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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Während in Kopenhagen die Studenten tafelten, war in Stockholm und
Christiania dasselbe Fest durch den seit dem vorigen Winter bestehenden Nor¬
dischen Nationalverein veranstaltet worden, und Begrüßungstelegramme flogen
herüber und hinüber. Es lag dem dänischen Festredner also nahe, darüber
Auskunft zu geben, warum denn in Dänemark dieser nationale Baum, der doch
den ganzen Norden zu überschatten bestimmt sei, noch immer nicht gepflanzt
worden, und ob es dazu nicht nachgrade Zeit werde? Ploug erklärte hierauf,
weder Ja noch Nein sagen zu können, -- eine etwas sonderbare Antwort für
einen Volksredner, welche die Neugierde nach seiner eigentlichen Meinung nur
stärker reizen kann. Vielleicht liefert eine andere im Lauf der Rede gefallene
Bemerkung den Schlüssel. Der Skandinavismus. sagte er nämlich, berge nur
in dem einen Falle die von den Gegnern behauptete Gefahr für das Vaterland
in sich, daß er in Kopenhagen und auf den Inseln stark um sich greife, aus
dem Festland hingegen nicht. Er fügte allerdings hinzu, ihm scheine diese Ge¬
fahr nicht vorhanden. Aber wenn man bedenkt, daß das gegenwärtige innere
Politische Leben Dänemarks in dem Gegensatz zwischen Kopenhagen und dem
Platten Lande, oder was dasselbe ist, in dem Kampf zwischen der alten liberal¬
patriotischen Partei einerseits und den "Bauernfreunden" sammt dem Hofadel
andrerseits völlig aufgeht, wenn man dazu das vielsagende Stillschweigen dieser
Landpartei seit dem Kriege hält, in Bezug auf alles, was den Skandinavismus
gngeht, sowie die natürliche Unempfänglichkeit des hinter ihr stehenden Bauern¬
standes für Fragen der großen und auswärtigen Politik, -- so möchte man
doch annehmen, Ploug trage mehr Zuversicht zur Schau, als er in Wahrheit
empfinde, und der Anschluß an den Nordischen Nationalverein sei bisher in
Kopenhagen eben deswegen nicht erfolgt, damit die laugewordenen einstigen
Bekenner und die stillen Widersacher der skandinavischen Idee in Jütland sich
nicht herausgefordert fühlten, ihre Gegenmeinungen ebenfalls in einem förm¬
lichen Parteiprogramm auszuprägen. Dieses würde der Hof ohne Zweifel als¬
bald mit ungefähr derselben Wärme zu dem seinigen machen, wie sie der wel-
fische Hof in der Bekämpfung grassirender "Schlucker"-Tendenzen entwickelt, und
das.Ergebniß könnte dann allerdings zum mindesten eine tiefe Kluft zwischen
Jütland und den Inseln sein -- eine Kluft, welche dereinst in ein politisches
Auseinanderfallen nach Süden und nach Norden hin zu endigen drohte.

Zu Christiania war unter den Tafelreden desselben festlichen Tages auch
eine auf die Wiedervereinigung der "Südjüten", d. h. der Schleswiger mit
Dänemark. In Stockholm wurde kein solches Hoch ausgebracht. Dagegen
fehlte es nicht an einem Redner, der sich in Jnvectiven gegen die deutsche Na¬
tion dem Dänen Ploug ebenbürtig an die Seite stellte. Es war, merkwürdig
genug, der königliche Secretär P. R. Tersmeden. Seine Rede hatte die Na¬
tionalitätsbewegung unsrer Zeit zum Gegenstande und hob hervor, wie sich


Während in Kopenhagen die Studenten tafelten, war in Stockholm und
Christiania dasselbe Fest durch den seit dem vorigen Winter bestehenden Nor¬
dischen Nationalverein veranstaltet worden, und Begrüßungstelegramme flogen
herüber und hinüber. Es lag dem dänischen Festredner also nahe, darüber
Auskunft zu geben, warum denn in Dänemark dieser nationale Baum, der doch
den ganzen Norden zu überschatten bestimmt sei, noch immer nicht gepflanzt
worden, und ob es dazu nicht nachgrade Zeit werde? Ploug erklärte hierauf,
weder Ja noch Nein sagen zu können, — eine etwas sonderbare Antwort für
einen Volksredner, welche die Neugierde nach seiner eigentlichen Meinung nur
stärker reizen kann. Vielleicht liefert eine andere im Lauf der Rede gefallene
Bemerkung den Schlüssel. Der Skandinavismus. sagte er nämlich, berge nur
in dem einen Falle die von den Gegnern behauptete Gefahr für das Vaterland
in sich, daß er in Kopenhagen und auf den Inseln stark um sich greife, aus
dem Festland hingegen nicht. Er fügte allerdings hinzu, ihm scheine diese Ge¬
fahr nicht vorhanden. Aber wenn man bedenkt, daß das gegenwärtige innere
Politische Leben Dänemarks in dem Gegensatz zwischen Kopenhagen und dem
Platten Lande, oder was dasselbe ist, in dem Kampf zwischen der alten liberal¬
patriotischen Partei einerseits und den „Bauernfreunden" sammt dem Hofadel
andrerseits völlig aufgeht, wenn man dazu das vielsagende Stillschweigen dieser
Landpartei seit dem Kriege hält, in Bezug auf alles, was den Skandinavismus
gngeht, sowie die natürliche Unempfänglichkeit des hinter ihr stehenden Bauern¬
standes für Fragen der großen und auswärtigen Politik, — so möchte man
doch annehmen, Ploug trage mehr Zuversicht zur Schau, als er in Wahrheit
empfinde, und der Anschluß an den Nordischen Nationalverein sei bisher in
Kopenhagen eben deswegen nicht erfolgt, damit die laugewordenen einstigen
Bekenner und die stillen Widersacher der skandinavischen Idee in Jütland sich
nicht herausgefordert fühlten, ihre Gegenmeinungen ebenfalls in einem förm¬
lichen Parteiprogramm auszuprägen. Dieses würde der Hof ohne Zweifel als¬
bald mit ungefähr derselben Wärme zu dem seinigen machen, wie sie der wel-
fische Hof in der Bekämpfung grassirender „Schlucker"-Tendenzen entwickelt, und
das.Ergebniß könnte dann allerdings zum mindesten eine tiefe Kluft zwischen
Jütland und den Inseln sein — eine Kluft, welche dereinst in ein politisches
Auseinanderfallen nach Süden und nach Norden hin zu endigen drohte.

Zu Christiania war unter den Tafelreden desselben festlichen Tages auch
eine auf die Wiedervereinigung der „Südjüten", d. h. der Schleswiger mit
Dänemark. In Stockholm wurde kein solches Hoch ausgebracht. Dagegen
fehlte es nicht an einem Redner, der sich in Jnvectiven gegen die deutsche Na¬
tion dem Dänen Ploug ebenbürtig an die Seite stellte. Es war, merkwürdig
genug, der königliche Secretär P. R. Tersmeden. Seine Rede hatte die Na¬
tionalitätsbewegung unsrer Zeit zum Gegenstande und hob hervor, wie sich


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[0295] Während in Kopenhagen die Studenten tafelten, war in Stockholm und Christiania dasselbe Fest durch den seit dem vorigen Winter bestehenden Nor¬ dischen Nationalverein veranstaltet worden, und Begrüßungstelegramme flogen herüber und hinüber. Es lag dem dänischen Festredner also nahe, darüber Auskunft zu geben, warum denn in Dänemark dieser nationale Baum, der doch den ganzen Norden zu überschatten bestimmt sei, noch immer nicht gepflanzt worden, und ob es dazu nicht nachgrade Zeit werde? Ploug erklärte hierauf, weder Ja noch Nein sagen zu können, — eine etwas sonderbare Antwort für einen Volksredner, welche die Neugierde nach seiner eigentlichen Meinung nur stärker reizen kann. Vielleicht liefert eine andere im Lauf der Rede gefallene Bemerkung den Schlüssel. Der Skandinavismus. sagte er nämlich, berge nur in dem einen Falle die von den Gegnern behauptete Gefahr für das Vaterland in sich, daß er in Kopenhagen und auf den Inseln stark um sich greife, aus dem Festland hingegen nicht. Er fügte allerdings hinzu, ihm scheine diese Ge¬ fahr nicht vorhanden. Aber wenn man bedenkt, daß das gegenwärtige innere Politische Leben Dänemarks in dem Gegensatz zwischen Kopenhagen und dem Platten Lande, oder was dasselbe ist, in dem Kampf zwischen der alten liberal¬ patriotischen Partei einerseits und den „Bauernfreunden" sammt dem Hofadel andrerseits völlig aufgeht, wenn man dazu das vielsagende Stillschweigen dieser Landpartei seit dem Kriege hält, in Bezug auf alles, was den Skandinavismus gngeht, sowie die natürliche Unempfänglichkeit des hinter ihr stehenden Bauern¬ standes für Fragen der großen und auswärtigen Politik, — so möchte man doch annehmen, Ploug trage mehr Zuversicht zur Schau, als er in Wahrheit empfinde, und der Anschluß an den Nordischen Nationalverein sei bisher in Kopenhagen eben deswegen nicht erfolgt, damit die laugewordenen einstigen Bekenner und die stillen Widersacher der skandinavischen Idee in Jütland sich nicht herausgefordert fühlten, ihre Gegenmeinungen ebenfalls in einem förm¬ lichen Parteiprogramm auszuprägen. Dieses würde der Hof ohne Zweifel als¬ bald mit ungefähr derselben Wärme zu dem seinigen machen, wie sie der wel- fische Hof in der Bekämpfung grassirender „Schlucker"-Tendenzen entwickelt, und das.Ergebniß könnte dann allerdings zum mindesten eine tiefe Kluft zwischen Jütland und den Inseln sein — eine Kluft, welche dereinst in ein politisches Auseinanderfallen nach Süden und nach Norden hin zu endigen drohte. Zu Christiania war unter den Tafelreden desselben festlichen Tages auch eine auf die Wiedervereinigung der „Südjüten", d. h. der Schleswiger mit Dänemark. In Stockholm wurde kein solches Hoch ausgebracht. Dagegen fehlte es nicht an einem Redner, der sich in Jnvectiven gegen die deutsche Na¬ tion dem Dänen Ploug ebenbürtig an die Seite stellte. Es war, merkwürdig genug, der königliche Secretär P. R. Tersmeden. Seine Rede hatte die Na¬ tionalitätsbewegung unsrer Zeit zum Gegenstande und hob hervor, wie sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/295>, abgerufen am 22.12.2024.