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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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erscheinen. Dergleichen Flüchtigkeiten machen natürlich gegen alle seine Angaben
mißtrauisch, wo er nicht durch Verweisung auf seine Quelle uns die Mittel
zur Controle bietet.

Noch andere Fehler aufzuführen würde Raumverschwendung sein und ist
auch überflüssig. Doch darf eine besondere Unart nicht ungeiügt bleiben, die
darin besteht, daß Rost oft seine Erklärung, wenn sie durch ein oder wenige
Worte auszudrücken war, in Klammern mitten in den Text der Briefe hinein¬
setzt und dieselben dadurch verunstaltet. Es ist unbegreiflich, daß er es über
sich gewinnen konnte, den "elektrischen Strom" fortwährend dadurch zu unter¬
brechen, daß er uns im besten Eindrucke von Beethovens Worten über seine
eignen stolpern läßt.

Herr Rost hat die Briefe chronologisch zu ordnen versucht. Bei den da-
tirten Briefen machte sich das von selbst; bei den undatirten ist zuweilen das
annähernd Richtige getroffen; anderswo zeigt sich völlige Willkür und Unsicher¬
heit, und letztere war ja auch unvermeidlich bei den vielen Zetteln, deren Inhalt
nicht den geringsten Anhalt bot. So sind die Briefe an Collin (44). an
Gleichenstein (4S), an Hammer-Purgstall (59) u. a. ganz willkürlich so gestellt,
wie sie stehen, oder auf ganz vage Vermuthungen hin. -- Wie es ferner möglich
sei, daß zwei Briefe an Nies auf dasselbe Datum (S. Sept. 1823) fallen sollen,
hat er auch unterlassen zu erklären. Da diese Verwirrung nickt vermieden
werden konnte, so hätte eine chronologische Anordnung nicht versucht wer¬
den müssen; die Briefe waren vielmehr nach Gruppen von Personen zu ordnen,
wobei sich die Art des Verhältnisses zu den einzelnen Personen auch deutlicher
hätte verfolgen lassen. -- Die drei großen Abtheilungen: "Lebens Freud und
Leid" (1783--1815), "Lebens Aufgaben" (1815--1823). "Lebens Müh und
Ende" 1823--1827) sind so verkehrt wie in sich abgeschmackt. Wer Beethovens
Leben kennt, wird die Aufgaben desselben nicht erst mit 1815 beginnen und
nicht 1823 einen besonderen Abschnitt desselben statuiren.

Aeußerlich störend ist noch, daß nicht gleichmäßig jeder Brief seine Ueber-
schrift hat. Man sieht gar keinen Grund zu dieser Unordnung, ausgenommen
die Eile der Redaction.

^ Es bedarf keines Wortes, wie wenig empfehlend alle die gerügten Uebel¬
stande für einen Mann sind, der eine Biographie Beethovens begonnen hat.

Der Briefsammlung ist ein Namen- und Sachregister beigegeben, wie es
^eint zur Erleichterung des Nachschlagens, doch nicht ganz so unschuldig, wie
^ den Anschein hat. Die einzelnen Namen gestalten sich unvermerkt zu kleinen
Biographien, ohne neue Mittheilungen. . aber völlig modisch gefärbt. Da wird
B. Carl Holz "ein etwas lockerer wiener Zeiserl" genannt, "der mit seiner
Richten Lebensanschauung sogar, den ernsten Beethoven zeitweise ansteckte und
beherrschte" (?!). Und Marx erhält Von ihm das Lob "daß er bis zum heu-


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erscheinen. Dergleichen Flüchtigkeiten machen natürlich gegen alle seine Angaben
mißtrauisch, wo er nicht durch Verweisung auf seine Quelle uns die Mittel
zur Controle bietet.

Noch andere Fehler aufzuführen würde Raumverschwendung sein und ist
auch überflüssig. Doch darf eine besondere Unart nicht ungeiügt bleiben, die
darin besteht, daß Rost oft seine Erklärung, wenn sie durch ein oder wenige
Worte auszudrücken war, in Klammern mitten in den Text der Briefe hinein¬
setzt und dieselben dadurch verunstaltet. Es ist unbegreiflich, daß er es über
sich gewinnen konnte, den „elektrischen Strom" fortwährend dadurch zu unter¬
brechen, daß er uns im besten Eindrucke von Beethovens Worten über seine
eignen stolpern läßt.

Herr Rost hat die Briefe chronologisch zu ordnen versucht. Bei den da-
tirten Briefen machte sich das von selbst; bei den undatirten ist zuweilen das
annähernd Richtige getroffen; anderswo zeigt sich völlige Willkür und Unsicher¬
heit, und letztere war ja auch unvermeidlich bei den vielen Zetteln, deren Inhalt
nicht den geringsten Anhalt bot. So sind die Briefe an Collin (44). an
Gleichenstein (4S), an Hammer-Purgstall (59) u. a. ganz willkürlich so gestellt,
wie sie stehen, oder auf ganz vage Vermuthungen hin. — Wie es ferner möglich
sei, daß zwei Briefe an Nies auf dasselbe Datum (S. Sept. 1823) fallen sollen,
hat er auch unterlassen zu erklären. Da diese Verwirrung nickt vermieden
werden konnte, so hätte eine chronologische Anordnung nicht versucht wer¬
den müssen; die Briefe waren vielmehr nach Gruppen von Personen zu ordnen,
wobei sich die Art des Verhältnisses zu den einzelnen Personen auch deutlicher
hätte verfolgen lassen. — Die drei großen Abtheilungen: „Lebens Freud und
Leid" (1783—1815), „Lebens Aufgaben" (1815—1823). „Lebens Müh und
Ende" 1823—1827) sind so verkehrt wie in sich abgeschmackt. Wer Beethovens
Leben kennt, wird die Aufgaben desselben nicht erst mit 1815 beginnen und
nicht 1823 einen besonderen Abschnitt desselben statuiren.

Aeußerlich störend ist noch, daß nicht gleichmäßig jeder Brief seine Ueber-
schrift hat. Man sieht gar keinen Grund zu dieser Unordnung, ausgenommen
die Eile der Redaction.

^ Es bedarf keines Wortes, wie wenig empfehlend alle die gerügten Uebel¬
stande für einen Mann sind, der eine Biographie Beethovens begonnen hat.

Der Briefsammlung ist ein Namen- und Sachregister beigegeben, wie es
^eint zur Erleichterung des Nachschlagens, doch nicht ganz so unschuldig, wie
^ den Anschein hat. Die einzelnen Namen gestalten sich unvermerkt zu kleinen
Biographien, ohne neue Mittheilungen. . aber völlig modisch gefärbt. Da wird
B. Carl Holz „ein etwas lockerer wiener Zeiserl" genannt, „der mit seiner
Richten Lebensanschauung sogar, den ernsten Beethoven zeitweise ansteckte und
beherrschte" (?!). Und Marx erhält Von ihm das Lob „daß er bis zum heu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/395>, abgerufen am 22.12.2024.