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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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getrieben worden. Mit Vorliebe suchte Jahr und seine Genossen die alten
kräftigen Gliederbewegungen auf. Gerwurf, Sprung. Steinwurf und Stein-
stoß sind wie das Ringen, welches unter Alemannen und Burgunden der
Schweiz bis heut volksmäßig dauert, Uebungen, welche die Germanen wahr¬
scheinlich schon zu festem Brauch ausgebildet aus Asien herüberbrachten.
Wenigstens sind dieselben Uebungen den Griechen ebenso national.

Zu diesen Fertigkeiten, den Vorübungen für den Krieg, gehörte auch das
Schwimmen. Schon Tacitus erzählt von dem häufigen Baden der Deutschen
in kaltem und warmem Quell, und von je tauchte die Jugend beider Geschlechter
neben'einander die Glieder in die kalte Fluth, ohne daß dies als eine Verletzung
der Sitte und des Schamgefühls erschien. Die Germanenkrieger sind geübt,
auch unter den Waffen Ströme zu durchschwimmen. Dann hilft der Schild,
aus leichtem Lindenholz gefertigt, den Schwimmer und sein Geräth tragen.

Aber fett dem frühen Mittelalter ist in Deutschland daneben das Bad in
der Wanne und im gewärmten Wasser üblich, schwerlich als eine Nachahmung
römischen Brauches. Selten fehlt einem Grundstück auf dem Lande das kleine
Baoehaus, auch in den Städten gehört die warme Badestubc zur vollständigen
Einrichtung eines Hauses. Wer nicht selbst eine Badestube besitzt, gehl zu
einem der städtischen Bäder, wo ihm auch an glückbringenden Tagen nützliche
Tränke gereicht, zur Ader gelassen und Schröpfköpfe aufgesetzt werde" konnte".
Die öffentlichen Badestuben der Städte waren aber nichl gut beleumdet, sie
waren Hauptstädten des Stadtklatsches und zuweilen auch der Unsitte. Bis
zum dreißigjährigen Krieg galt in Stadt und Land das warme Bad aller
Welt sür ein nothwendiges Element der Gesundheitspflege, erst seitdem kam es
ab, die Geistlichen eiferten dagegen, und die künstliche Staffage der Kleidung,
wie das falsche Haar machten Aus- und Ankleiden während des Tages sehr
unbequem. Wahrscheinlich war durch den Gebrauch der warmen Bäder schon
im Mittelalter das kalte Flußbad in vielen Landschaften Deutschlands aus der
Mode gekommen. Die Schwimmkunst erhielt sich nur hier und da, an der
See und am Rande größerer Flüsse, aber sie war wenigstens zur Zeit der
Reformation im innern Deutschland eine seltene und auffallende Fertigkeit.

Das wird deutlich aus dem Inhalt eines kleinen, ausnehmend seltenen
Büchleins über die Schwimmkunst, welches unter dem Titel Kolymbetes (der
Taucher) im Jahr 1538 zu Augsburg gedruckt wurde und in lateinischen Dialoge
unter anderem erstaunt berichtet, daß zu Zürich in der Schweiz die Jugend
das Schwimmen mit Meisterschaft übe. Die ergötzliche Stelle des Gespräches
ist der Mittheilung werth, weil sie auch noch andere Züge aus dem Leben der
Vorfahren überliefert. Sie folgt hier wortgetreu übersetzt mit aller pedantischen
Eleganz, womit der humanistische Schulmeister seine Darstellung vertraust.
Der Dialog beginnt folgendermaßen:


getrieben worden. Mit Vorliebe suchte Jahr und seine Genossen die alten
kräftigen Gliederbewegungen auf. Gerwurf, Sprung. Steinwurf und Stein-
stoß sind wie das Ringen, welches unter Alemannen und Burgunden der
Schweiz bis heut volksmäßig dauert, Uebungen, welche die Germanen wahr¬
scheinlich schon zu festem Brauch ausgebildet aus Asien herüberbrachten.
Wenigstens sind dieselben Uebungen den Griechen ebenso national.

Zu diesen Fertigkeiten, den Vorübungen für den Krieg, gehörte auch das
Schwimmen. Schon Tacitus erzählt von dem häufigen Baden der Deutschen
in kaltem und warmem Quell, und von je tauchte die Jugend beider Geschlechter
neben'einander die Glieder in die kalte Fluth, ohne daß dies als eine Verletzung
der Sitte und des Schamgefühls erschien. Die Germanenkrieger sind geübt,
auch unter den Waffen Ströme zu durchschwimmen. Dann hilft der Schild,
aus leichtem Lindenholz gefertigt, den Schwimmer und sein Geräth tragen.

Aber fett dem frühen Mittelalter ist in Deutschland daneben das Bad in
der Wanne und im gewärmten Wasser üblich, schwerlich als eine Nachahmung
römischen Brauches. Selten fehlt einem Grundstück auf dem Lande das kleine
Baoehaus, auch in den Städten gehört die warme Badestubc zur vollständigen
Einrichtung eines Hauses. Wer nicht selbst eine Badestube besitzt, gehl zu
einem der städtischen Bäder, wo ihm auch an glückbringenden Tagen nützliche
Tränke gereicht, zur Ader gelassen und Schröpfköpfe aufgesetzt werde» konnte».
Die öffentlichen Badestuben der Städte waren aber nichl gut beleumdet, sie
waren Hauptstädten des Stadtklatsches und zuweilen auch der Unsitte. Bis
zum dreißigjährigen Krieg galt in Stadt und Land das warme Bad aller
Welt sür ein nothwendiges Element der Gesundheitspflege, erst seitdem kam es
ab, die Geistlichen eiferten dagegen, und die künstliche Staffage der Kleidung,
wie das falsche Haar machten Aus- und Ankleiden während des Tages sehr
unbequem. Wahrscheinlich war durch den Gebrauch der warmen Bäder schon
im Mittelalter das kalte Flußbad in vielen Landschaften Deutschlands aus der
Mode gekommen. Die Schwimmkunst erhielt sich nur hier und da, an der
See und am Rande größerer Flüsse, aber sie war wenigstens zur Zeit der
Reformation im innern Deutschland eine seltene und auffallende Fertigkeit.

Das wird deutlich aus dem Inhalt eines kleinen, ausnehmend seltenen
Büchleins über die Schwimmkunst, welches unter dem Titel Kolymbetes (der
Taucher) im Jahr 1538 zu Augsburg gedruckt wurde und in lateinischen Dialoge
unter anderem erstaunt berichtet, daß zu Zürich in der Schweiz die Jugend
das Schwimmen mit Meisterschaft übe. Die ergötzliche Stelle des Gespräches
ist der Mittheilung werth, weil sie auch noch andere Züge aus dem Leben der
Vorfahren überliefert. Sie folgt hier wortgetreu übersetzt mit aller pedantischen
Eleganz, womit der humanistische Schulmeister seine Darstellung vertraust.
Der Dialog beginnt folgendermaßen:


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[0114] getrieben worden. Mit Vorliebe suchte Jahr und seine Genossen die alten kräftigen Gliederbewegungen auf. Gerwurf, Sprung. Steinwurf und Stein- stoß sind wie das Ringen, welches unter Alemannen und Burgunden der Schweiz bis heut volksmäßig dauert, Uebungen, welche die Germanen wahr¬ scheinlich schon zu festem Brauch ausgebildet aus Asien herüberbrachten. Wenigstens sind dieselben Uebungen den Griechen ebenso national. Zu diesen Fertigkeiten, den Vorübungen für den Krieg, gehörte auch das Schwimmen. Schon Tacitus erzählt von dem häufigen Baden der Deutschen in kaltem und warmem Quell, und von je tauchte die Jugend beider Geschlechter neben'einander die Glieder in die kalte Fluth, ohne daß dies als eine Verletzung der Sitte und des Schamgefühls erschien. Die Germanenkrieger sind geübt, auch unter den Waffen Ströme zu durchschwimmen. Dann hilft der Schild, aus leichtem Lindenholz gefertigt, den Schwimmer und sein Geräth tragen. Aber fett dem frühen Mittelalter ist in Deutschland daneben das Bad in der Wanne und im gewärmten Wasser üblich, schwerlich als eine Nachahmung römischen Brauches. Selten fehlt einem Grundstück auf dem Lande das kleine Baoehaus, auch in den Städten gehört die warme Badestubc zur vollständigen Einrichtung eines Hauses. Wer nicht selbst eine Badestube besitzt, gehl zu einem der städtischen Bäder, wo ihm auch an glückbringenden Tagen nützliche Tränke gereicht, zur Ader gelassen und Schröpfköpfe aufgesetzt werde» konnte». Die öffentlichen Badestuben der Städte waren aber nichl gut beleumdet, sie waren Hauptstädten des Stadtklatsches und zuweilen auch der Unsitte. Bis zum dreißigjährigen Krieg galt in Stadt und Land das warme Bad aller Welt sür ein nothwendiges Element der Gesundheitspflege, erst seitdem kam es ab, die Geistlichen eiferten dagegen, und die künstliche Staffage der Kleidung, wie das falsche Haar machten Aus- und Ankleiden während des Tages sehr unbequem. Wahrscheinlich war durch den Gebrauch der warmen Bäder schon im Mittelalter das kalte Flußbad in vielen Landschaften Deutschlands aus der Mode gekommen. Die Schwimmkunst erhielt sich nur hier und da, an der See und am Rande größerer Flüsse, aber sie war wenigstens zur Zeit der Reformation im innern Deutschland eine seltene und auffallende Fertigkeit. Das wird deutlich aus dem Inhalt eines kleinen, ausnehmend seltenen Büchleins über die Schwimmkunst, welches unter dem Titel Kolymbetes (der Taucher) im Jahr 1538 zu Augsburg gedruckt wurde und in lateinischen Dialoge unter anderem erstaunt berichtet, daß zu Zürich in der Schweiz die Jugend das Schwimmen mit Meisterschaft übe. Die ergötzliche Stelle des Gespräches ist der Mittheilung werth, weil sie auch noch andere Züge aus dem Leben der Vorfahren überliefert. Sie folgt hier wortgetreu übersetzt mit aller pedantischen Eleganz, womit der humanistische Schulmeister seine Darstellung vertraust. Der Dialog beginnt folgendermaßen:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/114>, abgerufen am 29.06.2024.