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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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größeren schuf, wird jetzt nur noch Wenigen zweifelhaft sein. In der Frage der
Herzogtümer gehen immer noch, auch in Preußen, die Ansichten auseinander,
nicht über das Wünschenswerthe, wohl aber über das gegenwärtig Erreichbare.
Aber wir Liberalen der preußischen Partei sehen doch, was unsere Pflicht ist,
klar vorgezeichnet.

Wir sind vor allem Preußen. Wie wir auch über die Persönlichkeit des
Ministerpräsidenten und die Wege, welche er eingeschlagen hat, denken mögen,
alles, was er gethan, fällt nicht nur auf sein Haupt zurück, auch auf den Staat.
Was er in Schleswig-Holstein wagt, ist für Preußen; was ihm fehlschlägt,
droht auch Ehre und Macht des Staates zu beeinträchtigen. Es mag ein
schweres Unglück sein, daß es so ist; wir aber dürfen uns dieser Consequenz
nicht entziehen. Ein Weg ist betreten, Preußen hat sich engagirt, und kein
Preuße, wer er auch sei, und wie er auch persönlich in dieser Frage empfinde,
hat noch das Recht, direct oder indirect dem entgegenzuarbeiten, was bereits zur
Thatsache geworden.

Soweit sind wir alle gebunden. Wie weit der einzelne Liberale die Politik
des Ministeriums thätig unterstützen wolle, wird seinem Gewissen überlassen
bleiben. Die Regierung aber darf nicht befremdet sein, wenn viele tüchtige und
bewährte Männer der liberalen Partei sich verhindert erachten, eine persönliche
Einwirkung im Interesse der Regierung und leider auch in einem bestehenden
Interesse des preußischen Staates auszuüben. Solche thätige Theilnahme ist
einem Patrioten sehr schwer gemacht, auch wenn er in dieser Frage die Ueber¬
zeugung der Regierung theilt und an die Möglichkeit eines guten Erfolges ihrer
Schritte glaubt. Denn eine kräftige Aufregung der liberalen Sympathien in S.-H.
ist unmöglich, und die Versuche des Einzelnen sind nur warmherzige Sisyphusarbeit,
so lange irgendeine Maßregel der Herren v. Manteuffel und v. Zedlitz das durch die
mühsame Arbeit von vielen Einzelnen gewonnene Terrain im Augenblick wieder
den Gegnern preisgiebt, und so lange jede Post, welche aus Preußen in die
Herzogthümer geht, durch die Berichte über die innern Zustände Preußens den
Anstrengungen preußisch gesinnter Patrioten in den Herzogthümern entgegen¬
arbeitet.

Dagegen ist es Zeit, eine andere Forderung auszusprechen. Auch der Presse,
sowohl'der preußischen Regierungsjournalistik, als den Blättern Holsteins, wün¬
schen wir größere Mäßigung bei Vertretung ihres Standpunktes. Zu viel Per¬
sönlichkeiten sind in diesem Zeitungskampf ausgetauscht worden, sie haben auf
beiden Seiten erbittert, keinem von beiden Theilen genutzt. Es hilft wenig,
daß die ofsiciöse Presse immer wieder die Ansprüche des augustenburgischen
Hauses ausstreicht und für einen längst überwundenen Standpunkt erklärt.
Diese Ansprüche sind doch vorhanden, und jedermann weiß, daß sie, im Fall der
Widerstand des Auslandes für Preußen unbesiegbar sein sollte, der preußischen


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größeren schuf, wird jetzt nur noch Wenigen zweifelhaft sein. In der Frage der
Herzogtümer gehen immer noch, auch in Preußen, die Ansichten auseinander,
nicht über das Wünschenswerthe, wohl aber über das gegenwärtig Erreichbare.
Aber wir Liberalen der preußischen Partei sehen doch, was unsere Pflicht ist,
klar vorgezeichnet.

Wir sind vor allem Preußen. Wie wir auch über die Persönlichkeit des
Ministerpräsidenten und die Wege, welche er eingeschlagen hat, denken mögen,
alles, was er gethan, fällt nicht nur auf sein Haupt zurück, auch auf den Staat.
Was er in Schleswig-Holstein wagt, ist für Preußen; was ihm fehlschlägt,
droht auch Ehre und Macht des Staates zu beeinträchtigen. Es mag ein
schweres Unglück sein, daß es so ist; wir aber dürfen uns dieser Consequenz
nicht entziehen. Ein Weg ist betreten, Preußen hat sich engagirt, und kein
Preuße, wer er auch sei, und wie er auch persönlich in dieser Frage empfinde,
hat noch das Recht, direct oder indirect dem entgegenzuarbeiten, was bereits zur
Thatsache geworden.

Soweit sind wir alle gebunden. Wie weit der einzelne Liberale die Politik
des Ministeriums thätig unterstützen wolle, wird seinem Gewissen überlassen
bleiben. Die Regierung aber darf nicht befremdet sein, wenn viele tüchtige und
bewährte Männer der liberalen Partei sich verhindert erachten, eine persönliche
Einwirkung im Interesse der Regierung und leider auch in einem bestehenden
Interesse des preußischen Staates auszuüben. Solche thätige Theilnahme ist
einem Patrioten sehr schwer gemacht, auch wenn er in dieser Frage die Ueber¬
zeugung der Regierung theilt und an die Möglichkeit eines guten Erfolges ihrer
Schritte glaubt. Denn eine kräftige Aufregung der liberalen Sympathien in S.-H.
ist unmöglich, und die Versuche des Einzelnen sind nur warmherzige Sisyphusarbeit,
so lange irgendeine Maßregel der Herren v. Manteuffel und v. Zedlitz das durch die
mühsame Arbeit von vielen Einzelnen gewonnene Terrain im Augenblick wieder
den Gegnern preisgiebt, und so lange jede Post, welche aus Preußen in die
Herzogthümer geht, durch die Berichte über die innern Zustände Preußens den
Anstrengungen preußisch gesinnter Patrioten in den Herzogthümern entgegen¬
arbeitet.

Dagegen ist es Zeit, eine andere Forderung auszusprechen. Auch der Presse,
sowohl'der preußischen Regierungsjournalistik, als den Blättern Holsteins, wün¬
schen wir größere Mäßigung bei Vertretung ihres Standpunktes. Zu viel Per¬
sönlichkeiten sind in diesem Zeitungskampf ausgetauscht worden, sie haben auf
beiden Seiten erbittert, keinem von beiden Theilen genutzt. Es hilft wenig,
daß die ofsiciöse Presse immer wieder die Ansprüche des augustenburgischen
Hauses ausstreicht und für einen längst überwundenen Standpunkt erklärt.
Diese Ansprüche sind doch vorhanden, und jedermann weiß, daß sie, im Fall der
Widerstand des Auslandes für Preußen unbesiegbar sein sollte, der preußischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/167>, abgerufen am 29.06.2024.