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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Der Ritterfeste morsche Trümmer blicken
Vom Fels ins Thal, zerstört vom Sturm der Zeit,
Sie lehren uns, daß alles, was hier blühet,
Anselm fällt der Vergänglichkeit,
Der Kranich zieht in langen graden Linien
Der fernen, mildern Heimath fröhlich zu,
Das Leben stirbt allmälig und bald herrschet
Rings um mich stille Grabesruh.
Und doch, Natur, wie schön im Sterbekleide,
Ich lausche träumend deinem Schwanensang;
Denn auf der Töne Wellen schwimmt dein Leben
Dahin, wie ein verwester Klang.
Fragen und Antwort.

Es ist wohl nicht mehr nöthig, die Entschuldigung des Lesers dafür zu erbitten,
daß in diesem Blan, welches manche werthvollere Poesie unerwähnt zu lassen
genöthigt ist, die bescheidene Kunst zweier Arbeiter aus dem Volk weitläufig
besprochen wird. Nicht vorzugsweise die poetische Bedeutung der Gedichte fessel't
die Theilnahme, auch nicht allein die Erdenstellung der Verfasser. Denn noch
eine andere elegische Stimmung bleibt zurück, wenn man diese Bogen durch¬
blättert hat. In beiden Gedichtsammlungen erkennt man ein stilles, tiefes
Schmerzgefühl der Dichter, das ihnen durch den harten Kampf.mit dem Leben
in die weiche Seele gedrungen ist. Was sie erweisen, ist doch am Ende keine
frohe Kraft, sonder" theils wehmüthige, theils unwillige Resignation. Schwer
und lang ist uns Deutschen das Ringen um den äußern Bedarf des Lebens,
mühsam der Weg zu freier Bildung. Wohl ziemt uns, immer daran zu den¬
ken, welche Kraftanstrengung für d^n kleinen armen Mann nöthig ist, um des
Schönen habhaft zu werden, das unser Leben schmückt, und Theil zu gewinnen
an den großen Gedanken, welche uns Glücklicheren die Äeele adeln. Wer die¬
sen langen und schweren Bildungsproceß unter Hindernissen durchgemacht hat,
wie die'beiden genannten Männer, der ist aller Ehre werth.

Und auch schmerzlicher Theilnahme. Denn was sie an Bildung gewonnen
haben, macht sie allerdings in einzelnen Stunden sehr glücklich, in andern aber
P traurig. Darin liegt für uns alle eine Mahnung.




Verantwortlicher Redacteur: Vr. Morip Busch.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von C,., E. Elbert in Leipzig.
Der Ritterfeste morsche Trümmer blicken
Vom Fels ins Thal, zerstört vom Sturm der Zeit,
Sie lehren uns, daß alles, was hier blühet,
Anselm fällt der Vergänglichkeit,
Der Kranich zieht in langen graden Linien
Der fernen, mildern Heimath fröhlich zu,
Das Leben stirbt allmälig und bald herrschet
Rings um mich stille Grabesruh.
Und doch, Natur, wie schön im Sterbekleide,
Ich lausche träumend deinem Schwanensang;
Denn auf der Töne Wellen schwimmt dein Leben
Dahin, wie ein verwester Klang.
Fragen und Antwort.

Es ist wohl nicht mehr nöthig, die Entschuldigung des Lesers dafür zu erbitten,
daß in diesem Blan, welches manche werthvollere Poesie unerwähnt zu lassen
genöthigt ist, die bescheidene Kunst zweier Arbeiter aus dem Volk weitläufig
besprochen wird. Nicht vorzugsweise die poetische Bedeutung der Gedichte fessel't
die Theilnahme, auch nicht allein die Erdenstellung der Verfasser. Denn noch
eine andere elegische Stimmung bleibt zurück, wenn man diese Bogen durch¬
blättert hat. In beiden Gedichtsammlungen erkennt man ein stilles, tiefes
Schmerzgefühl der Dichter, das ihnen durch den harten Kampf.mit dem Leben
in die weiche Seele gedrungen ist. Was sie erweisen, ist doch am Ende keine
frohe Kraft, sonder» theils wehmüthige, theils unwillige Resignation. Schwer
und lang ist uns Deutschen das Ringen um den äußern Bedarf des Lebens,
mühsam der Weg zu freier Bildung. Wohl ziemt uns, immer daran zu den¬
ken, welche Kraftanstrengung für d^n kleinen armen Mann nöthig ist, um des
Schönen habhaft zu werden, das unser Leben schmückt, und Theil zu gewinnen
an den großen Gedanken, welche uns Glücklicheren die Äeele adeln. Wer die¬
sen langen und schweren Bildungsproceß unter Hindernissen durchgemacht hat,
wie die'beiden genannten Männer, der ist aller Ehre werth.

Und auch schmerzlicher Theilnahme. Denn was sie an Bildung gewonnen
haben, macht sie allerdings in einzelnen Stunden sehr glücklich, in andern aber
P traurig. Darin liegt für uns alle eine Mahnung.




Verantwortlicher Redacteur: Vr. Morip Busch.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C,., E. Elbert in Leipzig.
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[0130] Der Ritterfeste morsche Trümmer blicken Vom Fels ins Thal, zerstört vom Sturm der Zeit, Sie lehren uns, daß alles, was hier blühet, Anselm fällt der Vergänglichkeit, Der Kranich zieht in langen graden Linien Der fernen, mildern Heimath fröhlich zu, Das Leben stirbt allmälig und bald herrschet Rings um mich stille Grabesruh. Und doch, Natur, wie schön im Sterbekleide, Ich lausche träumend deinem Schwanensang; Denn auf der Töne Wellen schwimmt dein Leben Dahin, wie ein verwester Klang. Fragen und Antwort. Es ist wohl nicht mehr nöthig, die Entschuldigung des Lesers dafür zu erbitten, daß in diesem Blan, welches manche werthvollere Poesie unerwähnt zu lassen genöthigt ist, die bescheidene Kunst zweier Arbeiter aus dem Volk weitläufig besprochen wird. Nicht vorzugsweise die poetische Bedeutung der Gedichte fessel't die Theilnahme, auch nicht allein die Erdenstellung der Verfasser. Denn noch eine andere elegische Stimmung bleibt zurück, wenn man diese Bogen durch¬ blättert hat. In beiden Gedichtsammlungen erkennt man ein stilles, tiefes Schmerzgefühl der Dichter, das ihnen durch den harten Kampf.mit dem Leben in die weiche Seele gedrungen ist. Was sie erweisen, ist doch am Ende keine frohe Kraft, sonder» theils wehmüthige, theils unwillige Resignation. Schwer und lang ist uns Deutschen das Ringen um den äußern Bedarf des Lebens, mühsam der Weg zu freier Bildung. Wohl ziemt uns, immer daran zu den¬ ken, welche Kraftanstrengung für d^n kleinen armen Mann nöthig ist, um des Schönen habhaft zu werden, das unser Leben schmückt, und Theil zu gewinnen an den großen Gedanken, welche uns Glücklicheren die Äeele adeln. Wer die¬ sen langen und schweren Bildungsproceß unter Hindernissen durchgemacht hat, wie die'beiden genannten Männer, der ist aller Ehre werth. Und auch schmerzlicher Theilnahme. Denn was sie an Bildung gewonnen haben, macht sie allerdings in einzelnen Stunden sehr glücklich, in andern aber P traurig. Darin liegt für uns alle eine Mahnung. Verantwortlicher Redacteur: Vr. Morip Busch. Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C,., E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/130>, abgerufen am 28.09.2024.