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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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auf die es bei Erlernung des Französischen ankomme, so lautete der Titel seiner
Jnaugural-Dissertation: of aeeusativo eum mtmitivo.

Da führte der gute Erfolg eines auf mehrfache Aufforderung unter¬
nommenen Kollegiums über Weltgeschichte, sowie ein interessantes Gespräch mit
dem berühmten Carnot, das ihn zu Vorlesungen über Revolutionsgeschichte
veranlaßte, die Richtung auf das Historische herbei. Charakteristisch für jene
Zeit, in welcher literarische Fehden zu den beliebtesten Schauspielen in der
wissenschaftlichen Welt gehörten, ist dann Wachsmuths eigene Erzählung von
der Entstehung seines ersten historischen Buches. Darnach trieb ihn der Rath
eines Freundes zu einem "Wagestück"; "ich müsse, sprach er, mich gegen eine
Notabilität versuchen; wenn gut ausgeführt, werde das guten Effect machen --
schreiben Sie gegen Niebuhr". Wachsmuth gab darauf sein Werk über die
ältere Geschichte Roms heraus. Es war dies der erste umfänglichere Angriff
gegen Niebuhrs großartiges Unternehmen, das ganze bisherige Gebäude von
Roms alter Geschichte als unhaltbar abzubrechen, um dann aus Einem Gedanken
heraus, mit dem brauchbar befundenen Theile der Werkstücke, einen neuen, fest-
geschlossenen Bau aufzuführen. Der Angriff Wachsmuths geschieht wesentlich
zur Wahrung des Ueberlieferten gegen Niebuhrs weitgehende Negationen; frei¬
lich waren dann aber doch die letzteren viel zu gewichtig und bedeutsam, als
daß nicht auch der wissenschaftliche Conservatismus den Stoff, den es zu ver¬
theidigen galt, einer neuen Sichtung zu unterwerfen, Manches daran neu zu
gestalten, Vieles ganz aufzugeben oder doch umzudeuten genöthigt gewesen wäre.
Nach den ungeheuren Fortschritten, welche in neuerer Zeit Kritik und genetische
Erklärung der Sage überhaupt gemacht haben, will natürlich das Buch Wachs-
Muths mit einem anderen Maßstabe gemessen sein, als welchen wir heutzutage
an derartige Untersuchungen zu legen Pflegen; zu seiner Zeit nahm es in der
Menge der durch Niebuhr hervorgerufenen Schriften eine ehrenvolle Stelle ein
Und schaffte dem Verfasser einen Ruf nach der Universität Kiel.

Auch dieser Ruf aber ging noch nicht aus eine Professur der Geschichte,
sondern der alten Literatur. Nur mühsam vermochte sich anfangs Wachsmuth
in die holsteinischen Verhältnisse und in die schwer zugängliche Weise der dortigen
Bevölkerung zu finden, für deren Abschließung gegen Dänemark man sich in
Deutschland noch nicht hatte interessiren lernen, so daß nur die Abgeschlossenheit
gegen Deutschland unangenehm ins Auge siel. Allmälig aber fand er Freunde,
Anerkennung und für seine Wirksamkeit Gedeihen. Auch zu Kopenhagen konnten
sich damals, wo die zwischen Dänemark und den Herzogthümern schwebenden
Fragen nur erst vereinzelte Verstimmungen hervorgerufen hatten, freundliche Be¬
gehungen anknüpfen, und von dem dortigen Hofe hatte Wachsmuth manche
Gunst zu erfahren. Zur Sammlung von Materialien für die von ihm beab¬
sichtigte hellenische Alterthumskunde wurde er mit einem Reisestipendium versehn.


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auf die es bei Erlernung des Französischen ankomme, so lautete der Titel seiner
Jnaugural-Dissertation: of aeeusativo eum mtmitivo.

Da führte der gute Erfolg eines auf mehrfache Aufforderung unter¬
nommenen Kollegiums über Weltgeschichte, sowie ein interessantes Gespräch mit
dem berühmten Carnot, das ihn zu Vorlesungen über Revolutionsgeschichte
veranlaßte, die Richtung auf das Historische herbei. Charakteristisch für jene
Zeit, in welcher literarische Fehden zu den beliebtesten Schauspielen in der
wissenschaftlichen Welt gehörten, ist dann Wachsmuths eigene Erzählung von
der Entstehung seines ersten historischen Buches. Darnach trieb ihn der Rath
eines Freundes zu einem „Wagestück"; „ich müsse, sprach er, mich gegen eine
Notabilität versuchen; wenn gut ausgeführt, werde das guten Effect machen —
schreiben Sie gegen Niebuhr". Wachsmuth gab darauf sein Werk über die
ältere Geschichte Roms heraus. Es war dies der erste umfänglichere Angriff
gegen Niebuhrs großartiges Unternehmen, das ganze bisherige Gebäude von
Roms alter Geschichte als unhaltbar abzubrechen, um dann aus Einem Gedanken
heraus, mit dem brauchbar befundenen Theile der Werkstücke, einen neuen, fest-
geschlossenen Bau aufzuführen. Der Angriff Wachsmuths geschieht wesentlich
zur Wahrung des Ueberlieferten gegen Niebuhrs weitgehende Negationen; frei¬
lich waren dann aber doch die letzteren viel zu gewichtig und bedeutsam, als
daß nicht auch der wissenschaftliche Conservatismus den Stoff, den es zu ver¬
theidigen galt, einer neuen Sichtung zu unterwerfen, Manches daran neu zu
gestalten, Vieles ganz aufzugeben oder doch umzudeuten genöthigt gewesen wäre.
Nach den ungeheuren Fortschritten, welche in neuerer Zeit Kritik und genetische
Erklärung der Sage überhaupt gemacht haben, will natürlich das Buch Wachs-
Muths mit einem anderen Maßstabe gemessen sein, als welchen wir heutzutage
an derartige Untersuchungen zu legen Pflegen; zu seiner Zeit nahm es in der
Menge der durch Niebuhr hervorgerufenen Schriften eine ehrenvolle Stelle ein
Und schaffte dem Verfasser einen Ruf nach der Universität Kiel.

Auch dieser Ruf aber ging noch nicht aus eine Professur der Geschichte,
sondern der alten Literatur. Nur mühsam vermochte sich anfangs Wachsmuth
in die holsteinischen Verhältnisse und in die schwer zugängliche Weise der dortigen
Bevölkerung zu finden, für deren Abschließung gegen Dänemark man sich in
Deutschland noch nicht hatte interessiren lernen, so daß nur die Abgeschlossenheit
gegen Deutschland unangenehm ins Auge siel. Allmälig aber fand er Freunde,
Anerkennung und für seine Wirksamkeit Gedeihen. Auch zu Kopenhagen konnten
sich damals, wo die zwischen Dänemark und den Herzogthümern schwebenden
Fragen nur erst vereinzelte Verstimmungen hervorgerufen hatten, freundliche Be¬
gehungen anknüpfen, und von dem dortigen Hofe hatte Wachsmuth manche
Gunst zu erfahren. Zur Sammlung von Materialien für die von ihm beab¬
sichtigte hellenische Alterthumskunde wurde er mit einem Reisestipendium versehn.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/361>, abgerufen am 26.06.2024.