Pagne von 1807. Ueber die Belagerung von Kolberg wird man nichts Neues erfahren, und es ist natürlich, daß der Schreiber sowohl aus Vorsicht, als weil er an eine Frau schreibt, die militärischen Operationen nur kurz erwähnt. Da¬ gegen ist vieles andere, die Urtheile des Briefschreibers über die fremden Ge¬ genden und die Mittheilungen über die eigene Compagnie ergötzlich. Die Sorge um Desertion, der persönliche Haß gegen die Deserteure, die gemüthliche Weise, in welcher er durch seine Frau Rapporte an sein Ministerium sendet, Zahlungen an die Frauen seiner Soldaten besorgen läßt, dies und anderes giebt einen guten Einblick in die militärischen Verhältnisse der kleinen Contingente in jener Zeit. Die folgenden Briefe werden hier so mitgetheilt, daß alles, was nicht irgendwie charakteristisch schien, weggelassen ist.
Schwallungen, 11. März 1807, morgens 5 Uhr. - Glücklich und gesund bin ich, mein theures Weib, gestern hier angekommen und marschire in einer Stunde wieder ab. Es war ein schrecklicher Abmarsch für uns aus Meiningen Wegen des Gedränges des Volks, besonders für mich, der ich allein alles in Ordnung halten sollte, doch hatte ich den Vortheil davon, daß ich das Schmerz¬ liche der Trennung im Augenblick weniger fühlte. Meine Compagnie hat sich im Ganzen weit besser betragen, als ich es geglaubt hätte, nur der einzige Butz war ein Schwein. Gott gebe, daß ich nur recht bald von Deinem und der Kinder Wohlsein Nachricht bekomme. -- Ewig der Deinige.
Standquartier Sundhausen.bei Gotha, 13. März 1807. --> Heute Mittag um 12 Uhr, mein theures Weib, bin ich hier eingerückt, wo ich wenigstens bis den künftigen Montag liegen bleibe, ehe wir weiter marschiren. Unser Marsch war heute und gestern sehr gut, meine Compagnie führt sich recht sehr gut auf, und noch ist nicht die kleinste Klage eingelaufen. Denke Dir, meine Beste, meine Freude -- ich habe noch nicht einen Deserteur! -- Hier kam mir gleich ein Offizier von Gotha entgegen, der mir von Seiten des Regiments das Willkommscompliment brachte, und zu gleicher Zeit Donop, der mir Deinen lieben Brief brachte, aus dem ich sehe, daß Du und die Kinder gesund sind, und mich wirklich ganz glücklich machte.
Standquartier Sundhausen bei Gotha, 13. März 1807. -- In diesem Augenblick -- es ist 6 Uhr -- empfange ich Deinen lieben Brief, und es ist Mir ein wohlthätiges Gefühl zu denken, daß Du vielleicht eben auch jezo meinen gestrigen empfängst. -- Du bist in Sorgen gewesen wegen meiner Gesundheit? wein gutes Weib, ich befinde mich recht sehr wohl, wie konnte es in Meiningen bie letzten Tage anders sein, als daß ich blaß aussehen mußte, da keine Stunde ohne Sorgen und Aerger mir verging. Gott sei gedankt, daß diese Tage glücklich überstanden sind. -- Es freut mich sehr, daß ich in Meiningen so VAe gute Freunde habe, auch bei meinem Ausmarsch haben mich Leute mit
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Pagne von 1807. Ueber die Belagerung von Kolberg wird man nichts Neues erfahren, und es ist natürlich, daß der Schreiber sowohl aus Vorsicht, als weil er an eine Frau schreibt, die militärischen Operationen nur kurz erwähnt. Da¬ gegen ist vieles andere, die Urtheile des Briefschreibers über die fremden Ge¬ genden und die Mittheilungen über die eigene Compagnie ergötzlich. Die Sorge um Desertion, der persönliche Haß gegen die Deserteure, die gemüthliche Weise, in welcher er durch seine Frau Rapporte an sein Ministerium sendet, Zahlungen an die Frauen seiner Soldaten besorgen läßt, dies und anderes giebt einen guten Einblick in die militärischen Verhältnisse der kleinen Contingente in jener Zeit. Die folgenden Briefe werden hier so mitgetheilt, daß alles, was nicht irgendwie charakteristisch schien, weggelassen ist.
Schwallungen, 11. März 1807, morgens 5 Uhr. - Glücklich und gesund bin ich, mein theures Weib, gestern hier angekommen und marschire in einer Stunde wieder ab. Es war ein schrecklicher Abmarsch für uns aus Meiningen Wegen des Gedränges des Volks, besonders für mich, der ich allein alles in Ordnung halten sollte, doch hatte ich den Vortheil davon, daß ich das Schmerz¬ liche der Trennung im Augenblick weniger fühlte. Meine Compagnie hat sich im Ganzen weit besser betragen, als ich es geglaubt hätte, nur der einzige Butz war ein Schwein. Gott gebe, daß ich nur recht bald von Deinem und der Kinder Wohlsein Nachricht bekomme. — Ewig der Deinige.
Standquartier Sundhausen.bei Gotha, 13. März 1807. —> Heute Mittag um 12 Uhr, mein theures Weib, bin ich hier eingerückt, wo ich wenigstens bis den künftigen Montag liegen bleibe, ehe wir weiter marschiren. Unser Marsch war heute und gestern sehr gut, meine Compagnie führt sich recht sehr gut auf, und noch ist nicht die kleinste Klage eingelaufen. Denke Dir, meine Beste, meine Freude — ich habe noch nicht einen Deserteur! — Hier kam mir gleich ein Offizier von Gotha entgegen, der mir von Seiten des Regiments das Willkommscompliment brachte, und zu gleicher Zeit Donop, der mir Deinen lieben Brief brachte, aus dem ich sehe, daß Du und die Kinder gesund sind, und mich wirklich ganz glücklich machte.
Standquartier Sundhausen bei Gotha, 13. März 1807. — In diesem Augenblick — es ist 6 Uhr — empfange ich Deinen lieben Brief, und es ist Mir ein wohlthätiges Gefühl zu denken, daß Du vielleicht eben auch jezo meinen gestrigen empfängst. — Du bist in Sorgen gewesen wegen meiner Gesundheit? wein gutes Weib, ich befinde mich recht sehr wohl, wie konnte es in Meiningen bie letzten Tage anders sein, als daß ich blaß aussehen mußte, da keine Stunde ohne Sorgen und Aerger mir verging. Gott sei gedankt, daß diese Tage glücklich überstanden sind. — Es freut mich sehr, daß ich in Meiningen so VAe gute Freunde habe, auch bei meinem Ausmarsch haben mich Leute mit
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Pagne von 1807. Ueber die Belagerung von Kolberg wird man nichts Neues
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er an eine Frau schreibt, die militärischen Operationen nur kurz erwähnt. Da¬
gegen ist vieles andere, die Urtheile des Briefschreibers über die fremden Ge¬
genden und die Mittheilungen über die eigene Compagnie ergötzlich. Die Sorge
um Desertion, der persönliche Haß gegen die Deserteure, die gemüthliche Weise,
in welcher er durch seine Frau Rapporte an sein Ministerium sendet, Zahlungen
an die Frauen seiner Soldaten besorgen läßt, dies und anderes giebt einen
guten Einblick in die militärischen Verhältnisse der kleinen Contingente in jener
Zeit. Die folgenden Briefe werden hier so mitgetheilt, daß alles, was nicht
irgendwie charakteristisch schien, weggelassen ist.
Schwallungen, 11. März 1807, morgens 5 Uhr. - Glücklich und gesund
bin ich, mein theures Weib, gestern hier angekommen und marschire in einer
Stunde wieder ab. Es war ein schrecklicher Abmarsch für uns aus Meiningen
Wegen des Gedränges des Volks, besonders für mich, der ich allein alles in
Ordnung halten sollte, doch hatte ich den Vortheil davon, daß ich das Schmerz¬
liche der Trennung im Augenblick weniger fühlte. Meine Compagnie hat sich
im Ganzen weit besser betragen, als ich es geglaubt hätte, nur der einzige Butz
war ein Schwein. Gott gebe, daß ich nur recht bald von Deinem und der
Kinder Wohlsein Nachricht bekomme. — Ewig der Deinige.
Standquartier Sundhausen.bei Gotha, 13. März 1807. —> Heute Mittag
um 12 Uhr, mein theures Weib, bin ich hier eingerückt, wo ich wenigstens bis
den künftigen Montag liegen bleibe, ehe wir weiter marschiren. Unser Marsch
war heute und gestern sehr gut, meine Compagnie führt sich recht sehr gut auf,
und noch ist nicht die kleinste Klage eingelaufen. Denke Dir, meine Beste,
meine Freude — ich habe noch nicht einen Deserteur! — Hier kam mir gleich
ein Offizier von Gotha entgegen, der mir von Seiten des Regiments das
Willkommscompliment brachte, und zu gleicher Zeit Donop, der mir Deinen
lieben Brief brachte, aus dem ich sehe, daß Du und die Kinder gesund sind,
und mich wirklich ganz glücklich machte.
Standquartier Sundhausen bei Gotha, 13. März 1807. — In diesem
Augenblick — es ist 6 Uhr — empfange ich Deinen lieben Brief, und es ist
Mir ein wohlthätiges Gefühl zu denken, daß Du vielleicht eben auch jezo meinen
gestrigen empfängst. — Du bist in Sorgen gewesen wegen meiner Gesundheit?
wein gutes Weib, ich befinde mich recht sehr wohl, wie konnte es in Meiningen
bie letzten Tage anders sein, als daß ich blaß aussehen mußte, da keine Stunde
ohne Sorgen und Aerger mir verging. Gott sei gedankt, daß diese Tage
glücklich überstanden sind. — Es freut mich sehr, daß ich in Meiningen so
VAe gute Freunde habe, auch bei meinem Ausmarsch haben mich Leute mit
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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/555>, abgerufen am 25.01.2025.
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