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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Engel ankämpfen. Ist dasselbe vollbracht, so weiden die himmlischen Boten
unter den Maori als Lehrer wirken und sie in allen Künsten unterrichten,
welche die Weißen auszeichnen. Der Sieg kann aber nicht eher erfochten werden,
als bis der Kopf Lloyds seinen Rundgang durch das ganze Land gemacht hat.

Diese furchtbare Lehre verbreitete sich rasch nach verschiedenen Seiten und
trug wesentlich bei, den Krieg zu einem grausamen Vertilgungskampf zu machen.
Die Missionäre sahen sich fast überall schnell und gründlich enttäuscht, wenn
sie sich auf ihre Zöglinge verlassen zu können meinten. Ueberall fielen die
braunen Christen, die den Katechismus und die Bibel so gut auswendig konnten,
in Masse den Aposteln des Pai Marire zu, der neue Glaube wirkte wie eine
ansteckende Blatternepidemie trotz geschehener Impfung, und die weißen Geist¬
lichen hatten von Glück zu sagen, wenn man sie nicht umbrachte, ihr Blut trank
und ihre Köpfe räucherte. An der Povertybai erklärten die Eingebornen dem
Bischof Williams, bei ihnen solle die neue Lehre keine Stätte finden, aber keine
Woche Verging, so waren fast drei Biertheile dieser Getreuen zum Pai Marire
übergetreten, der Bischof mußte flüchten, und mit ihm entfernten sich alle andern
weißen Bewohner der Gegend.

Aehnlich erging es denen in Wangawa und beinahe allen Kolonisten der
Ostküste der' nördlichen Insel. In Opotiki wurde der lutherische Geistliche
Bölkner. ein Deutscher, Anfang März 1865 auf gräßliche Weise ermordet.
Während er verreist gewesen, um seine Frau nach Auckland in Sicherheit z"
bringen, waren Hauhaus von Taranaki erschienen, hatten die Christen von
Opotiki gewonnen, den katholischen Missionär Grange vertrieben, und waren
dann in Völkners Haus gegangen, um es auszuplündern. Als Vollmer zurück¬
kehrte, wurde er mit seinen Begleitern ergriffen und in Gewahrsam gebracht.
Am folgenden Morgen entkleidete man ihn und henkte ihn an einen Baum,
wobei ein Priester der Hauhaus, Kerkopa, Henkersdienste verrichtete. Die
"Christen" des Orts rührten keine Hand, um ihrem geistlichen Freunde zu
helfen. Dem unglücklichen Manne wurde, nachdem er todt, der Kopf abge¬
schnitten, worauf man das Gehirn und die Augen herausnahm und beides
verzehrte. Männer, Weiber und Kinder drängten sich herzu, das Blut auszu¬
lecken. Am S. März hielten die Fanatiker in der katholischen Kapelle des Ortes
eine Art Gottesdienst, wobei der Kopf des Missionärs zur Schau gestellt war.
Die Begleiter desselben auf seiner Fahrt nach der Unglücksstätte von Opotiki,
el" Schiffscapitän Levy und der Missionär Grace, wurden verschont, jener,
weil er ein Jude war und die Anhänger des Pai Marire Werth darauf legen,
mit dem auserwählten Volke Jehovas gut zu stehen, dieser, weil man ihn gegen
den von den Engländern gefangen genommenen Mavrihäuptling und Hauhau¬
priester Hom Tuvaca auszuwechseln gedachte.

Jetzt scheint der Krieg sich seinem Ende zu nähern, nachdem die Regierung


Engel ankämpfen. Ist dasselbe vollbracht, so weiden die himmlischen Boten
unter den Maori als Lehrer wirken und sie in allen Künsten unterrichten,
welche die Weißen auszeichnen. Der Sieg kann aber nicht eher erfochten werden,
als bis der Kopf Lloyds seinen Rundgang durch das ganze Land gemacht hat.

Diese furchtbare Lehre verbreitete sich rasch nach verschiedenen Seiten und
trug wesentlich bei, den Krieg zu einem grausamen Vertilgungskampf zu machen.
Die Missionäre sahen sich fast überall schnell und gründlich enttäuscht, wenn
sie sich auf ihre Zöglinge verlassen zu können meinten. Ueberall fielen die
braunen Christen, die den Katechismus und die Bibel so gut auswendig konnten,
in Masse den Aposteln des Pai Marire zu, der neue Glaube wirkte wie eine
ansteckende Blatternepidemie trotz geschehener Impfung, und die weißen Geist¬
lichen hatten von Glück zu sagen, wenn man sie nicht umbrachte, ihr Blut trank
und ihre Köpfe räucherte. An der Povertybai erklärten die Eingebornen dem
Bischof Williams, bei ihnen solle die neue Lehre keine Stätte finden, aber keine
Woche Verging, so waren fast drei Biertheile dieser Getreuen zum Pai Marire
übergetreten, der Bischof mußte flüchten, und mit ihm entfernten sich alle andern
weißen Bewohner der Gegend.

Aehnlich erging es denen in Wangawa und beinahe allen Kolonisten der
Ostküste der' nördlichen Insel. In Opotiki wurde der lutherische Geistliche
Bölkner. ein Deutscher, Anfang März 1865 auf gräßliche Weise ermordet.
Während er verreist gewesen, um seine Frau nach Auckland in Sicherheit z»
bringen, waren Hauhaus von Taranaki erschienen, hatten die Christen von
Opotiki gewonnen, den katholischen Missionär Grange vertrieben, und waren
dann in Völkners Haus gegangen, um es auszuplündern. Als Vollmer zurück¬
kehrte, wurde er mit seinen Begleitern ergriffen und in Gewahrsam gebracht.
Am folgenden Morgen entkleidete man ihn und henkte ihn an einen Baum,
wobei ein Priester der Hauhaus, Kerkopa, Henkersdienste verrichtete. Die
„Christen" des Orts rührten keine Hand, um ihrem geistlichen Freunde zu
helfen. Dem unglücklichen Manne wurde, nachdem er todt, der Kopf abge¬
schnitten, worauf man das Gehirn und die Augen herausnahm und beides
verzehrte. Männer, Weiber und Kinder drängten sich herzu, das Blut auszu¬
lecken. Am S. März hielten die Fanatiker in der katholischen Kapelle des Ortes
eine Art Gottesdienst, wobei der Kopf des Missionärs zur Schau gestellt war.
Die Begleiter desselben auf seiner Fahrt nach der Unglücksstätte von Opotiki,
el» Schiffscapitän Levy und der Missionär Grace, wurden verschont, jener,
weil er ein Jude war und die Anhänger des Pai Marire Werth darauf legen,
mit dem auserwählten Volke Jehovas gut zu stehen, dieser, weil man ihn gegen
den von den Engländern gefangen genommenen Mavrihäuptling und Hauhau¬
priester Hom Tuvaca auszuwechseln gedachte.

Jetzt scheint der Krieg sich seinem Ende zu nähern, nachdem die Regierung


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[0454] Engel ankämpfen. Ist dasselbe vollbracht, so weiden die himmlischen Boten unter den Maori als Lehrer wirken und sie in allen Künsten unterrichten, welche die Weißen auszeichnen. Der Sieg kann aber nicht eher erfochten werden, als bis der Kopf Lloyds seinen Rundgang durch das ganze Land gemacht hat. Diese furchtbare Lehre verbreitete sich rasch nach verschiedenen Seiten und trug wesentlich bei, den Krieg zu einem grausamen Vertilgungskampf zu machen. Die Missionäre sahen sich fast überall schnell und gründlich enttäuscht, wenn sie sich auf ihre Zöglinge verlassen zu können meinten. Ueberall fielen die braunen Christen, die den Katechismus und die Bibel so gut auswendig konnten, in Masse den Aposteln des Pai Marire zu, der neue Glaube wirkte wie eine ansteckende Blatternepidemie trotz geschehener Impfung, und die weißen Geist¬ lichen hatten von Glück zu sagen, wenn man sie nicht umbrachte, ihr Blut trank und ihre Köpfe räucherte. An der Povertybai erklärten die Eingebornen dem Bischof Williams, bei ihnen solle die neue Lehre keine Stätte finden, aber keine Woche Verging, so waren fast drei Biertheile dieser Getreuen zum Pai Marire übergetreten, der Bischof mußte flüchten, und mit ihm entfernten sich alle andern weißen Bewohner der Gegend. Aehnlich erging es denen in Wangawa und beinahe allen Kolonisten der Ostküste der' nördlichen Insel. In Opotiki wurde der lutherische Geistliche Bölkner. ein Deutscher, Anfang März 1865 auf gräßliche Weise ermordet. Während er verreist gewesen, um seine Frau nach Auckland in Sicherheit z» bringen, waren Hauhaus von Taranaki erschienen, hatten die Christen von Opotiki gewonnen, den katholischen Missionär Grange vertrieben, und waren dann in Völkners Haus gegangen, um es auszuplündern. Als Vollmer zurück¬ kehrte, wurde er mit seinen Begleitern ergriffen und in Gewahrsam gebracht. Am folgenden Morgen entkleidete man ihn und henkte ihn an einen Baum, wobei ein Priester der Hauhaus, Kerkopa, Henkersdienste verrichtete. Die „Christen" des Orts rührten keine Hand, um ihrem geistlichen Freunde zu helfen. Dem unglücklichen Manne wurde, nachdem er todt, der Kopf abge¬ schnitten, worauf man das Gehirn und die Augen herausnahm und beides verzehrte. Männer, Weiber und Kinder drängten sich herzu, das Blut auszu¬ lecken. Am S. März hielten die Fanatiker in der katholischen Kapelle des Ortes eine Art Gottesdienst, wobei der Kopf des Missionärs zur Schau gestellt war. Die Begleiter desselben auf seiner Fahrt nach der Unglücksstätte von Opotiki, el» Schiffscapitän Levy und der Missionär Grace, wurden verschont, jener, weil er ein Jude war und die Anhänger des Pai Marire Werth darauf legen, mit dem auserwählten Volke Jehovas gut zu stehen, dieser, weil man ihn gegen den von den Engländern gefangen genommenen Mavrihäuptling und Hauhau¬ priester Hom Tuvaca auszuwechseln gedachte. Jetzt scheint der Krieg sich seinem Ende zu nähern, nachdem die Regierung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/454>, abgerufen am 01.07.2024.