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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Sich feindlich mit dem Freunde schlagen,
Das thut kein wackrer deutscher Mann,
Hat nie in jenen deutscher" Tagen
Ein tapfrer Heldensohn gethan;
Für Vaterland und eignen Heerd
Und Unschuld blitzt das deutsche Schwert.
Wohlan, ihr deutschen Blutes Erben,
Wohlan --- gelobt mit Mund und Hand,
Den Degen nimmermehr zu färben
Als fürs gekränkte Vaterland.
Wer anders thut, der fliehe sort
Und rücke nicht an deutschem Ort."

Wir sind zu Ende mit unsern Auszügen. Der Dichter dieser Gruppe von
großentheils prononcirt politischen Liedern ist ein Holsteiner. Die derselben in
unserm Commersbuch unmittelbar vorausgehenden Gesänge haben gleichfalls
norddeutsche zu Verfassern. Dennoch richten sich ihre Blicke nach Oestreich, ja
wenn man bedenkt, daß sie in der Zeit des bayerischen Erbfolgekriegs geschrieben
find, so muß man in der Lobpreisung Josephs, der sehr unmotivirt auch zum Helden
gestempelt wird, und dem Schweigen über Friedrich den Großen eine indirecte,
in Sätzen wie "Lieben so wie Joseph thut, nach deutschen Blut nicht dürsten"
und "Gut sein ist viel gethan, erobern ist nur wenig" eine ziemlich offen her¬
vortretende directe Abneigung gegen Preußen erkennen. Die Ursache davon ist
leicht gefunden. Sie liegt in dem damals wieder erwachenden, von Klopstock
vorzüglich geweckten, aber noch sehr traumhaften Gefühl der Einheit aller
Deutschen, welche poetische Bisionäre in dem der Wirklichkeit nach nur noch
nominell existirenden Reiche und seinem Kaiser verwirklicht sahen; sodann aber
darin, daß der Despotismus Josephs ein aufgeklärter, den Tendenzen der Zeit
verwandter war, und daß infolge dessen die aufgeklärte Welt über der Licht-
freundlichkeit des Kaisers seine Gewaltthätigkeit und seine letzten und eigent¬
lichen Zwecke vergaß.

Die Reform der Studentenwelt, die in der Liedersammlung auftritt, ließ
auch anderwärts sich deutlich vernehmen, wie Embryonen von^Reformgedanken
sich überhaupt in allen Ständen regten. Es ging etwas von dem Geiste, der
später auf der Wartburg den Zopf verbrannte, ein Vorschatten der Burschen¬
schaft durch die Universitäten. Derselbe luxuriöse, oft sinnlose Gebrauch der
Worte Freiheit und Vaterland, dieselbe unhistorische Auffassung der deutschen
Vergangenheit und Gegenwart, derselbe berserkerhafte Franzosenhaß und dieselbe
Gefühlsseligkeit, die sich mit Hoffnungen über Hindernisse hinweghilft; aber
doch hier wie dort immerhin ein Fortschritt gegen frühere Zustände.

Die Freiheitskriege haben weiter geholfen, die Julirevolution, das Jahr
1848, der letzte dänische Krieg noch viel weiter. Noch regiert vielfach die Phrase,


Sich feindlich mit dem Freunde schlagen,
Das thut kein wackrer deutscher Mann,
Hat nie in jenen deutscher« Tagen
Ein tapfrer Heldensohn gethan;
Für Vaterland und eignen Heerd
Und Unschuld blitzt das deutsche Schwert.
Wohlan, ihr deutschen Blutes Erben,
Wohlan —- gelobt mit Mund und Hand,
Den Degen nimmermehr zu färben
Als fürs gekränkte Vaterland.
Wer anders thut, der fliehe sort
Und rücke nicht an deutschem Ort."

Wir sind zu Ende mit unsern Auszügen. Der Dichter dieser Gruppe von
großentheils prononcirt politischen Liedern ist ein Holsteiner. Die derselben in
unserm Commersbuch unmittelbar vorausgehenden Gesänge haben gleichfalls
norddeutsche zu Verfassern. Dennoch richten sich ihre Blicke nach Oestreich, ja
wenn man bedenkt, daß sie in der Zeit des bayerischen Erbfolgekriegs geschrieben
find, so muß man in der Lobpreisung Josephs, der sehr unmotivirt auch zum Helden
gestempelt wird, und dem Schweigen über Friedrich den Großen eine indirecte,
in Sätzen wie „Lieben so wie Joseph thut, nach deutschen Blut nicht dürsten"
und „Gut sein ist viel gethan, erobern ist nur wenig" eine ziemlich offen her¬
vortretende directe Abneigung gegen Preußen erkennen. Die Ursache davon ist
leicht gefunden. Sie liegt in dem damals wieder erwachenden, von Klopstock
vorzüglich geweckten, aber noch sehr traumhaften Gefühl der Einheit aller
Deutschen, welche poetische Bisionäre in dem der Wirklichkeit nach nur noch
nominell existirenden Reiche und seinem Kaiser verwirklicht sahen; sodann aber
darin, daß der Despotismus Josephs ein aufgeklärter, den Tendenzen der Zeit
verwandter war, und daß infolge dessen die aufgeklärte Welt über der Licht-
freundlichkeit des Kaisers seine Gewaltthätigkeit und seine letzten und eigent¬
lichen Zwecke vergaß.

Die Reform der Studentenwelt, die in der Liedersammlung auftritt, ließ
auch anderwärts sich deutlich vernehmen, wie Embryonen von^Reformgedanken
sich überhaupt in allen Ständen regten. Es ging etwas von dem Geiste, der
später auf der Wartburg den Zopf verbrannte, ein Vorschatten der Burschen¬
schaft durch die Universitäten. Derselbe luxuriöse, oft sinnlose Gebrauch der
Worte Freiheit und Vaterland, dieselbe unhistorische Auffassung der deutschen
Vergangenheit und Gegenwart, derselbe berserkerhafte Franzosenhaß und dieselbe
Gefühlsseligkeit, die sich mit Hoffnungen über Hindernisse hinweghilft; aber
doch hier wie dort immerhin ein Fortschritt gegen frühere Zustände.

Die Freiheitskriege haben weiter geholfen, die Julirevolution, das Jahr
1848, der letzte dänische Krieg noch viel weiter. Noch regiert vielfach die Phrase,


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[0326] Sich feindlich mit dem Freunde schlagen, Das thut kein wackrer deutscher Mann, Hat nie in jenen deutscher« Tagen Ein tapfrer Heldensohn gethan; Für Vaterland und eignen Heerd Und Unschuld blitzt das deutsche Schwert. Wohlan, ihr deutschen Blutes Erben, Wohlan —- gelobt mit Mund und Hand, Den Degen nimmermehr zu färben Als fürs gekränkte Vaterland. Wer anders thut, der fliehe sort Und rücke nicht an deutschem Ort." Wir sind zu Ende mit unsern Auszügen. Der Dichter dieser Gruppe von großentheils prononcirt politischen Liedern ist ein Holsteiner. Die derselben in unserm Commersbuch unmittelbar vorausgehenden Gesänge haben gleichfalls norddeutsche zu Verfassern. Dennoch richten sich ihre Blicke nach Oestreich, ja wenn man bedenkt, daß sie in der Zeit des bayerischen Erbfolgekriegs geschrieben find, so muß man in der Lobpreisung Josephs, der sehr unmotivirt auch zum Helden gestempelt wird, und dem Schweigen über Friedrich den Großen eine indirecte, in Sätzen wie „Lieben so wie Joseph thut, nach deutschen Blut nicht dürsten" und „Gut sein ist viel gethan, erobern ist nur wenig" eine ziemlich offen her¬ vortretende directe Abneigung gegen Preußen erkennen. Die Ursache davon ist leicht gefunden. Sie liegt in dem damals wieder erwachenden, von Klopstock vorzüglich geweckten, aber noch sehr traumhaften Gefühl der Einheit aller Deutschen, welche poetische Bisionäre in dem der Wirklichkeit nach nur noch nominell existirenden Reiche und seinem Kaiser verwirklicht sahen; sodann aber darin, daß der Despotismus Josephs ein aufgeklärter, den Tendenzen der Zeit verwandter war, und daß infolge dessen die aufgeklärte Welt über der Licht- freundlichkeit des Kaisers seine Gewaltthätigkeit und seine letzten und eigent¬ lichen Zwecke vergaß. Die Reform der Studentenwelt, die in der Liedersammlung auftritt, ließ auch anderwärts sich deutlich vernehmen, wie Embryonen von^Reformgedanken sich überhaupt in allen Ständen regten. Es ging etwas von dem Geiste, der später auf der Wartburg den Zopf verbrannte, ein Vorschatten der Burschen¬ schaft durch die Universitäten. Derselbe luxuriöse, oft sinnlose Gebrauch der Worte Freiheit und Vaterland, dieselbe unhistorische Auffassung der deutschen Vergangenheit und Gegenwart, derselbe berserkerhafte Franzosenhaß und dieselbe Gefühlsseligkeit, die sich mit Hoffnungen über Hindernisse hinweghilft; aber doch hier wie dort immerhin ein Fortschritt gegen frühere Zustände. Die Freiheitskriege haben weiter geholfen, die Julirevolution, das Jahr 1848, der letzte dänische Krieg noch viel weiter. Noch regiert vielfach die Phrase,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/326>, abgerufen am 22.12.2024.