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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Eine Freskocomposttion Ludwig Richters.

Während wir der Oelmalerei jeden Stoff und jede Vortragsweise frei¬
geben, verbindet sich uns mit der Bezeichnung "al treseo" ganz von selbst die
Borstellung von monumentalen Gehalt und monumentalen Stil, und selbst
anderen Kunstgattungen hat die Malerei dies Wort zu diesem Sinne leihen
müssen. Vielleicht zu allerletzt von allen lebenden Meistern wird man an
Ludwig Richter denken, wenn von Freskostil die Rede ist, ja es möchte nicht
wenige Canonisten geben, welche von vornherein die Kleinmanier dieses Meisters
Und das Fresko für unvereinbare Gegensätze erklären. Gleichwohl haben sich
nun diese Beiden mit einander verbunden, und ist es ein Bastard, was daraus
hervorgegangen, so kann man doch den Fehltritt nicht ungeschehen wünschen,
da der Erfolg davon so anmuthig ist. So hat der Meister feine Art und Natur
verleugnet? Keineswegs. Die Cartons des Freskowerkes, über welches wir
berichten wollen, darf man nur verjüngen, so gleichen sie aufs Haar jenen
lieblichen, anspruchslosen Holzschnittbildchen, die in so einzig poetischer Weise
die stillen Stunden unseres Volkes, seine süßen Erinnerungen und die unver¬
gänglichen Träume darstellen, in denen wir alle glücklich sind; die des Menschen
Thun und Treiben an dem Punkte erfassen, wo er mit der lieben Natur noch
innig verschwistert lebt, mit Bach und Baum und Blume, mit Hund und Katze,
wie Engeln und Erdgeistern sich versteht und in genügsamer Selbstbeschränkung so
durchaus glücklich, so durchaus zufrieden ist. Ganz aus diesem engbegrenzten
und doch so unerschöpflichen Ideenkreise hat der stille, treue Maler der Heimath
auch den Stoff zu diesen Fresken gegriffen, ja er hat sie in derselben Größe
gezeichnet wie seine anderen Sachen -- sie sind erst durch andere Hand ver¬
größert worden -- und etliches davon unter die Blätter seiner neusten Hefte
gemischt, gegen die es weder durch die Bedeutung des Gegenstandes noch durch
Größe der Behandlung absticht.

Die Fresken, von denen wir reden, bedecken die Außenwände der Villa
Teodora zu Bad Liebenstein am thüringer Walde, die der Erbprinz Georg
Von Meiningen vor einigen Jahren im Schweizerflile hat erbauen lassen. Die


Grtnjboten I. 1866. 36
Eine Freskocomposttion Ludwig Richters.

Während wir der Oelmalerei jeden Stoff und jede Vortragsweise frei¬
geben, verbindet sich uns mit der Bezeichnung „al treseo" ganz von selbst die
Borstellung von monumentalen Gehalt und monumentalen Stil, und selbst
anderen Kunstgattungen hat die Malerei dies Wort zu diesem Sinne leihen
müssen. Vielleicht zu allerletzt von allen lebenden Meistern wird man an
Ludwig Richter denken, wenn von Freskostil die Rede ist, ja es möchte nicht
wenige Canonisten geben, welche von vornherein die Kleinmanier dieses Meisters
Und das Fresko für unvereinbare Gegensätze erklären. Gleichwohl haben sich
nun diese Beiden mit einander verbunden, und ist es ein Bastard, was daraus
hervorgegangen, so kann man doch den Fehltritt nicht ungeschehen wünschen,
da der Erfolg davon so anmuthig ist. So hat der Meister feine Art und Natur
verleugnet? Keineswegs. Die Cartons des Freskowerkes, über welches wir
berichten wollen, darf man nur verjüngen, so gleichen sie aufs Haar jenen
lieblichen, anspruchslosen Holzschnittbildchen, die in so einzig poetischer Weise
die stillen Stunden unseres Volkes, seine süßen Erinnerungen und die unver¬
gänglichen Träume darstellen, in denen wir alle glücklich sind; die des Menschen
Thun und Treiben an dem Punkte erfassen, wo er mit der lieben Natur noch
innig verschwistert lebt, mit Bach und Baum und Blume, mit Hund und Katze,
wie Engeln und Erdgeistern sich versteht und in genügsamer Selbstbeschränkung so
durchaus glücklich, so durchaus zufrieden ist. Ganz aus diesem engbegrenzten
und doch so unerschöpflichen Ideenkreise hat der stille, treue Maler der Heimath
auch den Stoff zu diesen Fresken gegriffen, ja er hat sie in derselben Größe
gezeichnet wie seine anderen Sachen — sie sind erst durch andere Hand ver¬
größert worden — und etliches davon unter die Blätter seiner neusten Hefte
gemischt, gegen die es weder durch die Bedeutung des Gegenstandes noch durch
Größe der Behandlung absticht.

Die Fresken, von denen wir reden, bedecken die Außenwände der Villa
Teodora zu Bad Liebenstein am thüringer Walde, die der Erbprinz Georg
Von Meiningen vor einigen Jahren im Schweizerflile hat erbauen lassen. Die


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[0301] Eine Freskocomposttion Ludwig Richters. Während wir der Oelmalerei jeden Stoff und jede Vortragsweise frei¬ geben, verbindet sich uns mit der Bezeichnung „al treseo" ganz von selbst die Borstellung von monumentalen Gehalt und monumentalen Stil, und selbst anderen Kunstgattungen hat die Malerei dies Wort zu diesem Sinne leihen müssen. Vielleicht zu allerletzt von allen lebenden Meistern wird man an Ludwig Richter denken, wenn von Freskostil die Rede ist, ja es möchte nicht wenige Canonisten geben, welche von vornherein die Kleinmanier dieses Meisters Und das Fresko für unvereinbare Gegensätze erklären. Gleichwohl haben sich nun diese Beiden mit einander verbunden, und ist es ein Bastard, was daraus hervorgegangen, so kann man doch den Fehltritt nicht ungeschehen wünschen, da der Erfolg davon so anmuthig ist. So hat der Meister feine Art und Natur verleugnet? Keineswegs. Die Cartons des Freskowerkes, über welches wir berichten wollen, darf man nur verjüngen, so gleichen sie aufs Haar jenen lieblichen, anspruchslosen Holzschnittbildchen, die in so einzig poetischer Weise die stillen Stunden unseres Volkes, seine süßen Erinnerungen und die unver¬ gänglichen Träume darstellen, in denen wir alle glücklich sind; die des Menschen Thun und Treiben an dem Punkte erfassen, wo er mit der lieben Natur noch innig verschwistert lebt, mit Bach und Baum und Blume, mit Hund und Katze, wie Engeln und Erdgeistern sich versteht und in genügsamer Selbstbeschränkung so durchaus glücklich, so durchaus zufrieden ist. Ganz aus diesem engbegrenzten und doch so unerschöpflichen Ideenkreise hat der stille, treue Maler der Heimath auch den Stoff zu diesen Fresken gegriffen, ja er hat sie in derselben Größe gezeichnet wie seine anderen Sachen — sie sind erst durch andere Hand ver¬ größert worden — und etliches davon unter die Blätter seiner neusten Hefte gemischt, gegen die es weder durch die Bedeutung des Gegenstandes noch durch Größe der Behandlung absticht. Die Fresken, von denen wir reden, bedecken die Außenwände der Villa Teodora zu Bad Liebenstein am thüringer Walde, die der Erbprinz Georg Von Meiningen vor einigen Jahren im Schweizerflile hat erbauen lassen. Die Grtnjboten I. 1866. 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/301>, abgerufen am 29.06.2024.