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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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der Confessionen kümmern, stellten er und sein französischer Helfershelfer sich
so, als schrieben sie dem Kriege eine religiöse Bedeutung zu, so geschah es nur,
weil sie es opportun fanden, weil sie damit das protestantische Volk auf ihre
Seite zu bringen hofften. Als der Zweck erreicht war, sahen sich die beiden
Auguren an und lachten. Zwei ungläubige Philosophen Erfinder und Prediger
des Religionskriegs, die Anhänglichkeit der Menschen an positives Kirchenthum
zu den Zwecken eines Königs ausgebeutet, der dieses Kirchenthum für Thorheit
hielt -- wie hätte Herr Klopp sich die Ausmalung dieses pikanten Contrastes
versagen dürfen!

Anders unser Autor, der damit allerdings weniger pikant wird, aber sicher
der Wahrheit besser dient als jener katholisirende Tendenzschriststeller. Der
siebenjährige Krieg war in der That, wenn auch nicht vorwiegend, ein Religions¬
krieg. wenigstens faßte ihn ein Theil des Volkes bis zu einem gewissen Grade
so auf. und Friedrich selbst theilte die damit verbundenen Besorgnisse. Klopp
läugnet natürlich wie die ganze Gruppe von PseudoHistorikern, der er angehört,
daß katholischerseits Anlaß zu Befürchtungen für den Protestantismus gegeben
worden sei. Aber Hauffer hat ("Sendschreiben zur Beurtheilung Friedrichs des
Großen". Heidelberg 186.2. S. 68 ff.) schlagende Thatsachen angeführt, nach
denen solcher Anlaß allerdings gegeben war. Indeß lassen wir diese Frage mit
dem Verfasser unsrer Schrift dahin gestellt und beschäftigen uns zunächst nur
mit der ebenso wichtigen, ob Befürchtungen, wie die erwähnten, wirklich gehegt
und ob dieselben vor den Briefen, die d'Argens 1769 Arier der Maske eines
Protestantischen Pfarrers schrieb, und vor Friedrichs oben angeführten Flug¬
schriften, die 1769 und 1760 erschienen, bereits in Druckschriften ausgesprochen
waren, ob man also unrecht thut, Friedrich und d'Argens als Erfinder der
Vorstellung zu betrachten, daß der siebenjährige Krieg auch der Religion gelte.

Die Antwort, welche unsere Broschüre darauf giebt, lautet bejahend,
und das Ja ist hinreichend motivirt. Wir geben die bezüglichen Seiten im
Auszug. Zunächst war der Glaube, daß Friedrich zugleich den Protestantismus
vertheidige, Hauptgrund der wunderbaren Popularität, deren sich der König
in England erfreute. Dann sind die bekannten Vorgänge auf dem regensburger
Reichstage zu beachten. Wichtiger endlich ist, daß sich Schriften aus den Jahren vor
Erscheinen der d'Argensschen Briefe des evangelischen Geistlichen finden, in denen
jener Glaube sich äußert oder, was von noch größerer Bedeutung ist, bekämpft,
also als weitverbreitet vorausgesetzt wird.

Unter den Schriften der letzteren Art führt der Verfasser unsrer Arbeit als
eine der frühesten die 1766 erschienenen, dann auch in deutscher Uebersetzung
herausgekommenen "KeSexiovs ä'no Suisse sur les rootits ac la Auorre präsente"
an. Dieselben verfolgen von vornherein die ausgesprochne Absicht, die Be¬
sorgnisse der Protestanten vor einer Gefährdung ihres Glaubens durch den


der Confessionen kümmern, stellten er und sein französischer Helfershelfer sich
so, als schrieben sie dem Kriege eine religiöse Bedeutung zu, so geschah es nur,
weil sie es opportun fanden, weil sie damit das protestantische Volk auf ihre
Seite zu bringen hofften. Als der Zweck erreicht war, sahen sich die beiden
Auguren an und lachten. Zwei ungläubige Philosophen Erfinder und Prediger
des Religionskriegs, die Anhänglichkeit der Menschen an positives Kirchenthum
zu den Zwecken eines Königs ausgebeutet, der dieses Kirchenthum für Thorheit
hielt — wie hätte Herr Klopp sich die Ausmalung dieses pikanten Contrastes
versagen dürfen!

Anders unser Autor, der damit allerdings weniger pikant wird, aber sicher
der Wahrheit besser dient als jener katholisirende Tendenzschriststeller. Der
siebenjährige Krieg war in der That, wenn auch nicht vorwiegend, ein Religions¬
krieg. wenigstens faßte ihn ein Theil des Volkes bis zu einem gewissen Grade
so auf. und Friedrich selbst theilte die damit verbundenen Besorgnisse. Klopp
läugnet natürlich wie die ganze Gruppe von PseudoHistorikern, der er angehört,
daß katholischerseits Anlaß zu Befürchtungen für den Protestantismus gegeben
worden sei. Aber Hauffer hat („Sendschreiben zur Beurtheilung Friedrichs des
Großen". Heidelberg 186.2. S. 68 ff.) schlagende Thatsachen angeführt, nach
denen solcher Anlaß allerdings gegeben war. Indeß lassen wir diese Frage mit
dem Verfasser unsrer Schrift dahin gestellt und beschäftigen uns zunächst nur
mit der ebenso wichtigen, ob Befürchtungen, wie die erwähnten, wirklich gehegt
und ob dieselben vor den Briefen, die d'Argens 1769 Arier der Maske eines
Protestantischen Pfarrers schrieb, und vor Friedrichs oben angeführten Flug¬
schriften, die 1769 und 1760 erschienen, bereits in Druckschriften ausgesprochen
waren, ob man also unrecht thut, Friedrich und d'Argens als Erfinder der
Vorstellung zu betrachten, daß der siebenjährige Krieg auch der Religion gelte.

Die Antwort, welche unsere Broschüre darauf giebt, lautet bejahend,
und das Ja ist hinreichend motivirt. Wir geben die bezüglichen Seiten im
Auszug. Zunächst war der Glaube, daß Friedrich zugleich den Protestantismus
vertheidige, Hauptgrund der wunderbaren Popularität, deren sich der König
in England erfreute. Dann sind die bekannten Vorgänge auf dem regensburger
Reichstage zu beachten. Wichtiger endlich ist, daß sich Schriften aus den Jahren vor
Erscheinen der d'Argensschen Briefe des evangelischen Geistlichen finden, in denen
jener Glaube sich äußert oder, was von noch größerer Bedeutung ist, bekämpft,
also als weitverbreitet vorausgesetzt wird.

Unter den Schriften der letzteren Art führt der Verfasser unsrer Arbeit als
eine der frühesten die 1766 erschienenen, dann auch in deutscher Uebersetzung
herausgekommenen „KeSexiovs ä'no Suisse sur les rootits ac la Auorre präsente"
an. Dieselben verfolgen von vornherein die ausgesprochne Absicht, die Be¬
sorgnisse der Protestanten vor einer Gefährdung ihres Glaubens durch den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/79>, abgerufen am 15.01.2025.