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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Thränen umarmt, von denen ich diese Theilnahme wirklich nicht Erwarten konnte.
Allein jedermann mußte auch mein Schicksal interessiren, einen solchen Marsch
anzutreten, wo erst wenig Tage zuvor mein so geliebtes Weib in die Wochen
gekommen war! Doch um so fröhlicher soll unser Wiedersehen sein. -- Ich
muß Dir auch ein Commando bei der Compagnie anvertrauen, nämlich der
Feldwebel Crisien und der Sergeant Kreil haben ihren Weibern täglich 15 Xr.
ausgemacht, dieses Geld will der Herr Lipfert jeden Monat nebst Deinen
L0 si. zustellen. Du bist dann so gut und läßt die Weiber zu Dir kommen
und zahlst ihnen das ihrige aus. Beide Unteroffiziers lassen Dich bitten, daß
Du so gnädig wärst und thätest ihnen dieses zu wissen. -- Auch sei so gut
und schreib dem Herrn Major in einem versiegelten Billet, daß ich vergessen
hatte ihm zu schreiben, daß in Gotha noch kein Exercierreglement fertig wäre
und wir alle noch im Dunklen tappten. -- In Gottes Schutz Dich liebes
Weib. --

Sundhauscn, 14. März 1807. -- Heute morgen, gleich nachdem ich meinen
Brief an Dich von gestern abgeschickt hatte, bekam ich die für mich so unan¬
genehme Nachricht, daß 4 Mann diese Nacht desertirt waren. Zu gutem Glück
waren es gerade 4 der elendesten Kerls in 'aller Rücksicht, und wäre mir sehr
leid, wenn einer davon wiedergekriegt würde. Allein es ist doch ein böses
Beispiel, und nur um so ärgerlicher, da ich gestern noch mit frohem Herzen
nach Meiningen schreiben konnte, es wäre mir noch keiner desertirt, und nun
bin ich auf der Stelle dafür bestraft worden. Sage dem P.. ., nichts sei
Schuld an dieser und noch mancher Desertion, die folgen wird, als daß man
denen neugeworbenen Leuten nicht hinlänglichen Unterricht über ihre Löhnung
gegeben habe; wie Du aus meinem Tagebuche ersehen wirst, war gestern ein
Aufstand in meiner Compagnie (während ich abwesend war), sie wollten die
gewöhnliche Löhnung nicht nehmen, sondern viele behaupteten, ihnen wäre in
Meiningen mehr versprochen worden. Sobald ich dieses in Gotha erfuhr,
kehrte ich schnell zurück und stellte durch Ernst die Sache wieder her, indem
ich die ganze Compagnie zusammenrief und sehr scharf gegen sie verfuhr. --
Einem jeden Offizier ist es nicht gegeben, mit dieser Art Menschen umzugehen.
-- Schicke mir doch ja jedesmal die Wochenblätter mit; denn die ganze Com¬
pagnie freut sich sie zu lesen. -- M. Einen Deserteur habe ich wieder, nämlich
den Fischer, den ich nicht mitnehmen wollte, weil seine Frau ein Kind hatte. --

Marschquartier Allseele, 20. März 1807. -- Heute, mein theures Weib,
haben wir hier in einem allerliebsten Städtchen Rasttag, besonders habe ich ein
ganz vortreffliches Quartier. Die Frau Räthin Holdefreund ist die Tante
meiner Frau Hauswirthin, und der Sohn vom Hause, der Hofadvocat ist, er¬
innert sich mit vielem Vergnügen seiner ehemaligen Bekanntschaft mit Lottchen.
-- Unsere Märsche bis Hieher sind sehr stark und beschwerlich gewesen, besonders


Thränen umarmt, von denen ich diese Theilnahme wirklich nicht Erwarten konnte.
Allein jedermann mußte auch mein Schicksal interessiren, einen solchen Marsch
anzutreten, wo erst wenig Tage zuvor mein so geliebtes Weib in die Wochen
gekommen war! Doch um so fröhlicher soll unser Wiedersehen sein. — Ich
muß Dir auch ein Commando bei der Compagnie anvertrauen, nämlich der
Feldwebel Crisien und der Sergeant Kreil haben ihren Weibern täglich 15 Xr.
ausgemacht, dieses Geld will der Herr Lipfert jeden Monat nebst Deinen
L0 si. zustellen. Du bist dann so gut und läßt die Weiber zu Dir kommen
und zahlst ihnen das ihrige aus. Beide Unteroffiziers lassen Dich bitten, daß
Du so gnädig wärst und thätest ihnen dieses zu wissen. — Auch sei so gut
und schreib dem Herrn Major in einem versiegelten Billet, daß ich vergessen
hatte ihm zu schreiben, daß in Gotha noch kein Exercierreglement fertig wäre
und wir alle noch im Dunklen tappten. — In Gottes Schutz Dich liebes
Weib. —

Sundhauscn, 14. März 1807. — Heute morgen, gleich nachdem ich meinen
Brief an Dich von gestern abgeschickt hatte, bekam ich die für mich so unan¬
genehme Nachricht, daß 4 Mann diese Nacht desertirt waren. Zu gutem Glück
waren es gerade 4 der elendesten Kerls in 'aller Rücksicht, und wäre mir sehr
leid, wenn einer davon wiedergekriegt würde. Allein es ist doch ein böses
Beispiel, und nur um so ärgerlicher, da ich gestern noch mit frohem Herzen
nach Meiningen schreiben konnte, es wäre mir noch keiner desertirt, und nun
bin ich auf der Stelle dafür bestraft worden. Sage dem P.. ., nichts sei
Schuld an dieser und noch mancher Desertion, die folgen wird, als daß man
denen neugeworbenen Leuten nicht hinlänglichen Unterricht über ihre Löhnung
gegeben habe; wie Du aus meinem Tagebuche ersehen wirst, war gestern ein
Aufstand in meiner Compagnie (während ich abwesend war), sie wollten die
gewöhnliche Löhnung nicht nehmen, sondern viele behaupteten, ihnen wäre in
Meiningen mehr versprochen worden. Sobald ich dieses in Gotha erfuhr,
kehrte ich schnell zurück und stellte durch Ernst die Sache wieder her, indem
ich die ganze Compagnie zusammenrief und sehr scharf gegen sie verfuhr. —
Einem jeden Offizier ist es nicht gegeben, mit dieser Art Menschen umzugehen.
— Schicke mir doch ja jedesmal die Wochenblätter mit; denn die ganze Com¬
pagnie freut sich sie zu lesen. — M. Einen Deserteur habe ich wieder, nämlich
den Fischer, den ich nicht mitnehmen wollte, weil seine Frau ein Kind hatte. —

Marschquartier Allseele, 20. März 1807. — Heute, mein theures Weib,
haben wir hier in einem allerliebsten Städtchen Rasttag, besonders habe ich ein
ganz vortreffliches Quartier. Die Frau Räthin Holdefreund ist die Tante
meiner Frau Hauswirthin, und der Sohn vom Hause, der Hofadvocat ist, er¬
innert sich mit vielem Vergnügen seiner ehemaligen Bekanntschaft mit Lottchen.
— Unsere Märsche bis Hieher sind sehr stark und beschwerlich gewesen, besonders


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/556>, abgerufen am 15.01.2025.