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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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schreit, wenn der Patri triumphiren zu wollen scheint, plötzlich eine Stimme
mitten in den Streit hinein: "Sita Nam t'idschcn!" d. h. Ehre sei der Göttin
Sita und dem Gotte Ram, und die Gesellschaft fällt ein. klatscht mit den
Händen und "macht einen solchen heidnischen Lärm, daß man aufhören muß zu
sprechen und genöthigt ist. mit betrübtem Herzen über diese Blindheit davon¬
zugehen."

Nimmt dagegen die Straßcnpredigt einen guten Verlauf, so giebt der
Missionär am Schlüsse derselben denen, welche lesen können, Tractate oder Ab¬
schnitte der Bibel und bittet jeden, der Neigung habe, weiter über das Christen¬
thum mit ihm zu sprechen, nach seiner Wohnung zu kommen. Häufig laufen
ihm, wenn er dann geht, noch Leute nach, um ihn um Bücher zu bitten, die
sie dann mit einem Salon und einer Verbeugung in Empfang nehmen.

Im Juli 1844 reisten die Missionäre von Ghazipur ihren Bräuten, die
ihnen aus Deutschland nachkamen, entgegen, trafen sie auf dem Hugly vor
Kalkutta, verheiratheten sich in letzterer Stadt mit ihnen und kehrten dann im
November als glückliche Gatten nach Ghazipur zurück, wo sie Ende Januar
1845 wieder eintrafen und bald darauf die Freude hatten, einen neuen Ge¬
hilfen aus der Heimath zu begrüßen, der indeß schon nach neun Monaten und
ehe er zur Mitarbeit bereit war, dem Klima Indiens erlag.

Die drei Uebrigen setzten ihr Bekehrungswerk fort, aber mit gleich geringem
Erfolg wie früher. Ja, als sie, jetzt mehr "mit den Greueln des Heidenthums
und dem nachtheiligen Einfluß der Irrlehren bekannt" geworden, kräftiger auf¬
traten und "die Leute einzusehen ansingen, daß sie mit ihren heidnischen Ge¬
wohnheiten brechen, das Vertrauen auf ihre Götter, Heiligen und verdienstlichen
Werke, als Wallfahrten, religiöse Waschungen, freiwillige Büßungen, Almosen-
geben daran geben müßten und allein durch Buße und Glauben der Gnade
Gottes, der Vergebung der Sünden und des ewigen Lebens theilhaftig werden
könnten, da regte sich die Feindschaft in den Herzen der Eingebornen" mächtiger
als je vorher, und sie schmähten und zankten nicht blos, sondern stellten auch
Versuche an, der Thätigkeit der Patris ein Zi"l zu setzen.

Besonders eifrig zeigten sich bei solchen Versuchen die Muhammedaner,
die durchaus nicht die Heiligkeit ihres Koran und den Nuhm ihres Propheten
^schmälert wissen wollten, und für die "ein Himmel, worin die Seligkeit des
Menschen in der Freiheit von der Sünde und in dem Anschauen Gottes be¬
steht, keinen Reiz hatte". Predigte ihnen der Missionär von Jesus Christus,
dem Sohne Gottes, der "auch ihr Heiland sei und sein Leben zu ihrer Erlösung
in den Tod dahin gegeben habe", so riefen sie ihm entgegen: "Turm Kufr
hatte ho", d.h. du redest Gotteslästerung. "Als ich," erzählt unser Bericht-
^flatter, "mit Bruder D. eines Tages in der Stadt war, und dieser aus einem
Tractat vorlas und sich durch die Schimpfreden eines Muhammedaners darin


schreit, wenn der Patri triumphiren zu wollen scheint, plötzlich eine Stimme
mitten in den Streit hinein: „Sita Nam t'idschcn!" d. h. Ehre sei der Göttin
Sita und dem Gotte Ram, und die Gesellschaft fällt ein. klatscht mit den
Händen und „macht einen solchen heidnischen Lärm, daß man aufhören muß zu
sprechen und genöthigt ist. mit betrübtem Herzen über diese Blindheit davon¬
zugehen."

Nimmt dagegen die Straßcnpredigt einen guten Verlauf, so giebt der
Missionär am Schlüsse derselben denen, welche lesen können, Tractate oder Ab¬
schnitte der Bibel und bittet jeden, der Neigung habe, weiter über das Christen¬
thum mit ihm zu sprechen, nach seiner Wohnung zu kommen. Häufig laufen
ihm, wenn er dann geht, noch Leute nach, um ihn um Bücher zu bitten, die
sie dann mit einem Salon und einer Verbeugung in Empfang nehmen.

Im Juli 1844 reisten die Missionäre von Ghazipur ihren Bräuten, die
ihnen aus Deutschland nachkamen, entgegen, trafen sie auf dem Hugly vor
Kalkutta, verheiratheten sich in letzterer Stadt mit ihnen und kehrten dann im
November als glückliche Gatten nach Ghazipur zurück, wo sie Ende Januar
1845 wieder eintrafen und bald darauf die Freude hatten, einen neuen Ge¬
hilfen aus der Heimath zu begrüßen, der indeß schon nach neun Monaten und
ehe er zur Mitarbeit bereit war, dem Klima Indiens erlag.

Die drei Uebrigen setzten ihr Bekehrungswerk fort, aber mit gleich geringem
Erfolg wie früher. Ja, als sie, jetzt mehr „mit den Greueln des Heidenthums
und dem nachtheiligen Einfluß der Irrlehren bekannt" geworden, kräftiger auf¬
traten und „die Leute einzusehen ansingen, daß sie mit ihren heidnischen Ge¬
wohnheiten brechen, das Vertrauen auf ihre Götter, Heiligen und verdienstlichen
Werke, als Wallfahrten, religiöse Waschungen, freiwillige Büßungen, Almosen-
geben daran geben müßten und allein durch Buße und Glauben der Gnade
Gottes, der Vergebung der Sünden und des ewigen Lebens theilhaftig werden
könnten, da regte sich die Feindschaft in den Herzen der Eingebornen" mächtiger
als je vorher, und sie schmähten und zankten nicht blos, sondern stellten auch
Versuche an, der Thätigkeit der Patris ein Zi«l zu setzen.

Besonders eifrig zeigten sich bei solchen Versuchen die Muhammedaner,
die durchaus nicht die Heiligkeit ihres Koran und den Nuhm ihres Propheten
^schmälert wissen wollten, und für die „ein Himmel, worin die Seligkeit des
Menschen in der Freiheit von der Sünde und in dem Anschauen Gottes be¬
steht, keinen Reiz hatte". Predigte ihnen der Missionär von Jesus Christus,
dem Sohne Gottes, der „auch ihr Heiland sei und sein Leben zu ihrer Erlösung
in den Tod dahin gegeben habe", so riefen sie ihm entgegen: „Turm Kufr
hatte ho", d.h. du redest Gotteslästerung. „Als ich," erzählt unser Bericht-
^flatter, „mit Bruder D. eines Tages in der Stadt war, und dieser aus einem
Tractat vorlas und sich durch die Schimpfreden eines Muhammedaners darin


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/289>, abgerufen am 24.08.2024.