Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.leben mit seinem von der Universität zurückgekehrten Bruder, dem Dichter, 16"
leben mit seinem von der Universität zurückgekehrten Bruder, dem Dichter, 16"
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0135" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284605"/> <p xml:id="ID_482" prev="#ID_481" next="#ID_483"> leben mit seinem von der Universität zurückgekehrten Bruder, dem Dichter,<lb/> vielleicht zu sehr in eine entgegengesetzte Richtung. Er genoß noch Schadows Unter¬<lb/> richt und durfte in Paris seine Studien (auch zeichnend und malend in Davids<lb/> Werkstatt) fortsetzen, wo er bis 1801 blieb. In Weimar 1802. später in<lb/> Italien und die letzten vier Jahrzehnte seines langen Lebens in Berlin ist er<lb/> dann lernend, schaffend und lehrend thätig gewesen. Aber trotz dieser Lebens¬<lb/> dauer, trotz seines feinen, am classischen Alterthum gebildeten Geistes und seines<lb/> großen Talents ist er nie zu einer productiven Thätigkeit gelangt, deren Re-<lb/> sultate nicht von denen der Arbeit Rauchs in Schatten gestellt würden. Die<lb/> Hauptsumme seiner Werke, wenn wir von den zahlreichen Büsten und ein¬<lb/> zelnen der allegorischen Statuen am Kreuzbergmonument absehn. findet sich<lb/> an und in dem von Schinkel erbauten Schauspielhause auf dem Gensdarmcn-<lb/> markt in Berlin zusammen, seine besten wie die schwächsten, dem Greisenalter<lb/> ««gehörigen Schöpfungen. Zu jenen zählen in erster Reihe einige ganz vor¬<lb/> zügliche Musengestalten, welche als Karyatiden unter der. Decke des bekannten<lb/> Concertsaals angebracht sind, und die Marmorstatue Ifflands im Vorzimmer<lb/> dieses prächtigen Raums. Der Meister der mimischen Kunst ist hier sitzend<lb/> dargestellt in völlig idealer Tracht, mit nacktem Oberkörper und umgeschlungenem,<lb/> frei geordnetem Mantelgewand, eine Gestalt, der es bei großer Feinheit der<lb/> Charakteristik nicht an edler Würde und Hoheit gebricht. Auf der Spitze des<lb/> vordern obern Giebeldachs desselben Schauspielhauses ist die schön und schwung¬<lb/> voll bewegte Gestalt des Apoll in der von geflügelten Greifen gezogenen Biga,<lb/> im Giebelfelde darunter eine Rcliefbearbeilung der Niobidengruppe, die sich<lb/> ziemlich nahe an das berühmte antike Werk anschließt, im nördlichen Seiten¬<lb/> giebel der Triumph des Bachus mit Ariadne, im südlichen Orpheus im Tartaros<lb/> um Eurydices Rückkehr werbend von Tieck modellirt. Diese hoch heraus¬<lb/> gearbeiteten Neliescompositionen sind von reicher poetischer Erfindung und einer<lb/> großartig stilisirten Gestaltung. Aber für dasselbe Schauspielhaus modellirte<lb/> er auch später die beiden unglückseligsten Gruppen, welche uns von moderner<lb/> Plastik bescheert wurden, jenen Löwen von einem Flöte blasenden Genius und<lb/> jenen Tiger von einem Laute spielenden geritten und durch der Töne Macht<lb/> gebändigt, Gruppen, welche in Bronce gegossen auf den beiden Treppenwangen<lb/> des Gebäudes ihre Aufstellung fanden. In beiden giebt sich ein trauriger Ver¬<lb/> fall der ehemals bedeutenden Kraft ihres Autors kund, ein Verfall, von dem<lb/> auch die Marmorstatue Schinkels in der Vorhalle des Museums den Beweis<lb/> liefert. Selten hat die plastische Kunst und das Bestreben des Bildhauers, ge¬<lb/> wisse von der Antike abgesehene Manieren auf die Darstellung einer äußerlich<lb/> so widerstrebenden Persönlichkeit anzuwenden, einem bedeutenden Manne so<lb/> übel mitgespielt, als es hier dem Erbauer dieses Museums selbst ergangen<lb/> ist. Besser war es Tieck mit der Kolossalstatue des Kopernikus für Thorn ge-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 16"</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0135]
leben mit seinem von der Universität zurückgekehrten Bruder, dem Dichter,
vielleicht zu sehr in eine entgegengesetzte Richtung. Er genoß noch Schadows Unter¬
richt und durfte in Paris seine Studien (auch zeichnend und malend in Davids
Werkstatt) fortsetzen, wo er bis 1801 blieb. In Weimar 1802. später in
Italien und die letzten vier Jahrzehnte seines langen Lebens in Berlin ist er
dann lernend, schaffend und lehrend thätig gewesen. Aber trotz dieser Lebens¬
dauer, trotz seines feinen, am classischen Alterthum gebildeten Geistes und seines
großen Talents ist er nie zu einer productiven Thätigkeit gelangt, deren Re-
sultate nicht von denen der Arbeit Rauchs in Schatten gestellt würden. Die
Hauptsumme seiner Werke, wenn wir von den zahlreichen Büsten und ein¬
zelnen der allegorischen Statuen am Kreuzbergmonument absehn. findet sich
an und in dem von Schinkel erbauten Schauspielhause auf dem Gensdarmcn-
markt in Berlin zusammen, seine besten wie die schwächsten, dem Greisenalter
««gehörigen Schöpfungen. Zu jenen zählen in erster Reihe einige ganz vor¬
zügliche Musengestalten, welche als Karyatiden unter der. Decke des bekannten
Concertsaals angebracht sind, und die Marmorstatue Ifflands im Vorzimmer
dieses prächtigen Raums. Der Meister der mimischen Kunst ist hier sitzend
dargestellt in völlig idealer Tracht, mit nacktem Oberkörper und umgeschlungenem,
frei geordnetem Mantelgewand, eine Gestalt, der es bei großer Feinheit der
Charakteristik nicht an edler Würde und Hoheit gebricht. Auf der Spitze des
vordern obern Giebeldachs desselben Schauspielhauses ist die schön und schwung¬
voll bewegte Gestalt des Apoll in der von geflügelten Greifen gezogenen Biga,
im Giebelfelde darunter eine Rcliefbearbeilung der Niobidengruppe, die sich
ziemlich nahe an das berühmte antike Werk anschließt, im nördlichen Seiten¬
giebel der Triumph des Bachus mit Ariadne, im südlichen Orpheus im Tartaros
um Eurydices Rückkehr werbend von Tieck modellirt. Diese hoch heraus¬
gearbeiteten Neliescompositionen sind von reicher poetischer Erfindung und einer
großartig stilisirten Gestaltung. Aber für dasselbe Schauspielhaus modellirte
er auch später die beiden unglückseligsten Gruppen, welche uns von moderner
Plastik bescheert wurden, jenen Löwen von einem Flöte blasenden Genius und
jenen Tiger von einem Laute spielenden geritten und durch der Töne Macht
gebändigt, Gruppen, welche in Bronce gegossen auf den beiden Treppenwangen
des Gebäudes ihre Aufstellung fanden. In beiden giebt sich ein trauriger Ver¬
fall der ehemals bedeutenden Kraft ihres Autors kund, ein Verfall, von dem
auch die Marmorstatue Schinkels in der Vorhalle des Museums den Beweis
liefert. Selten hat die plastische Kunst und das Bestreben des Bildhauers, ge¬
wisse von der Antike abgesehene Manieren auf die Darstellung einer äußerlich
so widerstrebenden Persönlichkeit anzuwenden, einem bedeutenden Manne so
übel mitgespielt, als es hier dem Erbauer dieses Museums selbst ergangen
ist. Besser war es Tieck mit der Kolossalstatue des Kopernikus für Thorn ge-
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