Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.kannt. Da Selica noch nicht wagt, ihn ganz zu verstehen, so stürzt er mit Der fünfte Act schildert natürlich die Umwandlung in Vascos Empfin¬ Nach den bereits vorausgeschickten allgemeinen Bemerkungen über die mu¬ Die "Ouvertüre" zur Afrikanerin ist mehr eine Introduction als eine kannt. Da Selica noch nicht wagt, ihn ganz zu verstehen, so stürzt er mit Der fünfte Act schildert natürlich die Umwandlung in Vascos Empfin¬ Nach den bereits vorausgeschickten allgemeinen Bemerkungen über die mu¬ Die „Ouvertüre" zur Afrikanerin ist mehr eine Introduction als eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0626" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284453"/> <p xml:id="ID_1813" prev="#ID_1812"> kannt. Da Selica noch nicht wagt, ihn ganz zu verstehen, so stürzt er mit<lb/> dem Ausiuf „Dein Gatte" der Entzückten zu Füßen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1814"> Der fünfte Act schildert natürlich die Umwandlung in Vascos Empfin¬<lb/> dungen, als er erfährt, daß Ines und die gefangenen Frauen noch leben und<lb/> erst demnächst geopfert werden sollen. Selica, in der auf einen Moment das<lb/> wilde Blut der heißen Zone erwacht, beschließt anfänglich Rache an Ines, die<lb/> ihr abermals den Geliebten entreißt. Der ihrer tiefen Liebe entsprießende<lb/> Wunsch jedoch, Vasco glücklich zu machen, siegt zuletzt über alle Selbstsucht;<lb/> sie giebt Ines und Vasco die Freiheit, indem sie beide heimlich nach dem<lb/> Schisse Vascos bringen läßt, beschließt aber, ihrem eigenen Leben ein Ende zu<lb/> machen. Und nun folgt eine Scene von einem Raffinement, wie es nur ein<lb/> Scribe ausbeuten und ein Meyerbeer musikalisch zu illustriren vermochte. Selica<lb/> begiebt sich auf den Gipfel des hohen Cap, von wo aus sie mit ihren Blicken<lb/> dem am Horizonte entschwindenden Schiffe folgen kann, das den Geliebten für<lb/> ewig entführt. Dort steht der gefürchtete Manzanillo-Baum, dessen Blüthen<lb/> einen Dust aushauchen, der die in seinem Schatten Ruhenden durch sein Gift<lb/> betäubt und tödtet. Diese Vergiftungsscene müssen wir nun in allen ihren<lb/> Stadien miterleben. Aus den Schmerzen über den für ewig Verlorenen sehen<lb/> wir Selica in eine Art Opiumrausch des Entzückens und Wahnsinns über¬<lb/> gehen, der ihr eine Wiedervereinigung mit dem Geliebten im Reiche Brahmas,<lb/> dessen Engelchöre sie zu hören glaubt, vorspiegelt. Auf diese Ekstase folgt ein<lb/> allmäliges Zusammenbrechen und Hinsinken in die Arme des Todes, wobei<lb/> die Sängerin und Schauspielerin alle Stufen eines Vergistungsprocesses dem<lb/> schaudernden Publikum vorzuführen vermag. Nclusco stürmt voll banger Ahnun¬<lb/> gen herbei, findet Selica aber bereits entseelt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1815"> Nach den bereits vorausgeschickten allgemeinen Bemerkungen über die mu¬<lb/> sikalische Seite der „Afrikanerin" und bei der Bekanntschaft unserer Leser<lb/> mit meyerbeerscher Musik überhaupt, können wir uns in Bezug auf den Werth<lb/> einzelner hervorragender Nummern der Partitur ziemlich kurz fassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1816" next="#ID_1817"> Die „Ouvertüre" zur Afrikanerin ist mehr eine Introduction als eine<lb/> Ouvertüre, wie denn Meyerbeer überhaupt ein Stück dieser Gattung in dem<lb/> Sinne, den unsere classischen Jnstrumentalcomponisten uns damit verbinden<lb/> lehrten, nie geschrieben hat. Die Ouvertüre zu Struensee wäre vielleicht die<lb/> einzige, der man diese Bezeichnung angedeihen lassen könnte, jedoch auch nur<lb/> annähernd, da auch ihr sowohl die zu fordernde Durcharbeitung und organische<lb/> Entwickelung der Motive, wie die rechte Geschlossenheit der künstlerischen Form<lb/> abgeht. Die Ouvertüre zur Afrikanerin beginnt in H-mvII. Das einleitende<lb/> Thema begegnet uns später in der Romanze Ines im ersten Acte wieder. Es<lb/> ist in einander imitircnde Stimmen gegliedert und steigert sich durch eine im<lb/> Strctto fortschreitende Sequenz und in interessanter Modulation nach it-cor,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0626]
kannt. Da Selica noch nicht wagt, ihn ganz zu verstehen, so stürzt er mit
dem Ausiuf „Dein Gatte" der Entzückten zu Füßen.
Der fünfte Act schildert natürlich die Umwandlung in Vascos Empfin¬
dungen, als er erfährt, daß Ines und die gefangenen Frauen noch leben und
erst demnächst geopfert werden sollen. Selica, in der auf einen Moment das
wilde Blut der heißen Zone erwacht, beschließt anfänglich Rache an Ines, die
ihr abermals den Geliebten entreißt. Der ihrer tiefen Liebe entsprießende
Wunsch jedoch, Vasco glücklich zu machen, siegt zuletzt über alle Selbstsucht;
sie giebt Ines und Vasco die Freiheit, indem sie beide heimlich nach dem
Schisse Vascos bringen läßt, beschließt aber, ihrem eigenen Leben ein Ende zu
machen. Und nun folgt eine Scene von einem Raffinement, wie es nur ein
Scribe ausbeuten und ein Meyerbeer musikalisch zu illustriren vermochte. Selica
begiebt sich auf den Gipfel des hohen Cap, von wo aus sie mit ihren Blicken
dem am Horizonte entschwindenden Schiffe folgen kann, das den Geliebten für
ewig entführt. Dort steht der gefürchtete Manzanillo-Baum, dessen Blüthen
einen Dust aushauchen, der die in seinem Schatten Ruhenden durch sein Gift
betäubt und tödtet. Diese Vergiftungsscene müssen wir nun in allen ihren
Stadien miterleben. Aus den Schmerzen über den für ewig Verlorenen sehen
wir Selica in eine Art Opiumrausch des Entzückens und Wahnsinns über¬
gehen, der ihr eine Wiedervereinigung mit dem Geliebten im Reiche Brahmas,
dessen Engelchöre sie zu hören glaubt, vorspiegelt. Auf diese Ekstase folgt ein
allmäliges Zusammenbrechen und Hinsinken in die Arme des Todes, wobei
die Sängerin und Schauspielerin alle Stufen eines Vergistungsprocesses dem
schaudernden Publikum vorzuführen vermag. Nclusco stürmt voll banger Ahnun¬
gen herbei, findet Selica aber bereits entseelt.
Nach den bereits vorausgeschickten allgemeinen Bemerkungen über die mu¬
sikalische Seite der „Afrikanerin" und bei der Bekanntschaft unserer Leser
mit meyerbeerscher Musik überhaupt, können wir uns in Bezug auf den Werth
einzelner hervorragender Nummern der Partitur ziemlich kurz fassen.
Die „Ouvertüre" zur Afrikanerin ist mehr eine Introduction als eine
Ouvertüre, wie denn Meyerbeer überhaupt ein Stück dieser Gattung in dem
Sinne, den unsere classischen Jnstrumentalcomponisten uns damit verbinden
lehrten, nie geschrieben hat. Die Ouvertüre zu Struensee wäre vielleicht die
einzige, der man diese Bezeichnung angedeihen lassen könnte, jedoch auch nur
annähernd, da auch ihr sowohl die zu fordernde Durcharbeitung und organische
Entwickelung der Motive, wie die rechte Geschlossenheit der künstlerischen Form
abgeht. Die Ouvertüre zur Afrikanerin beginnt in H-mvII. Das einleitende
Thema begegnet uns später in der Romanze Ines im ersten Acte wieder. Es
ist in einander imitircnde Stimmen gegliedert und steigert sich durch eine im
Strctto fortschreitende Sequenz und in interessanter Modulation nach it-cor,
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