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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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heillos zerrütteten Volkskörper mit stürmischer Leidenschaft ergreifend, das spa¬
nische Leben bestimmt hat bis aus diesen Tag. Der Resormperiode folgt
die Revolutionsperiode."

Das Bisherige war dem größeren Publikum in seinen Details bis auf
Baumgartens schöne Arbeit wenig bekannt. Ueber die Regierung der beiden
nächsten Könige werden wir kürzer sein können. Die französische Revolution
brach aus, die Loyalität der Spanier erhob, sich begeistert dagegen, und die
beispiellose' Erbärmlichkeit der Regierung der Königin und ihres Günstlings
Godoy ließ den Krieg mit kläglicher Niederlage enden. Dem Volke wurde
durch die schmutzigen Verhältnisse am Hose, durch die schändliche Finanzwirth¬
schaft, durch die Vernachlässigung aller Zweige der Verwaltung die Lehre
von dem Verfall der alten Ordnung und von der Verderblichkeit unbeschränkter
Fürstenmacht jahrelang immer aufs Neue und immer eindringlicher eingeprägt,
und selbst die blinde Altgläubigkeit, der auch der schlechteste Monarch ein Gegen¬
stand der Verehrung war, mußte, wenn sie hörte, wie die Königsmörder auf
allen Punkten ihrer Grenzen über die Vertheidiger des Königthums triumphir-
ten, einigermaßen irr werden an ihrer Superstition. Namentlich in den großen
Städten, vor allen in Barcelona und Madrid, sah bereits das Jahr 1794 Ge¬
danken und Bestrebungen aufwuchern, vor denen noch Vor Kurzem das spa¬
nische Gebiet aus Generationen gesichert geschienen hatte. Die Unzufriedenheit
wuchs, alle Welt drang zuletzt auf die Beseitigung des ebenso unfähigen als
sittenlosen Günstlings, und dieselbe erfolgte endlich. Die Lage wurde aber
dadurch um nichts gebessert; denn die Quelle der Verderbniß lag höher. Nicht
lange, so war Godoy wieder auf seinem Posten, und die alte greuelvolle Wirth¬
schaft wurde in wo möglich greuclvollcrcr Weise sortgesetzt. Dazu infolge des
Umstands, daß Spanien jetzt im Schlepptau der französischen Politik segelte,
furchtbare Schläge von England. Dazu die bekannten Zerwürfnisse in der könig¬
lichen Familie, Intriguen des Sohns gegen den Vater, der Mutter gegen den
Sohn, die Einmischung Napoleons in dieses verworfene Treiben und die In¬
vasion der Franzosen, endlich die Entsagung der Bourbonen im Frühjahr 1808
und die Berufung eines Bonaparte auf den spanischen Thron.

Nun Aufstände in Madrid, in Asturien, zuletzt aller Orten, Aufstände, die,
von Männern aller Ueberzeugungen unterstützt, rasch zu jener glorreichen all¬
gemeinen Erhebung zusammenschlugen, welche, von England geschürt und ge¬
nährt, den Sturz des Zwingherrn Europas einleitete.

Und jetzt war es zugleich, wo sich aus den verschiedenen Ansichten und
Wünschen rasch verschiedene Parteien bildeten. Der König, der "angebetete"
Ferdinand, war in halber Gefangenschaft in Frankreich. Die Centraljunta, die
für ihn regierte, erwies sich unfähig und trat den sich mit Ansprüchen auf Re¬
formen und namentlich auf Berufung einer Volksvertretung erst schüchtern, dann


heillos zerrütteten Volkskörper mit stürmischer Leidenschaft ergreifend, das spa¬
nische Leben bestimmt hat bis aus diesen Tag. Der Resormperiode folgt
die Revolutionsperiode."

Das Bisherige war dem größeren Publikum in seinen Details bis auf
Baumgartens schöne Arbeit wenig bekannt. Ueber die Regierung der beiden
nächsten Könige werden wir kürzer sein können. Die französische Revolution
brach aus, die Loyalität der Spanier erhob, sich begeistert dagegen, und die
beispiellose' Erbärmlichkeit der Regierung der Königin und ihres Günstlings
Godoy ließ den Krieg mit kläglicher Niederlage enden. Dem Volke wurde
durch die schmutzigen Verhältnisse am Hose, durch die schändliche Finanzwirth¬
schaft, durch die Vernachlässigung aller Zweige der Verwaltung die Lehre
von dem Verfall der alten Ordnung und von der Verderblichkeit unbeschränkter
Fürstenmacht jahrelang immer aufs Neue und immer eindringlicher eingeprägt,
und selbst die blinde Altgläubigkeit, der auch der schlechteste Monarch ein Gegen¬
stand der Verehrung war, mußte, wenn sie hörte, wie die Königsmörder auf
allen Punkten ihrer Grenzen über die Vertheidiger des Königthums triumphir-
ten, einigermaßen irr werden an ihrer Superstition. Namentlich in den großen
Städten, vor allen in Barcelona und Madrid, sah bereits das Jahr 1794 Ge¬
danken und Bestrebungen aufwuchern, vor denen noch Vor Kurzem das spa¬
nische Gebiet aus Generationen gesichert geschienen hatte. Die Unzufriedenheit
wuchs, alle Welt drang zuletzt auf die Beseitigung des ebenso unfähigen als
sittenlosen Günstlings, und dieselbe erfolgte endlich. Die Lage wurde aber
dadurch um nichts gebessert; denn die Quelle der Verderbniß lag höher. Nicht
lange, so war Godoy wieder auf seinem Posten, und die alte greuelvolle Wirth¬
schaft wurde in wo möglich greuclvollcrcr Weise sortgesetzt. Dazu infolge des
Umstands, daß Spanien jetzt im Schlepptau der französischen Politik segelte,
furchtbare Schläge von England. Dazu die bekannten Zerwürfnisse in der könig¬
lichen Familie, Intriguen des Sohns gegen den Vater, der Mutter gegen den
Sohn, die Einmischung Napoleons in dieses verworfene Treiben und die In¬
vasion der Franzosen, endlich die Entsagung der Bourbonen im Frühjahr 1808
und die Berufung eines Bonaparte auf den spanischen Thron.

Nun Aufstände in Madrid, in Asturien, zuletzt aller Orten, Aufstände, die,
von Männern aller Ueberzeugungen unterstützt, rasch zu jener glorreichen all¬
gemeinen Erhebung zusammenschlugen, welche, von England geschürt und ge¬
nährt, den Sturz des Zwingherrn Europas einleitete.

Und jetzt war es zugleich, wo sich aus den verschiedenen Ansichten und
Wünschen rasch verschiedene Parteien bildeten. Der König, der „angebetete"
Ferdinand, war in halber Gefangenschaft in Frankreich. Die Centraljunta, die
für ihn regierte, erwies sich unfähig und trat den sich mit Ansprüchen auf Re¬
formen und namentlich auf Berufung einer Volksvertretung erst schüchtern, dann


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/190>, abgerufen am 22.12.2024.