Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.mehr hat. Er wünscht sich den Tod, weil sein Lieblingsgewächs so rasch ver¬ An eine geschichtliche Darstellung ist bei dieser Erzählung nicht zu denken. Die einzige Frage, welche in dieser Hinsicht noch aufgeworfen werden ') Man hat in neuerer Zeit die hier angedeutete Prophetie Jonas in dem schwierigen Orakel eines sehr alten Propheten finden wollen, welches Jesaias Cnp. Is und 1<> wiederholt. Diese Annahme scheitert aber schon an dem Umstände, daß hier offenbar ein Prophet des südlichen Reichs (Jubel), nicht des nördlichen (Israel oder Ephraim) redet. wliNjvolen III. 186S. 12
mehr hat. Er wünscht sich den Tod, weil sein Lieblingsgewächs so rasch ver¬ An eine geschichtliche Darstellung ist bei dieser Erzählung nicht zu denken. Die einzige Frage, welche in dieser Hinsicht noch aufgeworfen werden ') Man hat in neuerer Zeit die hier angedeutete Prophetie Jonas in dem schwierigen Orakel eines sehr alten Propheten finden wollen, welches Jesaias Cnp. Is und 1<> wiederholt. Diese Annahme scheitert aber schon an dem Umstände, daß hier offenbar ein Prophet des südlichen Reichs (Jubel), nicht des nördlichen (Israel oder Ephraim) redet. wliNjvolen III. 186S. 12
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0099" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283452"/> <p xml:id="ID_272" prev="#ID_271"> mehr hat. Er wünscht sich den Tod, weil sein Lieblingsgewächs so rasch ver¬<lb/> nichtet ist. Nun aber setzt ihn Gott zur Rede, wie er, der unmuthig sei über<lb/> das Schicksal einer solchen Pflanze, es Gott verargen wolle, daß er sich der<lb/> gewaltigen Stadt mit den zahllosen unmündigen Kindern und dem unschuldigen<lb/> Vieh darin erbarme. — Damit schließt die Erzählung ganz abgebrochen, wie<lb/> sie abgebrochen anfängt.</p><lb/> <p xml:id="ID_273"> An eine geschichtliche Darstellung ist bei dieser Erzählung nicht zu denken.<lb/> Die kindliche Weise, in der hier Gott auftritt, ließe sich freilich zur Noth noch<lb/> dem Berichterstatter zur Last legen, der etwa die ihm vorliegenden geschichtlichen<lb/> Angaben nur auf seine Weise bearbeitet habe. Aber die wesentlichsten Züge<lb/> der Erzählung selbst verstoßen wider alle Wirklichkeit. Daß Jona von einem<lb/> Fisch verschlungen wird, drei Tage in seinem Innern bei vollem Bewußtsein<lb/> verharrt, und daß die Niniviten beim ersten Auftreten des israelitischen Pro¬<lb/> pheten sofort bekehrt werden, sind Dinge, deren Unmöglichkeit die ganze Ge¬<lb/> schichte ins Gebiet der Dichtung verweist. Dazu kommen noch einige kleinere<lb/> Züge, wie z. B. die unendliche Größe der Stadt Ninive, welche „drei Tage¬<lb/> reisen" groß ist, nach dem ganzen Zusammenhange kann dies nur so viel be¬<lb/> deuten, daß von einem Ende Niniveh bis zum andern mindestens 12 Meilen<lb/> Wegs gewesen, so daß demnach die am Ende angeführte Zahl von mehr als<lb/> 12d,000 unmündigen Kindern („Menschen, welche nicht ihre Rechte von ihrer<lb/> Linken unterscheiden können") für eine solche Größe der Stadt noch viel zu<lb/> gering wäre, so unglaublich die daraus zu erschließende Einwohnerzahl auch an<lb/> und für sich schon sein muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_274" next="#ID_275"> Die einzige Frage, welche in dieser Hinsicht noch aufgeworfen werden<lb/> könnte, wäre die. ob der Verfasser wenigstens die Grundzüge einer geschicht¬<lb/> lichen Ueberlieferung befolgt hätte. Der Name Jona ist allerdings nicht Will¬<lb/> kürlich gewählt. Im zweiten Buch der Könige 14, 26 heißt es, der König<lb/> Jerobeam der Zweite von Israel habe die alten Grenzen des davidischen Reichs<lb/> wiederhergestellt, wie es Gott verkündigt habe durch seinen Knecht, den Propheten<lb/> Jyna. Sohn des Amitthai von Gäth-Hahefer (einem Ort Nordpalästinas).<lb/> Aus dieser durchaus zuverlässigen Nachricht*) sehen wir, daß dieser Prophet<lb/> spätestens ein Zeitgenosse des großen Eroberers Jerobeam des Zweiten (erste<lb/> Hälfte des achten Jahrhunderts vor Chr. Geb.) war. weiter wissen wir nichts<lb/> von ihm. Ziehen wir nun alle unglaublichen Züge unserer Erzählung ab, so<lb/> bleibt als möglicherweise geschichtlich, daß dieser alte Prophet eine Reise nach</p><lb/> <note xml:id="FID_12" place="foot"> ') Man hat in neuerer Zeit die hier angedeutete Prophetie Jonas in dem schwierigen<lb/> Orakel eines sehr alten Propheten finden wollen, welches Jesaias Cnp. Is und 1<> wiederholt.<lb/> Diese Annahme scheitert aber schon an dem Umstände, daß hier offenbar ein Prophet des<lb/> südlichen Reichs (Jubel), nicht des nördlichen (Israel oder Ephraim) redet.</note><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> wliNjvolen III. 186S. 12</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0099]
mehr hat. Er wünscht sich den Tod, weil sein Lieblingsgewächs so rasch ver¬
nichtet ist. Nun aber setzt ihn Gott zur Rede, wie er, der unmuthig sei über
das Schicksal einer solchen Pflanze, es Gott verargen wolle, daß er sich der
gewaltigen Stadt mit den zahllosen unmündigen Kindern und dem unschuldigen
Vieh darin erbarme. — Damit schließt die Erzählung ganz abgebrochen, wie
sie abgebrochen anfängt.
An eine geschichtliche Darstellung ist bei dieser Erzählung nicht zu denken.
Die kindliche Weise, in der hier Gott auftritt, ließe sich freilich zur Noth noch
dem Berichterstatter zur Last legen, der etwa die ihm vorliegenden geschichtlichen
Angaben nur auf seine Weise bearbeitet habe. Aber die wesentlichsten Züge
der Erzählung selbst verstoßen wider alle Wirklichkeit. Daß Jona von einem
Fisch verschlungen wird, drei Tage in seinem Innern bei vollem Bewußtsein
verharrt, und daß die Niniviten beim ersten Auftreten des israelitischen Pro¬
pheten sofort bekehrt werden, sind Dinge, deren Unmöglichkeit die ganze Ge¬
schichte ins Gebiet der Dichtung verweist. Dazu kommen noch einige kleinere
Züge, wie z. B. die unendliche Größe der Stadt Ninive, welche „drei Tage¬
reisen" groß ist, nach dem ganzen Zusammenhange kann dies nur so viel be¬
deuten, daß von einem Ende Niniveh bis zum andern mindestens 12 Meilen
Wegs gewesen, so daß demnach die am Ende angeführte Zahl von mehr als
12d,000 unmündigen Kindern („Menschen, welche nicht ihre Rechte von ihrer
Linken unterscheiden können") für eine solche Größe der Stadt noch viel zu
gering wäre, so unglaublich die daraus zu erschließende Einwohnerzahl auch an
und für sich schon sein muß.
Die einzige Frage, welche in dieser Hinsicht noch aufgeworfen werden
könnte, wäre die. ob der Verfasser wenigstens die Grundzüge einer geschicht¬
lichen Ueberlieferung befolgt hätte. Der Name Jona ist allerdings nicht Will¬
kürlich gewählt. Im zweiten Buch der Könige 14, 26 heißt es, der König
Jerobeam der Zweite von Israel habe die alten Grenzen des davidischen Reichs
wiederhergestellt, wie es Gott verkündigt habe durch seinen Knecht, den Propheten
Jyna. Sohn des Amitthai von Gäth-Hahefer (einem Ort Nordpalästinas).
Aus dieser durchaus zuverlässigen Nachricht*) sehen wir, daß dieser Prophet
spätestens ein Zeitgenosse des großen Eroberers Jerobeam des Zweiten (erste
Hälfte des achten Jahrhunderts vor Chr. Geb.) war. weiter wissen wir nichts
von ihm. Ziehen wir nun alle unglaublichen Züge unserer Erzählung ab, so
bleibt als möglicherweise geschichtlich, daß dieser alte Prophet eine Reise nach
') Man hat in neuerer Zeit die hier angedeutete Prophetie Jonas in dem schwierigen
Orakel eines sehr alten Propheten finden wollen, welches Jesaias Cnp. Is und 1<> wiederholt.
Diese Annahme scheitert aber schon an dem Umstände, daß hier offenbar ein Prophet des
südlichen Reichs (Jubel), nicht des nördlichen (Israel oder Ephraim) redet.
wliNjvolen III. 186S. 12
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |