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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Zu den gediegensten Schriften, die diesen Gegenstand behandeln, zählt un¬
streitig die des preußischen Premierlieutenants N. Bräuner, unter dem Titel:
"Geschichte der preußischen Landwehr. Historisch eD arstcllu ng und
Beleuchtung ihrer Vorgeschichte, Errichtung und späteren Organi¬
sation."*) Dieses Werk, auf das fleißigste und sorgfältigste Quellenstudium
basirt, ist dabei klar und ohne alle Parteilichkeit oder Vorurtheile geschrieben;
denn der Verfasser ist weit davon entfernt, das, was die Landwehr in jenen
Kriegsjahren geleistet, zu verkennen.

Wir finden hier zunächst nachgewiesen, daß die- preußische Landwehr nicht
erst im Jahre 1813 als etwas Neues geschaffen wurde!,.,,sondern daß eine solche
bereits 200 Jahre früher unter dem großen Kurfürsten bestand. Unter Friedrich
Wilhelm dem Ersten findet man bereits eine Landmiliz, die in ihrer Art der
1813 gebildeten sehr ähnlich war. Diese wurde später in vier Landregimenter
umgewandelt, die aber 1794 eingingen. Aber, schon 1803 tauchte der Plan wieder
auf, für die Dauer eines Krieges S0.000 Landmilizen zu errichten, worüber die
Generale Courbiere und Rüchel, besonders aber der damalige Major (spätere
General)Knesebeck Vorschläge beim Gouvernement einreichten, die in ihren Grund¬
zügen sich der Verfassung von 1813 sehr annäherten. Letzterer schlug schon damals
die allgemeine Wehrpflicht, sowie eine Armeereserve vor. Doch in den
sich steigernden kriegerischen und politischen Wirren ruhte das Angeregte, bis
1807 .der geniale Scharnh orst diese Idee wieder auffaßte und mit seiner be¬
kannten Klarheit hinzustellen wußte. Aber erst nach mehren harten Jahren
des Unheils und der Schmach sollte die Landwehr ins Leben treten und zwar
zunächst in Ostpreußen, der ersten von der Fremdherrschaft befreiten Provinz,
und auf Kosten derselben.

Infolge der am 13. Februar 1813 erlassenen t'önigsbcrger Fest¬
setzungen, über Landwehr und Landsturm in Litthauen, Ost- und West¬
preußen, sollten 20,000 Mann Infanterie ausgeboten werden, aber nicht als
permanenter Theil des Heeres, sondern als außerordentliche Landes¬
bewaffnung und lediglich zur Vertheidigung der Provinz. Alle Männer
vom 18.--43. Jahre sollten zu dieser verpflichtet sein. Der Bedarf sollte zunächst
durch Freiwillige gedeckt, was aber etwa am Etat noch fehlte, durch Losung
gestellt werden. Durch spätere königliche Verordnung wurde auch noch Land-
wehrcavallerie errichtet.' Durch eine weitere königliche Ordre vom 12. Juni
wurde bestimmt: daß auch die Landwehr mobil gemacht und der Feldarmee zu¬
getheilt werden sollte.

Weite Verbreitung hat die Annahme gefunden, daß, namentlich infolge
des Ausrufs des Königs an Volk und Heer (vom 17. März 1813) die gesammte



^ Der Verfasser steht im ersten schlesischen Grenadierregiment Ur. IN. Das Werk er¬
schien Vei Mittler und Sohn in Berlin.

Zu den gediegensten Schriften, die diesen Gegenstand behandeln, zählt un¬
streitig die des preußischen Premierlieutenants N. Bräuner, unter dem Titel:
„Geschichte der preußischen Landwehr. Historisch eD arstcllu ng und
Beleuchtung ihrer Vorgeschichte, Errichtung und späteren Organi¬
sation."*) Dieses Werk, auf das fleißigste und sorgfältigste Quellenstudium
basirt, ist dabei klar und ohne alle Parteilichkeit oder Vorurtheile geschrieben;
denn der Verfasser ist weit davon entfernt, das, was die Landwehr in jenen
Kriegsjahren geleistet, zu verkennen.

Wir finden hier zunächst nachgewiesen, daß die- preußische Landwehr nicht
erst im Jahre 1813 als etwas Neues geschaffen wurde!,.,,sondern daß eine solche
bereits 200 Jahre früher unter dem großen Kurfürsten bestand. Unter Friedrich
Wilhelm dem Ersten findet man bereits eine Landmiliz, die in ihrer Art der
1813 gebildeten sehr ähnlich war. Diese wurde später in vier Landregimenter
umgewandelt, die aber 1794 eingingen. Aber, schon 1803 tauchte der Plan wieder
auf, für die Dauer eines Krieges S0.000 Landmilizen zu errichten, worüber die
Generale Courbiere und Rüchel, besonders aber der damalige Major (spätere
General)Knesebeck Vorschläge beim Gouvernement einreichten, die in ihren Grund¬
zügen sich der Verfassung von 1813 sehr annäherten. Letzterer schlug schon damals
die allgemeine Wehrpflicht, sowie eine Armeereserve vor. Doch in den
sich steigernden kriegerischen und politischen Wirren ruhte das Angeregte, bis
1807 .der geniale Scharnh orst diese Idee wieder auffaßte und mit seiner be¬
kannten Klarheit hinzustellen wußte. Aber erst nach mehren harten Jahren
des Unheils und der Schmach sollte die Landwehr ins Leben treten und zwar
zunächst in Ostpreußen, der ersten von der Fremdherrschaft befreiten Provinz,
und auf Kosten derselben.

Infolge der am 13. Februar 1813 erlassenen t'önigsbcrger Fest¬
setzungen, über Landwehr und Landsturm in Litthauen, Ost- und West¬
preußen, sollten 20,000 Mann Infanterie ausgeboten werden, aber nicht als
permanenter Theil des Heeres, sondern als außerordentliche Landes¬
bewaffnung und lediglich zur Vertheidigung der Provinz. Alle Männer
vom 18.—43. Jahre sollten zu dieser verpflichtet sein. Der Bedarf sollte zunächst
durch Freiwillige gedeckt, was aber etwa am Etat noch fehlte, durch Losung
gestellt werden. Durch spätere königliche Verordnung wurde auch noch Land-
wehrcavallerie errichtet.' Durch eine weitere königliche Ordre vom 12. Juni
wurde bestimmt: daß auch die Landwehr mobil gemacht und der Feldarmee zu¬
getheilt werden sollte.

Weite Verbreitung hat die Annahme gefunden, daß, namentlich infolge
des Ausrufs des Königs an Volk und Heer (vom 17. März 1813) die gesammte



^ Der Verfasser steht im ersten schlesischen Grenadierregiment Ur. IN. Das Werk er¬
schien Vei Mittler und Sohn in Berlin.
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[0170] Zu den gediegensten Schriften, die diesen Gegenstand behandeln, zählt un¬ streitig die des preußischen Premierlieutenants N. Bräuner, unter dem Titel: „Geschichte der preußischen Landwehr. Historisch eD arstcllu ng und Beleuchtung ihrer Vorgeschichte, Errichtung und späteren Organi¬ sation."*) Dieses Werk, auf das fleißigste und sorgfältigste Quellenstudium basirt, ist dabei klar und ohne alle Parteilichkeit oder Vorurtheile geschrieben; denn der Verfasser ist weit davon entfernt, das, was die Landwehr in jenen Kriegsjahren geleistet, zu verkennen. Wir finden hier zunächst nachgewiesen, daß die- preußische Landwehr nicht erst im Jahre 1813 als etwas Neues geschaffen wurde!,.,,sondern daß eine solche bereits 200 Jahre früher unter dem großen Kurfürsten bestand. Unter Friedrich Wilhelm dem Ersten findet man bereits eine Landmiliz, die in ihrer Art der 1813 gebildeten sehr ähnlich war. Diese wurde später in vier Landregimenter umgewandelt, die aber 1794 eingingen. Aber, schon 1803 tauchte der Plan wieder auf, für die Dauer eines Krieges S0.000 Landmilizen zu errichten, worüber die Generale Courbiere und Rüchel, besonders aber der damalige Major (spätere General)Knesebeck Vorschläge beim Gouvernement einreichten, die in ihren Grund¬ zügen sich der Verfassung von 1813 sehr annäherten. Letzterer schlug schon damals die allgemeine Wehrpflicht, sowie eine Armeereserve vor. Doch in den sich steigernden kriegerischen und politischen Wirren ruhte das Angeregte, bis 1807 .der geniale Scharnh orst diese Idee wieder auffaßte und mit seiner be¬ kannten Klarheit hinzustellen wußte. Aber erst nach mehren harten Jahren des Unheils und der Schmach sollte die Landwehr ins Leben treten und zwar zunächst in Ostpreußen, der ersten von der Fremdherrschaft befreiten Provinz, und auf Kosten derselben. Infolge der am 13. Februar 1813 erlassenen t'önigsbcrger Fest¬ setzungen, über Landwehr und Landsturm in Litthauen, Ost- und West¬ preußen, sollten 20,000 Mann Infanterie ausgeboten werden, aber nicht als permanenter Theil des Heeres, sondern als außerordentliche Landes¬ bewaffnung und lediglich zur Vertheidigung der Provinz. Alle Männer vom 18.—43. Jahre sollten zu dieser verpflichtet sein. Der Bedarf sollte zunächst durch Freiwillige gedeckt, was aber etwa am Etat noch fehlte, durch Losung gestellt werden. Durch spätere königliche Verordnung wurde auch noch Land- wehrcavallerie errichtet.' Durch eine weitere königliche Ordre vom 12. Juni wurde bestimmt: daß auch die Landwehr mobil gemacht und der Feldarmee zu¬ getheilt werden sollte. Weite Verbreitung hat die Annahme gefunden, daß, namentlich infolge des Ausrufs des Königs an Volk und Heer (vom 17. März 1813) die gesammte ^ Der Verfasser steht im ersten schlesischen Grenadierregiment Ur. IN. Das Werk er¬ schien Vei Mittler und Sohn in Berlin.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/170>, abgerufen am 29.06.2024.