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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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das die Natur geschaffen und die treulich nachbildende Kunst des Mannes selbst
uns überliefert hat. Rauchs Werk ist eine plastische Uebertragung des Münchner
Dürerbildnisses, dem sie sich in Form und Ausdruck des Kopfes, in Haar-und
Barttracht, so gut wie in Hinsicht des prächtigen Costüms durchaus anschließt,
all diese Dinge freilich in einem breiteren Stil und der monumentalen Aufgabe
entsprechender behandelt, als es Dürers Pinsel vermochte. -- Das Denkmal
des Königs Max weicht in seiner Totalform. in seiner ganzen Anlage höchst
wesentlich von der durch Rauch gemeinhin beliebten Art des compositionellen
Aufbaues ab. Die sitzend dargestellte Statue bedingte eine bedeutende Breiten¬
entwicklung des Postaments, statt der sonst von ihm vorgezognen überhohen
und schlanken, und die Würde und Wucht, die ruhig imponirende Wirkung des
Ganzen hat dadurch nur gewonnen, weiche die prächtigen Löwen an seinen
Ecken noch erhöhen. In den Flach-Rcliesbildwerken. welche die Seitenflächen
des Piedestals schmücken, ist von der Vermischung realer Gestalten mit antiken
Gottheiten, abstreiten Allegorien und christlichen Engeln ein ziemlich ausgiebiger
Gebrauch gemacht, um gewisse Gedanken auszudrücken, welche am Denkmal
eines Verfassung verleihenden Königs ihre künstlerische Verkörperung wohl
beanspruchen dürfen. Ihre hier aufbewahrten großen Abgüsse lassen überall
das große Geschick des Meisters im Bezwingen seiner Ausgaben und die strenge
Correctheit in seinen Gestaltungen erkennen. Von einer gewissen innern
Nüchternheit sind sie dagegen nicht frei geblieben. Die letzten dieser Reliefs
modellirte Rauch 1835. ein Jahr bevor er jenes prachtvolle Wert geschaffen,
dem ich in mancher Hinsicht unter all seinen eigentlichen Denkmalen den ersten
Platz einräumen möchte, das Monument der beiden ersten christlichen Polen-
könige Mieroslaw und Boleslaus. welches von einem Vereine polnischer Edler
für eine Kapelle des Doms zu Posen bestellt wurde. Es mag dem Meister
eine Wonne gewesen sein, sich hier endlich einmal der peinlichen Angst und
Noth entschlagen zu können, das moderne Costüm, die abscheuliche Uniform,
den unerträglichen Civilrock für die Skulptur bezwingen und dem modernen
Mantel einen Wurf und Fall andichten zu müssen, den er seinem kümmer¬
lichen innersten Wesen gemäß in Wahrheit ausschließt. Wenn der Bildhauer
schon auf das Nackte verzichten muß. so weiß ich kaum etwas Verlocken¬
deres für ihn, als das früh mittelalterliche Costüm. Das eng anliegende
Kettenpanzergcflecht läßt doch, ohne ihm Gewalt anzuthun, die Formen der
menschlichen Gestalt als solche sprechen, und wo das Gewand auftritt, ist
es theils der antiken Tradition noch so getreu, theils faltet es sich in so Herr-
lichen Massen, in so großem Zuge, in so breitem und vollem Stil, daß es
an und für sich eine würdige und reizende Aufgabe für Modellirholz und
Meißel giebt. Dazu banden hier den Meister keine Rücksichten auf Porträt-
ähnlichkeit. Und so hat er denn aus der Gruppe dieser beiden gewaltigen


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das die Natur geschaffen und die treulich nachbildende Kunst des Mannes selbst
uns überliefert hat. Rauchs Werk ist eine plastische Uebertragung des Münchner
Dürerbildnisses, dem sie sich in Form und Ausdruck des Kopfes, in Haar-und
Barttracht, so gut wie in Hinsicht des prächtigen Costüms durchaus anschließt,
all diese Dinge freilich in einem breiteren Stil und der monumentalen Aufgabe
entsprechender behandelt, als es Dürers Pinsel vermochte. — Das Denkmal
des Königs Max weicht in seiner Totalform. in seiner ganzen Anlage höchst
wesentlich von der durch Rauch gemeinhin beliebten Art des compositionellen
Aufbaues ab. Die sitzend dargestellte Statue bedingte eine bedeutende Breiten¬
entwicklung des Postaments, statt der sonst von ihm vorgezognen überhohen
und schlanken, und die Würde und Wucht, die ruhig imponirende Wirkung des
Ganzen hat dadurch nur gewonnen, weiche die prächtigen Löwen an seinen
Ecken noch erhöhen. In den Flach-Rcliesbildwerken. welche die Seitenflächen
des Piedestals schmücken, ist von der Vermischung realer Gestalten mit antiken
Gottheiten, abstreiten Allegorien und christlichen Engeln ein ziemlich ausgiebiger
Gebrauch gemacht, um gewisse Gedanken auszudrücken, welche am Denkmal
eines Verfassung verleihenden Königs ihre künstlerische Verkörperung wohl
beanspruchen dürfen. Ihre hier aufbewahrten großen Abgüsse lassen überall
das große Geschick des Meisters im Bezwingen seiner Ausgaben und die strenge
Correctheit in seinen Gestaltungen erkennen. Von einer gewissen innern
Nüchternheit sind sie dagegen nicht frei geblieben. Die letzten dieser Reliefs
modellirte Rauch 1835. ein Jahr bevor er jenes prachtvolle Wert geschaffen,
dem ich in mancher Hinsicht unter all seinen eigentlichen Denkmalen den ersten
Platz einräumen möchte, das Monument der beiden ersten christlichen Polen-
könige Mieroslaw und Boleslaus. welches von einem Vereine polnischer Edler
für eine Kapelle des Doms zu Posen bestellt wurde. Es mag dem Meister
eine Wonne gewesen sein, sich hier endlich einmal der peinlichen Angst und
Noth entschlagen zu können, das moderne Costüm, die abscheuliche Uniform,
den unerträglichen Civilrock für die Skulptur bezwingen und dem modernen
Mantel einen Wurf und Fall andichten zu müssen, den er seinem kümmer¬
lichen innersten Wesen gemäß in Wahrheit ausschließt. Wenn der Bildhauer
schon auf das Nackte verzichten muß. so weiß ich kaum etwas Verlocken¬
deres für ihn, als das früh mittelalterliche Costüm. Das eng anliegende
Kettenpanzergcflecht läßt doch, ohne ihm Gewalt anzuthun, die Formen der
menschlichen Gestalt als solche sprechen, und wo das Gewand auftritt, ist
es theils der antiken Tradition noch so getreu, theils faltet es sich in so Herr-
lichen Massen, in so großem Zuge, in so breitem und vollem Stil, daß es
an und für sich eine würdige und reizende Aufgabe für Modellirholz und
Meißel giebt. Dazu banden hier den Meister keine Rücksichten auf Porträt-
ähnlichkeit. Und so hat er denn aus der Gruppe dieser beiden gewaltigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/17>, abgerufen am 26.06.2024.