Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.stände angehörten. Das schöne Nackte, für dessen Darstellung er so glücklich Grenzboten I. 18S6. SS
stände angehörten. Das schöne Nackte, für dessen Darstellung er so glücklich Grenzboten I. 18S6. SS
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0459" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284929"/> <p xml:id="ID_1488" prev="#ID_1487" next="#ID_1489"> stände angehörten. Das schöne Nackte, für dessen Darstellung er so glücklich<lb/> begabt war, hat er bei ihnen fast durchweg hintansetzen oder aufgeben und<lb/> einer allgemeinen decorativer Compositionswirkung opfern müssen. Auch seine<lb/> spätern Aufträge, deren Ausführung ihn gegenwärtig noch in Anspruch nimmt,<lb/> haben ihn nicht zu jenem Gebiet zurückführen können: das Denkmal für Stein<lb/> und das reich mit Gestalten geschmückte Postament für das Monument Friedrich<lb/> Wilhelm des Dritten in Köln, für welches die Reiterstatue selbst Bläser mo-<lb/> dellirt. Dies war der etwas wunderliche Ausgang jener Concurrenz, deren<lb/> bereits in diesen Aufsätzen mehrfach Erwähnung geschah. Wir müssen den<lb/> künstlerischen Erfolg dieser Entscheidung abwarten und wollen unsre gerecht¬<lb/> fertigten Zweifel an der Möglichkeit, aus solchem Arrangement etwas wirklich<lb/> künstlerisch Einheitliches, durchweg Befriedigendes hervorgehn zu sehn, vorläufig<lb/> vertagen. Seine Leichtigkeit im Erfinden und Componiren. in der glücklichen<lb/> und sinngemäßer Gliederung jedes Gedankengehalts, um dessen plastische Ver¬<lb/> körperung es sich eben handelte, berief ihn von selbst zur Mitbetheiligung an<lb/> all den zahlreichen Concurrenzen um die Ausführung großer öffentlicher Mo¬<lb/> numente, welche uns die letzten fünfzehn Jahre gebracht haben: dem für Beuth<lb/> in Berlin, für Friedrich Wilhelm den Dritten in Breslau, für Schiller in<lb/> Berlin u. a., Bewerbungen, deren Resultat trotz großer Schönheiten, welche<lb/> jeden seiner Entwürfe auszeichneten (mit wahrer Freude gedenke ich noch immer<lb/> besonders seiner Skizze eines Beuthdenkmals 1834) doch schließlich nicht den<lb/> Hoffnungen des Concurrirenden entsprechen sollte. Das Monument für Stein<lb/> ist ihm nicht als Preis solcher Bewerbung, sondern als königlicher Auftrag ge¬<lb/> worden. Ueber ein noch nicht zum Abschluß gebrachtes, so ausgedehntes Kolossal¬<lb/> werk sollte man sich zunächst noch des Urtheils enthalten. Aber was wir von<lb/> dem bereits ziemlich weit vorgerückten gesehen haben, bestätigt doch nur unsre<lb/> Meinung, daß bei dergleichen Arbeiten Schievelbeins Eigenstes und Bestes nicht<lb/> zur vollen Bethätigung gelangen kann. Ein Urmensch wie Stein, voll so ge¬<lb/> waltiger, felsenharter Naturkraft und eckiger Mannesart — wird ihm durch diesen<lb/> feinsinnigen milden Künstlergeist die Auffassung und Gestaltung werden können,<lb/> welche wir für sein ehernes Kolossalbild, das für alle Zeit mitten in der Haupt¬<lb/> stadt des von ihm regenerirten Staates stehen und von des Mannes Wesen<lb/> zeugen soll, wünschen müßten? In dem, was die Gestalt selbst betrifft, bereits<lb/> vollendeten Modell scheint uns aus kleine äußerliche Züge, welche uns von<lb/> dem Dargestellten überliefert sind, ein fast zu großes Gewicht gelegt im Ver¬<lb/> gleich zu seiner wahren geistigen Persönlichkeit. Der Künstler hat ihm z. B.<lb/> einen Stock in die Hand gegeben, und trotzdem lehnt er die Gestalt noch leicht<lb/> an gegen einen Säulensiumps, über welchen er, um des äußerlichen Zweckes<lb/> breiterer Massengewinnung für die untersten Partien der mantellosen Statue</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 18S6. SS</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0459]
stände angehörten. Das schöne Nackte, für dessen Darstellung er so glücklich
begabt war, hat er bei ihnen fast durchweg hintansetzen oder aufgeben und
einer allgemeinen decorativer Compositionswirkung opfern müssen. Auch seine
spätern Aufträge, deren Ausführung ihn gegenwärtig noch in Anspruch nimmt,
haben ihn nicht zu jenem Gebiet zurückführen können: das Denkmal für Stein
und das reich mit Gestalten geschmückte Postament für das Monument Friedrich
Wilhelm des Dritten in Köln, für welches die Reiterstatue selbst Bläser mo-
dellirt. Dies war der etwas wunderliche Ausgang jener Concurrenz, deren
bereits in diesen Aufsätzen mehrfach Erwähnung geschah. Wir müssen den
künstlerischen Erfolg dieser Entscheidung abwarten und wollen unsre gerecht¬
fertigten Zweifel an der Möglichkeit, aus solchem Arrangement etwas wirklich
künstlerisch Einheitliches, durchweg Befriedigendes hervorgehn zu sehn, vorläufig
vertagen. Seine Leichtigkeit im Erfinden und Componiren. in der glücklichen
und sinngemäßer Gliederung jedes Gedankengehalts, um dessen plastische Ver¬
körperung es sich eben handelte, berief ihn von selbst zur Mitbetheiligung an
all den zahlreichen Concurrenzen um die Ausführung großer öffentlicher Mo¬
numente, welche uns die letzten fünfzehn Jahre gebracht haben: dem für Beuth
in Berlin, für Friedrich Wilhelm den Dritten in Breslau, für Schiller in
Berlin u. a., Bewerbungen, deren Resultat trotz großer Schönheiten, welche
jeden seiner Entwürfe auszeichneten (mit wahrer Freude gedenke ich noch immer
besonders seiner Skizze eines Beuthdenkmals 1834) doch schließlich nicht den
Hoffnungen des Concurrirenden entsprechen sollte. Das Monument für Stein
ist ihm nicht als Preis solcher Bewerbung, sondern als königlicher Auftrag ge¬
worden. Ueber ein noch nicht zum Abschluß gebrachtes, so ausgedehntes Kolossal¬
werk sollte man sich zunächst noch des Urtheils enthalten. Aber was wir von
dem bereits ziemlich weit vorgerückten gesehen haben, bestätigt doch nur unsre
Meinung, daß bei dergleichen Arbeiten Schievelbeins Eigenstes und Bestes nicht
zur vollen Bethätigung gelangen kann. Ein Urmensch wie Stein, voll so ge¬
waltiger, felsenharter Naturkraft und eckiger Mannesart — wird ihm durch diesen
feinsinnigen milden Künstlergeist die Auffassung und Gestaltung werden können,
welche wir für sein ehernes Kolossalbild, das für alle Zeit mitten in der Haupt¬
stadt des von ihm regenerirten Staates stehen und von des Mannes Wesen
zeugen soll, wünschen müßten? In dem, was die Gestalt selbst betrifft, bereits
vollendeten Modell scheint uns aus kleine äußerliche Züge, welche uns von
dem Dargestellten überliefert sind, ein fast zu großes Gewicht gelegt im Ver¬
gleich zu seiner wahren geistigen Persönlichkeit. Der Künstler hat ihm z. B.
einen Stock in die Hand gegeben, und trotzdem lehnt er die Gestalt noch leicht
an gegen einen Säulensiumps, über welchen er, um des äußerlichen Zweckes
breiterer Massengewinnung für die untersten Partien der mantellosen Statue
Grenzboten I. 18S6. SS
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