Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und sehr zufrieden mit meiner Compagnie gewesen, o ich hätte heute vieles
darum gegeben, wenn ich meine bösen 32 Deserteurs dabei gehabt hätte. Wir
marschiren denn nun gerade auf Stettin los. -- Nun lebe recht wohl, liebes
einziges Weib, bleibe mit Deinen lieben Kindern immer recht gesund und schone
Dich ja auf alle Art und Weise für mich und Deine Würmer. Gott wird es
ja geben, daß ich recht bald in Deine Arme zurückkomme. --

Berlin, 30, März 1807, Mittags 12 Uhr. -- In diesem Augenblick komme
ich in Berlin an und steige bei unserm Oberstallmeister ab. Der Geheime
Rath von Thümmel von Gotha, der auch hier wohnt, will gleich einen Courier
nach Gotha schicken und mit dieser Gelegenheit wollen diese Herrcns mir er¬
lauben, ein kleines Briefchen an Dich beizulegen. Vor allen Dingen muß ich
Dir sagen, daß ich mich noch außerordentlich wohl befinde. -- Heute macht
das Bataillon einen Weg von 11 Stunden, ich für meine Person bin mit dem
Major v. Kessel, der uns commentirt, in einer Chaise voraus und habe dem
hiesigen Gouverneur General Clarke unsere Ankunft melden müssen. -- Allein
der Herr General waren nicht sehr gnädig auf uns zu sprechen, weil uns unter-
wegens so viele Mannschaft desertirt war, es ist wahr, die Desertion war er¬
schrecklich, besonders bei der Compagnie des Hauptmann von Bünau. Wir
haben beinahe 200 Mann verloren, davon ich 45. Morgen haben wir hier
wieder Musterung, und dann geht es über Küstrin nach Stettin los. -- Ewig
der Deine. --

Landsberg an der Warthe, 7. April 1807. -- Du wirst Dich wundern,
von hier aus von mir Nachricht zu bekommen, da ich Dir doch von Berlin
Nachricht gab, daß wir nach Stettin kämen, allein noch denselben Tag wurde
ich zu dem Gouverneur von Berlin, General Clarke, gerufen, der mir sagte,
daß er Befehl vom Kaiser erhalten habe, uns nach Landsberg zu schicken, um
die beiden Flüsse die Warthe und die Netze zu decken, auch, daß das Contingent
von Weimar, welches schon in Stettin stand, hier zu uns stoßen würde. Wir
mußten zwei Tage in Berlin bleiben, die wir Offiziers denn so gut als möglich
benutzten, um alles Merkwürdige in der Geschwindigkeit zu besehen. Bormittags
hatten wir zweimal Musterung bei dem General Clarke und bei dem Comman¬
danten Hulin. dann wurde das Offizierscorps zum Mittagessen bei dem Gou¬
verneur gebeten. -- Berlin ist eine wunderschöne Stadt und gewiß die erste in
Europa; vom Krieg wird man dort nichts gewahr als eine Menge fremder
Soldaten, sonst erblickt man nichts als Luxus und Freude. Alle Lebensmittel
sind gut und für eine solche große Stadt in einem sehr billigen Preise, jeder
Marktplatz mit allem, was man zur Nothdurft, zum Nutzen und Vergnügen
braucht, überladen. Ganze Berge Obst, lange Reihen blühender Rosen-, Lev-
coyen-, Lack-, Nelken- und andere Stöcke, alle Arten Geflügel, Wildpret, Back¬
werk u. dergl., dazwischen unabsehbare Reihen von Menschen von allen Classen


und sehr zufrieden mit meiner Compagnie gewesen, o ich hätte heute vieles
darum gegeben, wenn ich meine bösen 32 Deserteurs dabei gehabt hätte. Wir
marschiren denn nun gerade auf Stettin los. — Nun lebe recht wohl, liebes
einziges Weib, bleibe mit Deinen lieben Kindern immer recht gesund und schone
Dich ja auf alle Art und Weise für mich und Deine Würmer. Gott wird es
ja geben, daß ich recht bald in Deine Arme zurückkomme. —

Berlin, 30, März 1807, Mittags 12 Uhr. — In diesem Augenblick komme
ich in Berlin an und steige bei unserm Oberstallmeister ab. Der Geheime
Rath von Thümmel von Gotha, der auch hier wohnt, will gleich einen Courier
nach Gotha schicken und mit dieser Gelegenheit wollen diese Herrcns mir er¬
lauben, ein kleines Briefchen an Dich beizulegen. Vor allen Dingen muß ich
Dir sagen, daß ich mich noch außerordentlich wohl befinde. — Heute macht
das Bataillon einen Weg von 11 Stunden, ich für meine Person bin mit dem
Major v. Kessel, der uns commentirt, in einer Chaise voraus und habe dem
hiesigen Gouverneur General Clarke unsere Ankunft melden müssen. — Allein
der Herr General waren nicht sehr gnädig auf uns zu sprechen, weil uns unter-
wegens so viele Mannschaft desertirt war, es ist wahr, die Desertion war er¬
schrecklich, besonders bei der Compagnie des Hauptmann von Bünau. Wir
haben beinahe 200 Mann verloren, davon ich 45. Morgen haben wir hier
wieder Musterung, und dann geht es über Küstrin nach Stettin los. — Ewig
der Deine. —

Landsberg an der Warthe, 7. April 1807. — Du wirst Dich wundern,
von hier aus von mir Nachricht zu bekommen, da ich Dir doch von Berlin
Nachricht gab, daß wir nach Stettin kämen, allein noch denselben Tag wurde
ich zu dem Gouverneur von Berlin, General Clarke, gerufen, der mir sagte,
daß er Befehl vom Kaiser erhalten habe, uns nach Landsberg zu schicken, um
die beiden Flüsse die Warthe und die Netze zu decken, auch, daß das Contingent
von Weimar, welches schon in Stettin stand, hier zu uns stoßen würde. Wir
mußten zwei Tage in Berlin bleiben, die wir Offiziers denn so gut als möglich
benutzten, um alles Merkwürdige in der Geschwindigkeit zu besehen. Bormittags
hatten wir zweimal Musterung bei dem General Clarke und bei dem Comman¬
danten Hulin. dann wurde das Offizierscorps zum Mittagessen bei dem Gou¬
verneur gebeten. — Berlin ist eine wunderschöne Stadt und gewiß die erste in
Europa; vom Krieg wird man dort nichts gewahr als eine Menge fremder
Soldaten, sonst erblickt man nichts als Luxus und Freude. Alle Lebensmittel
sind gut und für eine solche große Stadt in einem sehr billigen Preise, jeder
Marktplatz mit allem, was man zur Nothdurft, zum Nutzen und Vergnügen
braucht, überladen. Ganze Berge Obst, lange Reihen blühender Rosen-, Lev-
coyen-, Lack-, Nelken- und andere Stöcke, alle Arten Geflügel, Wildpret, Back¬
werk u. dergl., dazwischen unabsehbare Reihen von Menschen von allen Classen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0558" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283911"/>
          <p xml:id="ID_1604" prev="#ID_1603"> und sehr zufrieden mit meiner Compagnie gewesen, o ich hätte heute vieles<lb/>
darum gegeben, wenn ich meine bösen 32 Deserteurs dabei gehabt hätte. Wir<lb/>
marschiren denn nun gerade auf Stettin los. &#x2014; Nun lebe recht wohl, liebes<lb/>
einziges Weib, bleibe mit Deinen lieben Kindern immer recht gesund und schone<lb/>
Dich ja auf alle Art und Weise für mich und Deine Würmer. Gott wird es<lb/>
ja geben, daß ich recht bald in Deine Arme zurückkomme. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1605"> Berlin, 30, März 1807, Mittags 12 Uhr. &#x2014; In diesem Augenblick komme<lb/>
ich in Berlin an und steige bei unserm Oberstallmeister ab. Der Geheime<lb/>
Rath von Thümmel von Gotha, der auch hier wohnt, will gleich einen Courier<lb/>
nach Gotha schicken und mit dieser Gelegenheit wollen diese Herrcns mir er¬<lb/>
lauben, ein kleines Briefchen an Dich beizulegen. Vor allen Dingen muß ich<lb/>
Dir sagen, daß ich mich noch außerordentlich wohl befinde. &#x2014; Heute macht<lb/>
das Bataillon einen Weg von 11 Stunden, ich für meine Person bin mit dem<lb/>
Major v. Kessel, der uns commentirt, in einer Chaise voraus und habe dem<lb/>
hiesigen Gouverneur General Clarke unsere Ankunft melden müssen. &#x2014; Allein<lb/>
der Herr General waren nicht sehr gnädig auf uns zu sprechen, weil uns unter-<lb/>
wegens so viele Mannschaft desertirt war, es ist wahr, die Desertion war er¬<lb/>
schrecklich, besonders bei der Compagnie des Hauptmann von Bünau. Wir<lb/>
haben beinahe 200 Mann verloren, davon ich 45. Morgen haben wir hier<lb/>
wieder Musterung, und dann geht es über Küstrin nach Stettin los. &#x2014; Ewig<lb/>
der Deine. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1606" next="#ID_1607"> Landsberg an der Warthe, 7. April 1807. &#x2014; Du wirst Dich wundern,<lb/>
von hier aus von mir Nachricht zu bekommen, da ich Dir doch von Berlin<lb/>
Nachricht gab, daß wir nach Stettin kämen, allein noch denselben Tag wurde<lb/>
ich zu dem Gouverneur von Berlin, General Clarke, gerufen, der mir sagte,<lb/>
daß er Befehl vom Kaiser erhalten habe, uns nach Landsberg zu schicken, um<lb/>
die beiden Flüsse die Warthe und die Netze zu decken, auch, daß das Contingent<lb/>
von Weimar, welches schon in Stettin stand, hier zu uns stoßen würde. Wir<lb/>
mußten zwei Tage in Berlin bleiben, die wir Offiziers denn so gut als möglich<lb/>
benutzten, um alles Merkwürdige in der Geschwindigkeit zu besehen. Bormittags<lb/>
hatten wir zweimal Musterung bei dem General Clarke und bei dem Comman¬<lb/>
danten Hulin. dann wurde das Offizierscorps zum Mittagessen bei dem Gou¬<lb/>
verneur gebeten. &#x2014; Berlin ist eine wunderschöne Stadt und gewiß die erste in<lb/>
Europa; vom Krieg wird man dort nichts gewahr als eine Menge fremder<lb/>
Soldaten, sonst erblickt man nichts als Luxus und Freude. Alle Lebensmittel<lb/>
sind gut und für eine solche große Stadt in einem sehr billigen Preise, jeder<lb/>
Marktplatz mit allem, was man zur Nothdurft, zum Nutzen und Vergnügen<lb/>
braucht, überladen. Ganze Berge Obst, lange Reihen blühender Rosen-, Lev-<lb/>
coyen-, Lack-, Nelken- und andere Stöcke, alle Arten Geflügel, Wildpret, Back¬<lb/>
werk u. dergl., dazwischen unabsehbare Reihen von Menschen von allen Classen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0558] und sehr zufrieden mit meiner Compagnie gewesen, o ich hätte heute vieles darum gegeben, wenn ich meine bösen 32 Deserteurs dabei gehabt hätte. Wir marschiren denn nun gerade auf Stettin los. — Nun lebe recht wohl, liebes einziges Weib, bleibe mit Deinen lieben Kindern immer recht gesund und schone Dich ja auf alle Art und Weise für mich und Deine Würmer. Gott wird es ja geben, daß ich recht bald in Deine Arme zurückkomme. — Berlin, 30, März 1807, Mittags 12 Uhr. — In diesem Augenblick komme ich in Berlin an und steige bei unserm Oberstallmeister ab. Der Geheime Rath von Thümmel von Gotha, der auch hier wohnt, will gleich einen Courier nach Gotha schicken und mit dieser Gelegenheit wollen diese Herrcns mir er¬ lauben, ein kleines Briefchen an Dich beizulegen. Vor allen Dingen muß ich Dir sagen, daß ich mich noch außerordentlich wohl befinde. — Heute macht das Bataillon einen Weg von 11 Stunden, ich für meine Person bin mit dem Major v. Kessel, der uns commentirt, in einer Chaise voraus und habe dem hiesigen Gouverneur General Clarke unsere Ankunft melden müssen. — Allein der Herr General waren nicht sehr gnädig auf uns zu sprechen, weil uns unter- wegens so viele Mannschaft desertirt war, es ist wahr, die Desertion war er¬ schrecklich, besonders bei der Compagnie des Hauptmann von Bünau. Wir haben beinahe 200 Mann verloren, davon ich 45. Morgen haben wir hier wieder Musterung, und dann geht es über Küstrin nach Stettin los. — Ewig der Deine. — Landsberg an der Warthe, 7. April 1807. — Du wirst Dich wundern, von hier aus von mir Nachricht zu bekommen, da ich Dir doch von Berlin Nachricht gab, daß wir nach Stettin kämen, allein noch denselben Tag wurde ich zu dem Gouverneur von Berlin, General Clarke, gerufen, der mir sagte, daß er Befehl vom Kaiser erhalten habe, uns nach Landsberg zu schicken, um die beiden Flüsse die Warthe und die Netze zu decken, auch, daß das Contingent von Weimar, welches schon in Stettin stand, hier zu uns stoßen würde. Wir mußten zwei Tage in Berlin bleiben, die wir Offiziers denn so gut als möglich benutzten, um alles Merkwürdige in der Geschwindigkeit zu besehen. Bormittags hatten wir zweimal Musterung bei dem General Clarke und bei dem Comman¬ danten Hulin. dann wurde das Offizierscorps zum Mittagessen bei dem Gou¬ verneur gebeten. — Berlin ist eine wunderschöne Stadt und gewiß die erste in Europa; vom Krieg wird man dort nichts gewahr als eine Menge fremder Soldaten, sonst erblickt man nichts als Luxus und Freude. Alle Lebensmittel sind gut und für eine solche große Stadt in einem sehr billigen Preise, jeder Marktplatz mit allem, was man zur Nothdurft, zum Nutzen und Vergnügen braucht, überladen. Ganze Berge Obst, lange Reihen blühender Rosen-, Lev- coyen-, Lack-, Nelken- und andere Stöcke, alle Arten Geflügel, Wildpret, Back¬ werk u. dergl., dazwischen unabsehbare Reihen von Menschen von allen Classen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/558
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/558>, abgerufen am 15.01.2025.