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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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überhaupt in Deutschland, so auch bei uns im Durchschnitt vorhanden ist --
werden unsere Abgeordneten der Verführung vom Ministcrtische widerstehen, wenn
nächstens bei Gelegenheit der Schleswig-holsteinischen Frage vielleicht auch die deutsche
mit cavaliermäßiger Nonchalance in die Debatte gezogen wird? Wird die "Fort¬
schrittspartei" der Versuchung widerstehen, ihren Haß gegen Bismarck aus den
preußischen Staat zu übertragen? Wird die politische Vernunft über die Phraseologie
eines Würzburger Gcfühlsdusels Herr werden? Das sind die Fragen, aus welche
die Antwort nicht lange ausbleiben kann, die -- so sehr geringfügig auch sonst die
Bedeutung der Discussion auswärtiger Fragen in kleinen Kammern sein mag --
diesmal von großer Tragweite ist. Ich werde Ihnen darüber berichten, wenn ich
später einmal Gelegenheit finde, über die Behandlung der wichtigen Gesctzcsvorlagcn,
welche eben jetzt in den Ausschüssen unserer Kammern zur Discussion vorbereitet
werden, meine Betrachtungen anzustellen. Für heute kann ich nicht schließen, ohne
noch einmal der Befürchtung Ausdruck zu geben, daß es nicht nur im Interesse Deutsch¬
lands, sondern in erster Linie Badens übel gethan ist, gegenwärtig die Wege
mittclstaatlicher Ungebühr gegen Preußen einzuschlagen. Sollte man auch in der
Erbprinzenstraße zu Karlsruhe vergessen haben, daß die badische Regierung vor
sechzehn Jahren durch die preußischen Bajonette in ihr Land zurückgeführt worden
ist -- in der Wilhelmsstraße zu Berlin hat man es gewiß nicht vergessen.




Vermischte Literatur.
Preußische Sprüchwörter und volksthümliche Redensarten. Ge¬
sammelt und herausgegeben von H. Frischbier. Zweite vermehrte Auflage.. Berlin.
1865. Verlag von T. C. Fr. Enslin. 322 S. 8.

Der Verfasser hat, von seinen Amtsgenossen (er ist Schullehrer) fleißig unter¬
stützt, eine sehr stattliche Sammlung ost- und westvrcußischer Sprüchwörter und Volks-
redcnsartcn zusammengebracht, die mit ihren 4386 Nummern die verschiedenartigsten
Lebensgebietc umfaßt und für spätere Sammler kaum noch viel übrig lassen dürfte.
Er sucht ferner das zusammengebrachte Material durch Erklärung der einzelnen
Stücke zu bearbeiten, und wenn er mit den historischen Daten, von denen er da"
eine und das andere herkommen läßt, nicht überall das Rechte trifft, so doch größten-
theils. Damit aber hat er uns nicht blos eine Kuriosität geliefert, sondern der
Wissenschaft einen werthvollen Dienst geleistet und namentlich einen alles Dankes
Würdigen Beitrag zur Culturgeschichte der östlichen Provinzen Preußens geschaffen.


überhaupt in Deutschland, so auch bei uns im Durchschnitt vorhanden ist —
werden unsere Abgeordneten der Verführung vom Ministcrtische widerstehen, wenn
nächstens bei Gelegenheit der Schleswig-holsteinischen Frage vielleicht auch die deutsche
mit cavaliermäßiger Nonchalance in die Debatte gezogen wird? Wird die „Fort¬
schrittspartei" der Versuchung widerstehen, ihren Haß gegen Bismarck aus den
preußischen Staat zu übertragen? Wird die politische Vernunft über die Phraseologie
eines Würzburger Gcfühlsdusels Herr werden? Das sind die Fragen, aus welche
die Antwort nicht lange ausbleiben kann, die — so sehr geringfügig auch sonst die
Bedeutung der Discussion auswärtiger Fragen in kleinen Kammern sein mag —
diesmal von großer Tragweite ist. Ich werde Ihnen darüber berichten, wenn ich
später einmal Gelegenheit finde, über die Behandlung der wichtigen Gesctzcsvorlagcn,
welche eben jetzt in den Ausschüssen unserer Kammern zur Discussion vorbereitet
werden, meine Betrachtungen anzustellen. Für heute kann ich nicht schließen, ohne
noch einmal der Befürchtung Ausdruck zu geben, daß es nicht nur im Interesse Deutsch¬
lands, sondern in erster Linie Badens übel gethan ist, gegenwärtig die Wege
mittclstaatlicher Ungebühr gegen Preußen einzuschlagen. Sollte man auch in der
Erbprinzenstraße zu Karlsruhe vergessen haben, daß die badische Regierung vor
sechzehn Jahren durch die preußischen Bajonette in ihr Land zurückgeführt worden
ist — in der Wilhelmsstraße zu Berlin hat man es gewiß nicht vergessen.




Vermischte Literatur.
Preußische Sprüchwörter und volksthümliche Redensarten. Ge¬
sammelt und herausgegeben von H. Frischbier. Zweite vermehrte Auflage.. Berlin.
1865. Verlag von T. C. Fr. Enslin. 322 S. 8.

Der Verfasser hat, von seinen Amtsgenossen (er ist Schullehrer) fleißig unter¬
stützt, eine sehr stattliche Sammlung ost- und westvrcußischer Sprüchwörter und Volks-
redcnsartcn zusammengebracht, die mit ihren 4386 Nummern die verschiedenartigsten
Lebensgebietc umfaßt und für spätere Sammler kaum noch viel übrig lassen dürfte.
Er sucht ferner das zusammengebrachte Material durch Erklärung der einzelnen
Stücke zu bearbeiten, und wenn er mit den historischen Daten, von denen er da«
eine und das andere herkommen läßt, nicht überall das Rechte trifft, so doch größten-
theils. Damit aber hat er uns nicht blos eine Kuriosität geliefert, sondern der
Wissenschaft einen werthvollen Dienst geleistet und namentlich einen alles Dankes
Würdigen Beitrag zur Culturgeschichte der östlichen Provinzen Preußens geschaffen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/507>, abgerufen am 01.07.2024.