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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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sind, und zeigt durchgängig in seinen Formen eine weit größere Durchsichtigkeit
der Bildung als jene; es erhellt daraus, wie epochemachend eine durchgeführte
Vergleichung der grammatischen Formen dieser Sprache mit denen der ver¬
wandten sein mußte. Eine solche ist nun zuerst in dem oben genannten Werke
klar und scharf gegeben. Hatte Bopp nie ein anderes Buch geschrieben, den
Ruhm, die vergleichende Sprachwissenschaft gegründet zu haben, würde ihm dies
Werkchen allein sichern. Die Willkürlichkeit, welche blos zufallige Lautähnlich¬
keiten beachtet, wird verbannt; bestimmte Gesetze für die Wandelung der Laute
und Formen werden nachgewiesen, und ein allgemeiner Plan wird entworfen,
die Methode wird festgestellt, nach welcher die Untersuchung der zahllosen Einzel"
selten vorgenommen und der Bau der Sprachvergleichung seiner Vollendung
entgegengeführt werden kann.

Bopp hat die Vergleichung des gescunmten Baus der mit dem Sanskrit
verwandten Sprachen, welche man, wenigstens in Deutschland, die indoger¬
manischen zu nennen Pflegt, mehrmals mit immer größerer innerer und äußerer
Vollständigkeit in großen Zügen mit der ihm eignen Klarheit durchgeführt; nach
und nach sind die allmälig ans Licht tretenden ältern Dialekte Persiens, serner
die slavischen, lithauischen und keltischen Sprachen in die Vergleichung herein¬
gezogen, und jede neu verglichene Schwestersprache hat der Wissenschaft zwar
"cuc Räthsel aufgegeben, aber auch dazu beigetragen, alte Räthsel auszu¬
pfen; denn das ist eben eins der wichtigsten Ergebnisse dieser Vergleichung, daß
jede einzelne indogermanische Sprache gewisse Züge der Mutter ursprünglicher
und also deutlicher aufbewahrt hat, als andere, während jede wieder ihre ganz
individuellen Eigenheiten aufweist.

Bopp hat sich nicht mit dem Ruhm begnügt, die Gesetze der Sprachver¬
gleichung im Ganzen und Großen nachgewiesen zu haben; er hat auch zahl¬
reiche Einzeluntersuchungen geführt und den Ausbau des von ihm gegründeten
Gebäudes mit eigner Hand sehr wesentlich gefördert; ^dazu hat er noch die
specielle Kenntniß des Sanskrit durch mündlichen Unterricht wie durch vortreff¬
liche Werke aufs eifrigste verbreitet. Auf beiden Gebieten, dem der allgemeinen
Sprachvergleichung, wie dem der speciellen Sanskritphilologie hat er die Freude
gehabt, eine Reese der begabtesten und eifrigsten Schüler zu finden, welche die
von ihm durch directe Belehrung wie aus seinen Schriften gelernten Grundsätze
der Forschung mit dem größten Erfolge zur Förderung der Wissenschaft an-
wandten. Kaum einer von ihnen hat sich ganz aus eines der beiden Gebiete
beschränkt, wenn auch die meisten je eines derselben zu ihrem Lieblingssache
machten.

Es ist der Stolz des deutschen Volkes, daß fast alle bedeutenderen Vertreter
der indogermanischen Sprachvergleichung ihm angehören. Männern wie Pott.
Benfey. Böhtlingk, Roth, Weber, Kühn und vielen andern hat Frankreich nur


sind, und zeigt durchgängig in seinen Formen eine weit größere Durchsichtigkeit
der Bildung als jene; es erhellt daraus, wie epochemachend eine durchgeführte
Vergleichung der grammatischen Formen dieser Sprache mit denen der ver¬
wandten sein mußte. Eine solche ist nun zuerst in dem oben genannten Werke
klar und scharf gegeben. Hatte Bopp nie ein anderes Buch geschrieben, den
Ruhm, die vergleichende Sprachwissenschaft gegründet zu haben, würde ihm dies
Werkchen allein sichern. Die Willkürlichkeit, welche blos zufallige Lautähnlich¬
keiten beachtet, wird verbannt; bestimmte Gesetze für die Wandelung der Laute
und Formen werden nachgewiesen, und ein allgemeiner Plan wird entworfen,
die Methode wird festgestellt, nach welcher die Untersuchung der zahllosen Einzel«
selten vorgenommen und der Bau der Sprachvergleichung seiner Vollendung
entgegengeführt werden kann.

Bopp hat die Vergleichung des gescunmten Baus der mit dem Sanskrit
verwandten Sprachen, welche man, wenigstens in Deutschland, die indoger¬
manischen zu nennen Pflegt, mehrmals mit immer größerer innerer und äußerer
Vollständigkeit in großen Zügen mit der ihm eignen Klarheit durchgeführt; nach
und nach sind die allmälig ans Licht tretenden ältern Dialekte Persiens, serner
die slavischen, lithauischen und keltischen Sprachen in die Vergleichung herein¬
gezogen, und jede neu verglichene Schwestersprache hat der Wissenschaft zwar
"cuc Räthsel aufgegeben, aber auch dazu beigetragen, alte Räthsel auszu¬
pfen; denn das ist eben eins der wichtigsten Ergebnisse dieser Vergleichung, daß
jede einzelne indogermanische Sprache gewisse Züge der Mutter ursprünglicher
und also deutlicher aufbewahrt hat, als andere, während jede wieder ihre ganz
individuellen Eigenheiten aufweist.

Bopp hat sich nicht mit dem Ruhm begnügt, die Gesetze der Sprachver¬
gleichung im Ganzen und Großen nachgewiesen zu haben; er hat auch zahl¬
reiche Einzeluntersuchungen geführt und den Ausbau des von ihm gegründeten
Gebäudes mit eigner Hand sehr wesentlich gefördert; ^dazu hat er noch die
specielle Kenntniß des Sanskrit durch mündlichen Unterricht wie durch vortreff¬
liche Werke aufs eifrigste verbreitet. Auf beiden Gebieten, dem der allgemeinen
Sprachvergleichung, wie dem der speciellen Sanskritphilologie hat er die Freude
gehabt, eine Reese der begabtesten und eifrigsten Schüler zu finden, welche die
von ihm durch directe Belehrung wie aus seinen Schriften gelernten Grundsätze
der Forschung mit dem größten Erfolge zur Förderung der Wissenschaft an-
wandten. Kaum einer von ihnen hat sich ganz aus eines der beiden Gebiete
beschränkt, wenn auch die meisten je eines derselben zu ihrem Lieblingssache
machten.

Es ist der Stolz des deutschen Volkes, daß fast alle bedeutenderen Vertreter
der indogermanischen Sprachvergleichung ihm angehören. Männern wie Pott.
Benfey. Böhtlingk, Roth, Weber, Kühn und vielen andern hat Frankreich nur


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/105>, abgerufen am 29.06.2024.