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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Motive der Bewegung ganz beibehalten wurden, fast als neue und andre
Statuen gelten rönnen. Kaum haben außer dem Monument Luisens von der
neueren Plastik geschaffene Idealgestalten eine gleich große Popularität erworben.
Jeder kennt sie wie jene, und ihre Schilderung wird ebenso überflüssig: die vor-
geneigt sitzend ihre Kränze weisende, die stehend niedcrblickende mit Eichenkranz
und Eichenzweig, die beschwingt heranschwcbende, mit dem Palmzweig in der
einen, dem Lorbeerkranz in der andern erhobnen Hand, die in stiller ruhiger
Majestät sitzende, die in ganz besonders stolzer Großartigkeit einherschreitende,
die ausblickend sich selbst den Kranz auf das göttliche Haupt drücken zu wollen
scheint. Letztere finden wir außer dem Abguß der für die WallMa gemeißelten
hier noch einmal in jenem kolossalen Maßstab, in welchem sie für das Denkmal
auf dem leuthner Schlachtfeld ausgeführt wurde (1852). Dazu kommt noch
die für das Treppenhaus des königlichen Palais zu Berlin modellirte mit dem
Oelzweig in der Linken und ausgestreckter rechten Hand. In allen diesen Ge¬
stalten lebt der reine Adel echter Schönheit, welcher die Statue Luisens beseelt,
eine Schönheit, zu deren Anschauung der Meister sich in dem hingebenden
Studium der Antike herangebildet hat.

Weder in den Motiven, deren Mannigfaltigkeit innerhalb eines doch eigent¬
lich sehr eng umschränkten Kreises unsre volle Bewunderung für die poetisch-
bildnerische Erfindungskraft des Meisters hervorruft, noch in der Gestaltung
selbst sind sie als Nachbildung antiier Muster anzusehn; aber sie sind heraus¬
gestaltet aus einer an dieser zur edlen Klarheit geläuterten und gereiften Phan¬
tasie und Bildnerkraft. -- Aus den dreißiger Jahren entstammen ferner die
beiden allbekannten anmuthigen Knabenstatuen: der Glaube und die Liebe, und
die Mädchengestalt der Hoffnung, welche Rauch für die Kirche seiner Vaterstadt
Arolsen stiftete (183S). und die wie das betende Mädchen vom Jahre 1836 später
sast bis zum Ueberdruß sür jeden passenden und unpassenden Platz und Zweck
vervielfältigt und benutzt worden sind. -- Die vom Herzog von Orleans bei
Rauch bestellte Eurydice, im Tartaros den Gesang ihres zu ihrer Rettung
nahenden Gatten vernehmend (1833), ist leider nur Skizze geblieben, in welcher
Form sie hier vorhanden ist und doppelt bedauern läßt, daß der Tod ihres Be¬
stellers sie nicht zur Ausführung kommen ließ. Die Statue der Danaide ist
gleichfalls ursprünglich eine Arbeit aus diesen Jahren. 1837 modellirte Rauch
sie für Kaiser Nikolaus, und da die in Marmor danach ausgeführte beim Brande deS
Winterpalais zu Grunde ging, hat -er sie um 1850 noch einmal einzig mit
Veränderung des nun aufgelöst niederwallenden Haupthaars wiederholt. Sie ist
eine der wenigen ganz nackten Statuen ihres Autors, und wenn irgendwo in
seinen Schöpfungen, wird in dieser die bestimmte Schranke seines großen und
umfassenden Könnens fühlbar. D> Gestaltung des lebendig schönen Nackten
lag ihm ferner. Die geläuterte Form, die strenge Correctheit, das gediegene


Motive der Bewegung ganz beibehalten wurden, fast als neue und andre
Statuen gelten rönnen. Kaum haben außer dem Monument Luisens von der
neueren Plastik geschaffene Idealgestalten eine gleich große Popularität erworben.
Jeder kennt sie wie jene, und ihre Schilderung wird ebenso überflüssig: die vor-
geneigt sitzend ihre Kränze weisende, die stehend niedcrblickende mit Eichenkranz
und Eichenzweig, die beschwingt heranschwcbende, mit dem Palmzweig in der
einen, dem Lorbeerkranz in der andern erhobnen Hand, die in stiller ruhiger
Majestät sitzende, die in ganz besonders stolzer Großartigkeit einherschreitende,
die ausblickend sich selbst den Kranz auf das göttliche Haupt drücken zu wollen
scheint. Letztere finden wir außer dem Abguß der für die WallMa gemeißelten
hier noch einmal in jenem kolossalen Maßstab, in welchem sie für das Denkmal
auf dem leuthner Schlachtfeld ausgeführt wurde (1852). Dazu kommt noch
die für das Treppenhaus des königlichen Palais zu Berlin modellirte mit dem
Oelzweig in der Linken und ausgestreckter rechten Hand. In allen diesen Ge¬
stalten lebt der reine Adel echter Schönheit, welcher die Statue Luisens beseelt,
eine Schönheit, zu deren Anschauung der Meister sich in dem hingebenden
Studium der Antike herangebildet hat.

Weder in den Motiven, deren Mannigfaltigkeit innerhalb eines doch eigent¬
lich sehr eng umschränkten Kreises unsre volle Bewunderung für die poetisch-
bildnerische Erfindungskraft des Meisters hervorruft, noch in der Gestaltung
selbst sind sie als Nachbildung antiier Muster anzusehn; aber sie sind heraus¬
gestaltet aus einer an dieser zur edlen Klarheit geläuterten und gereiften Phan¬
tasie und Bildnerkraft. — Aus den dreißiger Jahren entstammen ferner die
beiden allbekannten anmuthigen Knabenstatuen: der Glaube und die Liebe, und
die Mädchengestalt der Hoffnung, welche Rauch für die Kirche seiner Vaterstadt
Arolsen stiftete (183S). und die wie das betende Mädchen vom Jahre 1836 später
sast bis zum Ueberdruß sür jeden passenden und unpassenden Platz und Zweck
vervielfältigt und benutzt worden sind. — Die vom Herzog von Orleans bei
Rauch bestellte Eurydice, im Tartaros den Gesang ihres zu ihrer Rettung
nahenden Gatten vernehmend (1833), ist leider nur Skizze geblieben, in welcher
Form sie hier vorhanden ist und doppelt bedauern läßt, daß der Tod ihres Be¬
stellers sie nicht zur Ausführung kommen ließ. Die Statue der Danaide ist
gleichfalls ursprünglich eine Arbeit aus diesen Jahren. 1837 modellirte Rauch
sie für Kaiser Nikolaus, und da die in Marmor danach ausgeführte beim Brande deS
Winterpalais zu Grunde ging, hat -er sie um 1850 noch einmal einzig mit
Veränderung des nun aufgelöst niederwallenden Haupthaars wiederholt. Sie ist
eine der wenigen ganz nackten Statuen ihres Autors, und wenn irgendwo in
seinen Schöpfungen, wird in dieser die bestimmte Schranke seines großen und
umfassenden Könnens fühlbar. D> Gestaltung des lebendig schönen Nackten
lag ihm ferner. Die geläuterte Form, die strenge Correctheit, das gediegene


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/19>, abgerufen am 28.09.2024.