedenen Systeme geben. Er will endlich eine Apologie gegen die Feinde des¬
selben liefern. Schade, daß er damit zu spät kommt. Die Geheimnisse der Frei¬
maurerei sind für den Kenner der hierher gehörigen Literatur, von welcher der Ver¬
fasser offenbar nur einen sehr kleinen Theil vor sich gehabt hat, schon längst keine
Geheimnisse mehr, auch die Geschichte des Bundes oder, wie Andre wollen, des Or¬
dens, ist schon wiederholt und mit weit mehr Kenntniß und historischem Sinn, als
Herr B. besitzt, behandelt worden. Die Maurerbrüderschaft aber gegen die wahn¬
witzigen Ausfälle Eckardts vertheidigen wollen, ist ein rein überflüssiges Unter¬
nehmen.




Verantwortlicher Redacteur: or. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Her dig. Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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[0508] Dafür, daß seine Sammlung manches Unsaubere enthält, kann er so wenig wie der Philolog, der den Aristophanes oder den Martial herausgiebt. Sprüchwörter erfindet man nicht, sondern findet sie, und das Volk geht nun einmal nicht in Glacehand¬ schuhen. Das ist so selbstverständlich, daß es nicht erst des Gutachtens von drei preußischen Professoren bedurft haben sollte, um dem Buche den Weg in die Oeffent- lichkeit zu bahnen und den Verfasser von Strafe für ein Unternehmen zu befreien, für das ihm im Gegentheil eine Belohnung gebührte. Wir wollen in solchen Samm¬ lungen das Volk sehen, wie es wirklich ist. denkt und spricht, nicht wie es sein, denken und sprechen sollte, und wenn die Polizei sich in solche Angelegenheiten mischt, so sollte sie sich vorher, nicht nachher von der Wissenschaft sagen lassen, ob das ge¬ rathen ist oder nicht. Grundriß der Geschichte der Philosophie von or. Johann Eduard Erdmann. Erster Band. Berlin, 1866. Verlag von Wilhelm Hertz. 623 S. 8. Giebt namentlich eine gute und mancherlei Neues enthaltende Uebersicht über die Scholastiker, welche eine recht dankenswerthe Blumenlese mittelalterlicher Philo- sopheme einschließt. Manche werden es befremdend finden, daß dieser Periode der Ge¬ schichte der Philosophie mehr Raum gewidmet ist, als allen frühern zusammenge¬ nommen (in der That nimmt ihre Darstellung zwei Drittheile des Buchs ein), aber einmal durfte der Verfasser da, wo er nur sagte, was auch anderwärts zu haben ist, kurz sein, während er neue Ansichten, wie er sie über mehre Scholastiker aus¬ stellt, zu begründen hatte, dann aber verdient das Wesen der Scholastik, die uns unsre ganze philosophische Terminologie geschenkt hat und, wie sehr uns ihre Aus¬ artungen zuwider sein mögen, doch eine imposante Denkarbeit repräsentirt, an sich auch in mehr populären Werken sorgfältigere Darstellung, als ihr in solchen ge¬ wöhnlich zu Theil wird. Enthüllungen der Geheimnisse der Freimaurerei. Von Rudolph Backoffner. Berlin, Selbstverlag des Verfassers. 126 S. 8. Herr B. will uns die geheimen Zeichen und Arbeiten des Freimaurerbundes erklären und uns eine historische Darstellung des Ursprungs des Vereins und seiner verschiedenen Systeme geben. Er will endlich eine Apologie gegen die Feinde des¬ selben liefern. Schade, daß er damit zu spät kommt. Die Geheimnisse der Frei¬ maurerei sind für den Kenner der hierher gehörigen Literatur, von welcher der Ver¬ fasser offenbar nur einen sehr kleinen Theil vor sich gehabt hat, schon längst keine Geheimnisse mehr, auch die Geschichte des Bundes oder, wie Andre wollen, des Or¬ dens, ist schon wiederholt und mit weit mehr Kenntniß und historischem Sinn, als Herr B. besitzt, behandelt worden. Die Maurerbrüderschaft aber gegen die wahn¬ witzigen Ausfälle Eckardts vertheidigen wollen, ist ein rein überflüssiges Unter¬ nehmen. Verantwortlicher Redacteur: or. Moritz Busch. Verlag von F. L. Her dig. Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/508>, abgerufen am 01.07.2024.