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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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erneuten Gehorsam zu schwören, wogegen sie den Eid zu leisten hat, keinen
Fremdling lebend im Lande zu dulden. Ein Priester flüstert dem Nelusco
zu, daß noch ein Weißer (Vasco), der auf dem Grunde des Schiffes in Ketten
gelegen, am Leben, und erhält die heimliche Weisung, auch diesen sofort zu
tödten. Die Menge zieht zum Tempel und Vasco, nichts Böses ahnend, er¬
scheint, um sein Entzücken über das schöne, lange von ihm gesuchte Land und
dessen ewigreinen Himmel auszusprechen. Priester, von einer fanatischen, mit
Beilen bewaffneten Meuge begleitet, unterbrechen seinen Monolog und kündigen
ihm den Tod an. Vergeblich fleht Vasco um sein Leben, die Menge ergreift
ihn, um ihn ihren Göttern zu schlachten. "Haltet ein!" ruft in diesem Mo¬
ment die hinzugekommene Selica. Man hält ihr ihren Eid vor, keinem Fremd¬
linge das Leben zu gewähren. "Alle bis auf die Frauen - erschlugen unsere
Beile" und so darf auch diesem letzten Opfer keine Gnade werden. Vasco,
durch solche Worte getäuscht, glaubt auch seine theuere Ines unter den Todten
und verlangt nun selber zu sterben. Die liebende Selica jedoch beschließt, ihn
um jeden Preis zu retten. Sie giebt ihm einen heimlichen Wink, sie nicht zu
verrathen, und erklärt Plötzlich dem versammelten Volk, daß Vasco unantastbar
für seine Wuth geworden, da er ihr im fernen Lande der Weißen das Leben
gerettet und sie, die Sklavin, zu seiner Gattin erhoben habe. Da Nelusco der
Einzige ist, der diese Aussage bestätigen oder entkräften kann, so wendet sich
die Menge an diesen, um Gewißheit zu erhalten. In Neluscos Hand liegt
daher nun die Vernichtung oder Rettung der von ihm angebeteten Königin und
des ihm verhaßten Vasco. Selica flüstert ihm zu, daß auch sie sich, falls sein
Spruch gegen Vasco ausfalle, des Lebens berauben werde. Dramatisch wirk¬
sam ist der innere Kampf Neluscos zwischen Haß und Liebe, während aller
Augen auf ihn gerichtet sind, die Priester ihn drängen und Selica und Vasco
an seinen Lippen hängen, deren Ja oder Nein ihnen Leben oder Tod bringen
wird. Endlich siegt in Nelusco das Gefühl für Selica über seinen Haß gegen
Vasco. und er legt mit stammelnder Stimme und fast ohnmächtig werdend den
falschen Eid auf dem Altare seiner Götter ab, daß Vasco Selicas Gatte sei.
"Herrschet, herrschet, glücklich Paar!" ruft die Menge und entfernt sich nach
dem Tempel, um den Göttern zu danken. Selica aber flüstert Vacco zu, daß
er keinen Zwang von ihr zu fürchten habe, sie hätte ihn nur retten wollen,
um ihn den Seinen zu erhalten, ein Boot solle ihn noch heute Nacht zu seiner
immer noch am Horizonte sichtbaren und auf ihn harrenden Brigg zurückbrin¬
gen. Vasco, von so viel Edelmuth ergriffen, von der Schönheit Selicas ge-
rührt, während er Ines nicht mehr unter den Lebenden wähnt, und endlich
durch die überstandenen Gefahren und den Eindruck des entzückenden Landes
erschüttert und überwältigt, erklärt Selica, daß er sich selber wie verwandelt
erscheine, und daß in seinem Herzen Gefühle erwacht, die er früher nicht ge-


erneuten Gehorsam zu schwören, wogegen sie den Eid zu leisten hat, keinen
Fremdling lebend im Lande zu dulden. Ein Priester flüstert dem Nelusco
zu, daß noch ein Weißer (Vasco), der auf dem Grunde des Schiffes in Ketten
gelegen, am Leben, und erhält die heimliche Weisung, auch diesen sofort zu
tödten. Die Menge zieht zum Tempel und Vasco, nichts Böses ahnend, er¬
scheint, um sein Entzücken über das schöne, lange von ihm gesuchte Land und
dessen ewigreinen Himmel auszusprechen. Priester, von einer fanatischen, mit
Beilen bewaffneten Meuge begleitet, unterbrechen seinen Monolog und kündigen
ihm den Tod an. Vergeblich fleht Vasco um sein Leben, die Menge ergreift
ihn, um ihn ihren Göttern zu schlachten. „Haltet ein!" ruft in diesem Mo¬
ment die hinzugekommene Selica. Man hält ihr ihren Eid vor, keinem Fremd¬
linge das Leben zu gewähren. „Alle bis auf die Frauen - erschlugen unsere
Beile" und so darf auch diesem letzten Opfer keine Gnade werden. Vasco,
durch solche Worte getäuscht, glaubt auch seine theuere Ines unter den Todten
und verlangt nun selber zu sterben. Die liebende Selica jedoch beschließt, ihn
um jeden Preis zu retten. Sie giebt ihm einen heimlichen Wink, sie nicht zu
verrathen, und erklärt Plötzlich dem versammelten Volk, daß Vasco unantastbar
für seine Wuth geworden, da er ihr im fernen Lande der Weißen das Leben
gerettet und sie, die Sklavin, zu seiner Gattin erhoben habe. Da Nelusco der
Einzige ist, der diese Aussage bestätigen oder entkräften kann, so wendet sich
die Menge an diesen, um Gewißheit zu erhalten. In Neluscos Hand liegt
daher nun die Vernichtung oder Rettung der von ihm angebeteten Königin und
des ihm verhaßten Vasco. Selica flüstert ihm zu, daß auch sie sich, falls sein
Spruch gegen Vasco ausfalle, des Lebens berauben werde. Dramatisch wirk¬
sam ist der innere Kampf Neluscos zwischen Haß und Liebe, während aller
Augen auf ihn gerichtet sind, die Priester ihn drängen und Selica und Vasco
an seinen Lippen hängen, deren Ja oder Nein ihnen Leben oder Tod bringen
wird. Endlich siegt in Nelusco das Gefühl für Selica über seinen Haß gegen
Vasco. und er legt mit stammelnder Stimme und fast ohnmächtig werdend den
falschen Eid auf dem Altare seiner Götter ab, daß Vasco Selicas Gatte sei.
„Herrschet, herrschet, glücklich Paar!" ruft die Menge und entfernt sich nach
dem Tempel, um den Göttern zu danken. Selica aber flüstert Vacco zu, daß
er keinen Zwang von ihr zu fürchten habe, sie hätte ihn nur retten wollen,
um ihn den Seinen zu erhalten, ein Boot solle ihn noch heute Nacht zu seiner
immer noch am Horizonte sichtbaren und auf ihn harrenden Brigg zurückbrin¬
gen. Vasco, von so viel Edelmuth ergriffen, von der Schönheit Selicas ge-
rührt, während er Ines nicht mehr unter den Lebenden wähnt, und endlich
durch die überstandenen Gefahren und den Eindruck des entzückenden Landes
erschüttert und überwältigt, erklärt Selica, daß er sich selber wie verwandelt
erscheine, und daß in seinem Herzen Gefühle erwacht, die er früher nicht ge-


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[0625] erneuten Gehorsam zu schwören, wogegen sie den Eid zu leisten hat, keinen Fremdling lebend im Lande zu dulden. Ein Priester flüstert dem Nelusco zu, daß noch ein Weißer (Vasco), der auf dem Grunde des Schiffes in Ketten gelegen, am Leben, und erhält die heimliche Weisung, auch diesen sofort zu tödten. Die Menge zieht zum Tempel und Vasco, nichts Böses ahnend, er¬ scheint, um sein Entzücken über das schöne, lange von ihm gesuchte Land und dessen ewigreinen Himmel auszusprechen. Priester, von einer fanatischen, mit Beilen bewaffneten Meuge begleitet, unterbrechen seinen Monolog und kündigen ihm den Tod an. Vergeblich fleht Vasco um sein Leben, die Menge ergreift ihn, um ihn ihren Göttern zu schlachten. „Haltet ein!" ruft in diesem Mo¬ ment die hinzugekommene Selica. Man hält ihr ihren Eid vor, keinem Fremd¬ linge das Leben zu gewähren. „Alle bis auf die Frauen - erschlugen unsere Beile" und so darf auch diesem letzten Opfer keine Gnade werden. Vasco, durch solche Worte getäuscht, glaubt auch seine theuere Ines unter den Todten und verlangt nun selber zu sterben. Die liebende Selica jedoch beschließt, ihn um jeden Preis zu retten. Sie giebt ihm einen heimlichen Wink, sie nicht zu verrathen, und erklärt Plötzlich dem versammelten Volk, daß Vasco unantastbar für seine Wuth geworden, da er ihr im fernen Lande der Weißen das Leben gerettet und sie, die Sklavin, zu seiner Gattin erhoben habe. Da Nelusco der Einzige ist, der diese Aussage bestätigen oder entkräften kann, so wendet sich die Menge an diesen, um Gewißheit zu erhalten. In Neluscos Hand liegt daher nun die Vernichtung oder Rettung der von ihm angebeteten Königin und des ihm verhaßten Vasco. Selica flüstert ihm zu, daß auch sie sich, falls sein Spruch gegen Vasco ausfalle, des Lebens berauben werde. Dramatisch wirk¬ sam ist der innere Kampf Neluscos zwischen Haß und Liebe, während aller Augen auf ihn gerichtet sind, die Priester ihn drängen und Selica und Vasco an seinen Lippen hängen, deren Ja oder Nein ihnen Leben oder Tod bringen wird. Endlich siegt in Nelusco das Gefühl für Selica über seinen Haß gegen Vasco. und er legt mit stammelnder Stimme und fast ohnmächtig werdend den falschen Eid auf dem Altare seiner Götter ab, daß Vasco Selicas Gatte sei. „Herrschet, herrschet, glücklich Paar!" ruft die Menge und entfernt sich nach dem Tempel, um den Göttern zu danken. Selica aber flüstert Vacco zu, daß er keinen Zwang von ihr zu fürchten habe, sie hätte ihn nur retten wollen, um ihn den Seinen zu erhalten, ein Boot solle ihn noch heute Nacht zu seiner immer noch am Horizonte sichtbaren und auf ihn harrenden Brigg zurückbrin¬ gen. Vasco, von so viel Edelmuth ergriffen, von der Schönheit Selicas ge- rührt, während er Ines nicht mehr unter den Lebenden wähnt, und endlich durch die überstandenen Gefahren und den Eindruck des entzückenden Landes erschüttert und überwältigt, erklärt Selica, daß er sich selber wie verwandelt erscheine, und daß in seinem Herzen Gefühle erwacht, die er früher nicht ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/625>, abgerufen am 15.01.2025.