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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Fall der Noth auch in Activität setzen. Ich ließ daher alle Mannspersonen
vor die Pfarrwohnung kommen und überzeugte sie von der Nothwendigkeit
dieser Maßregel. Und das war gut, denn gleich den Freitag Vormittag er¬
schienen 20 Mann Baucrnlosaken, forderten 30 Viertel Fourage und sielen zu¬
gleich in die Häuser und wollten plündern, allein es wurde sogleich gestürmt
und alle Mannspersonen versammelten sich mit tüchtigen Prügeln vor der Pfarr¬
wohnung und andere zwanzig kamen von Gierstädt. Dieses verschaffte der Sauve-
garde Respect, sie begehrten daher nur noch 20 Viertel Hafer und weiter nichts:
diese mußten ihnen aber nach Bicnsiädt von hiesigen Pferden nachgefahren
werden, von da haben sie solche mit nach Eisenach genommen. Dort haben
die Eigenthümer Karren und Pferde verlassen und kamen leer zurück. Vorher
aber hatten die Russen auch schon mehre Pferde mitgenommen.

Von da aus wurde es ziemlich ruhig, nur ich mußte die Sauvegarde noch
drei Wochen im Quartier behalten, weil ihn kein Mensch haben wollte, da er
ein sehr zorniger Kerl war. Er hieß Münzer und stammte, wie er selbst zu be¬
weisen suchte, von dem berüchtigten Münzer im Bauernkriege des 16. Seouli ab.

Endlich kam wieder preußische Infanterie und von jetzt wurde Ordnung
gehalten. Doch mußten wir immer noch liefern. --

Dies ist hier für unsere Nachkommen im Dorfe Kleinfahner aufgezeichnet
zum Gedächtniß an die schwere Zeit. Jeder Christenmensch aber bete, daß der
liebe Frieden uns und unsern Kindern erhalten bleibe. Denn der Krieg frißt,
wie ein grimmiger Löwe das Gut des Landmanns weg.




Aus

Wäbrend in unserm Nachbarland zur Rechten noch die Donner nachgrol¬
len, mit welchen sich das Gewitter über den fahrenden Sänger der Zukunft
entladen hat, und die Vorgänge am Hof Veranlassung zu einer lebhaften poli¬
tischen Bewegung geworden sind, liegt auch für die schwäbische Correspondenz
die Versuchung nahe, ihren Bericht mit eigenthümlichen Residcnzverhältnissen
zu beginnen. Denn ein neuer Hos macht immer von sich reden, und der
unsrige ist ja noch um ein paar Monate jünger als der bayrische. Nur tritt
sofort der Einwand entgegen, daß, was von hier zu berichten wäre, an Inder-


Fall der Noth auch in Activität setzen. Ich ließ daher alle Mannspersonen
vor die Pfarrwohnung kommen und überzeugte sie von der Nothwendigkeit
dieser Maßregel. Und das war gut, denn gleich den Freitag Vormittag er¬
schienen 20 Mann Baucrnlosaken, forderten 30 Viertel Fourage und sielen zu¬
gleich in die Häuser und wollten plündern, allein es wurde sogleich gestürmt
und alle Mannspersonen versammelten sich mit tüchtigen Prügeln vor der Pfarr¬
wohnung und andere zwanzig kamen von Gierstädt. Dieses verschaffte der Sauve-
garde Respect, sie begehrten daher nur noch 20 Viertel Hafer und weiter nichts:
diese mußten ihnen aber nach Bicnsiädt von hiesigen Pferden nachgefahren
werden, von da haben sie solche mit nach Eisenach genommen. Dort haben
die Eigenthümer Karren und Pferde verlassen und kamen leer zurück. Vorher
aber hatten die Russen auch schon mehre Pferde mitgenommen.

Von da aus wurde es ziemlich ruhig, nur ich mußte die Sauvegarde noch
drei Wochen im Quartier behalten, weil ihn kein Mensch haben wollte, da er
ein sehr zorniger Kerl war. Er hieß Münzer und stammte, wie er selbst zu be¬
weisen suchte, von dem berüchtigten Münzer im Bauernkriege des 16. Seouli ab.

Endlich kam wieder preußische Infanterie und von jetzt wurde Ordnung
gehalten. Doch mußten wir immer noch liefern. —

Dies ist hier für unsere Nachkommen im Dorfe Kleinfahner aufgezeichnet
zum Gedächtniß an die schwere Zeit. Jeder Christenmensch aber bete, daß der
liebe Frieden uns und unsern Kindern erhalten bleibe. Denn der Krieg frißt,
wie ein grimmiger Löwe das Gut des Landmanns weg.




Aus

Wäbrend in unserm Nachbarland zur Rechten noch die Donner nachgrol¬
len, mit welchen sich das Gewitter über den fahrenden Sänger der Zukunft
entladen hat, und die Vorgänge am Hof Veranlassung zu einer lebhaften poli¬
tischen Bewegung geworden sind, liegt auch für die schwäbische Correspondenz
die Versuchung nahe, ihren Bericht mit eigenthümlichen Residcnzverhältnissen
zu beginnen. Denn ein neuer Hos macht immer von sich reden, und der
unsrige ist ja noch um ein paar Monate jünger als der bayrische. Nur tritt
sofort der Einwand entgegen, daß, was von hier zu berichten wäre, an Inder-


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[0158] Fall der Noth auch in Activität setzen. Ich ließ daher alle Mannspersonen vor die Pfarrwohnung kommen und überzeugte sie von der Nothwendigkeit dieser Maßregel. Und das war gut, denn gleich den Freitag Vormittag er¬ schienen 20 Mann Baucrnlosaken, forderten 30 Viertel Fourage und sielen zu¬ gleich in die Häuser und wollten plündern, allein es wurde sogleich gestürmt und alle Mannspersonen versammelten sich mit tüchtigen Prügeln vor der Pfarr¬ wohnung und andere zwanzig kamen von Gierstädt. Dieses verschaffte der Sauve- garde Respect, sie begehrten daher nur noch 20 Viertel Hafer und weiter nichts: diese mußten ihnen aber nach Bicnsiädt von hiesigen Pferden nachgefahren werden, von da haben sie solche mit nach Eisenach genommen. Dort haben die Eigenthümer Karren und Pferde verlassen und kamen leer zurück. Vorher aber hatten die Russen auch schon mehre Pferde mitgenommen. Von da aus wurde es ziemlich ruhig, nur ich mußte die Sauvegarde noch drei Wochen im Quartier behalten, weil ihn kein Mensch haben wollte, da er ein sehr zorniger Kerl war. Er hieß Münzer und stammte, wie er selbst zu be¬ weisen suchte, von dem berüchtigten Münzer im Bauernkriege des 16. Seouli ab. Endlich kam wieder preußische Infanterie und von jetzt wurde Ordnung gehalten. Doch mußten wir immer noch liefern. — Dies ist hier für unsere Nachkommen im Dorfe Kleinfahner aufgezeichnet zum Gedächtniß an die schwere Zeit. Jeder Christenmensch aber bete, daß der liebe Frieden uns und unsern Kindern erhalten bleibe. Denn der Krieg frißt, wie ein grimmiger Löwe das Gut des Landmanns weg. Aus Wäbrend in unserm Nachbarland zur Rechten noch die Donner nachgrol¬ len, mit welchen sich das Gewitter über den fahrenden Sänger der Zukunft entladen hat, und die Vorgänge am Hof Veranlassung zu einer lebhaften poli¬ tischen Bewegung geworden sind, liegt auch für die schwäbische Correspondenz die Versuchung nahe, ihren Bericht mit eigenthümlichen Residcnzverhältnissen zu beginnen. Denn ein neuer Hos macht immer von sich reden, und der unsrige ist ja noch um ein paar Monate jünger als der bayrische. Nur tritt sofort der Einwand entgegen, daß, was von hier zu berichten wäre, an Inder-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/158>, abgerufen am 29.06.2024.