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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Welche Fahne wird schließlich zur Standarte der Partei erhoben werden?
Wenn sie als Partei beisammenbleibt, früher oder später -- das däucht uns
unzweifelhaft -- die Föderativrepublik. Die Trias, ein Homunculus aus der
Retorte des Preußenhasses, hat das künstlich-scheinbare Leben, das die Erhebung
für Schleswig-Holstein ihr im Anfang des Jahres 1864 gab, schon lange wieder
ausgehaucht. Der schwäbischen Beobachterpartei war Schleswig-Holstein sehr
gleichgiltig. ja langweilig, so lange es aus den dänischen Klauen zu reißen war
-- aber in den Triasgedanken hat sie sich damals mit allem ihren antipreußischen
Fanatismus verbissen und kann noch heute nicht davon zurück. Im Uebrigen
denkt niemand mehr an dieses phantastische Geschöpf, dem selbst der nürnberger
Korrespondent, einer seiner Väter, nur höchst geheime Huldigungen zu widmen
wagt. Nicht einmal in Bayern, dem es soviel Glanz und Größe in Aussicht
stellt, hat es die Anfänge einer halbwegs dauerhaften Partei für sich zu Stande
bringen können. Als der Pfälzer Abgeordnete Umbscheiden einen derartigen
Versuch unternahm, protestirte im Namen seiner Freunde der ebenfalls bayerische
Abgeordnete Brater. Und jetzt, wo sich ähnliche Gelüste an die bevorstehende
Abgeordnetenversammlung knüpfen könnten, haben Brater und seine Freunde
wiederum eine Vorbesprechung der zur bayerischen Fortschrittspartei gehörenden Ab¬
geordneten nach Nürnberg ausgeschrieben, von welcher der dortige "Correspondent"
wohl nicht mit Unrecht vermuthet, daß sie bestimmt sei, Triaspläne in der
Geburt zu ersticken. Das Triasproject -- sagt die unter Braters Auspicien
erscheinende Erlanger Autographische Korrespondenz -- "will die Nation ablenken
von dem einzigen Ziel, das ihres Strevens werth ist. das sie treu und fest im
Auge behalten muß, um nicht abermals, wenn die günstige Stunde kommt, an
ihrer eigenen Rathlosigkeit und Zerfahrenheit zu scheitern."

Man darf hiernach wohl bezweifeln, ob die in Aussicht genommene zweite
Versammlung der "deutschen Volkspartei" in Nürnberg die Ergebnisse liefern
wird, welche die schwäbischen Triarier von ihr hoffen. Es ist ein richtiger Jn-
stinct, was von Darmstadt nach Nürnberg weist. Nürnberg ist die liberalste
Stadt Bayerns; der Radikalismus findet in ihr einen gewissen Boden. Wenn
es dort nicht gelingt, der neuen politischen Secte Bekenner zu werben, so muß
sie auf Bayern mehr oder weniger verzichten. Ohne Bayern aber, was wäre
die Trias? Dasselbe, was "Kleindeutschland ohne Preußen," d. h. Trias, d. h.
Unsinn. Aber ob Nürnberg Bekenner liefern wird -- Nürnberg, in welchem
Brater und Cramer mit allen gegen eine Stimme zu Abgeordneten erwählt
sind, wo die Fortschrittspartei ihr Hauptquartier und ihr stärkstes Lager hat,
das möchte doch sehr fraglich sein. Herr Dr. Büchner ist allerdings neulich dort
gewesen und hat das Terrain studirt, allein daß er außer Ludwig Feuervqch.


Welche Fahne wird schließlich zur Standarte der Partei erhoben werden?
Wenn sie als Partei beisammenbleibt, früher oder später — das däucht uns
unzweifelhaft — die Föderativrepublik. Die Trias, ein Homunculus aus der
Retorte des Preußenhasses, hat das künstlich-scheinbare Leben, das die Erhebung
für Schleswig-Holstein ihr im Anfang des Jahres 1864 gab, schon lange wieder
ausgehaucht. Der schwäbischen Beobachterpartei war Schleswig-Holstein sehr
gleichgiltig. ja langweilig, so lange es aus den dänischen Klauen zu reißen war
— aber in den Triasgedanken hat sie sich damals mit allem ihren antipreußischen
Fanatismus verbissen und kann noch heute nicht davon zurück. Im Uebrigen
denkt niemand mehr an dieses phantastische Geschöpf, dem selbst der nürnberger
Korrespondent, einer seiner Väter, nur höchst geheime Huldigungen zu widmen
wagt. Nicht einmal in Bayern, dem es soviel Glanz und Größe in Aussicht
stellt, hat es die Anfänge einer halbwegs dauerhaften Partei für sich zu Stande
bringen können. Als der Pfälzer Abgeordnete Umbscheiden einen derartigen
Versuch unternahm, protestirte im Namen seiner Freunde der ebenfalls bayerische
Abgeordnete Brater. Und jetzt, wo sich ähnliche Gelüste an die bevorstehende
Abgeordnetenversammlung knüpfen könnten, haben Brater und seine Freunde
wiederum eine Vorbesprechung der zur bayerischen Fortschrittspartei gehörenden Ab¬
geordneten nach Nürnberg ausgeschrieben, von welcher der dortige „Correspondent"
wohl nicht mit Unrecht vermuthet, daß sie bestimmt sei, Triaspläne in der
Geburt zu ersticken. Das Triasproject — sagt die unter Braters Auspicien
erscheinende Erlanger Autographische Korrespondenz — „will die Nation ablenken
von dem einzigen Ziel, das ihres Strevens werth ist. das sie treu und fest im
Auge behalten muß, um nicht abermals, wenn die günstige Stunde kommt, an
ihrer eigenen Rathlosigkeit und Zerfahrenheit zu scheitern."

Man darf hiernach wohl bezweifeln, ob die in Aussicht genommene zweite
Versammlung der „deutschen Volkspartei" in Nürnberg die Ergebnisse liefern
wird, welche die schwäbischen Triarier von ihr hoffen. Es ist ein richtiger Jn-
stinct, was von Darmstadt nach Nürnberg weist. Nürnberg ist die liberalste
Stadt Bayerns; der Radikalismus findet in ihr einen gewissen Boden. Wenn
es dort nicht gelingt, der neuen politischen Secte Bekenner zu werben, so muß
sie auf Bayern mehr oder weniger verzichten. Ohne Bayern aber, was wäre
die Trias? Dasselbe, was „Kleindeutschland ohne Preußen," d. h. Trias, d. h.
Unsinn. Aber ob Nürnberg Bekenner liefern wird — Nürnberg, in welchem
Brater und Cramer mit allen gegen eine Stimme zu Abgeordneten erwählt
sind, wo die Fortschrittspartei ihr Hauptquartier und ihr stärkstes Lager hat,
das möchte doch sehr fraglich sein. Herr Dr. Büchner ist allerdings neulich dort
gewesen und hat das Terrain studirt, allein daß er außer Ludwig Feuervqch.


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[0546] Welche Fahne wird schließlich zur Standarte der Partei erhoben werden? Wenn sie als Partei beisammenbleibt, früher oder später — das däucht uns unzweifelhaft — die Föderativrepublik. Die Trias, ein Homunculus aus der Retorte des Preußenhasses, hat das künstlich-scheinbare Leben, das die Erhebung für Schleswig-Holstein ihr im Anfang des Jahres 1864 gab, schon lange wieder ausgehaucht. Der schwäbischen Beobachterpartei war Schleswig-Holstein sehr gleichgiltig. ja langweilig, so lange es aus den dänischen Klauen zu reißen war — aber in den Triasgedanken hat sie sich damals mit allem ihren antipreußischen Fanatismus verbissen und kann noch heute nicht davon zurück. Im Uebrigen denkt niemand mehr an dieses phantastische Geschöpf, dem selbst der nürnberger Korrespondent, einer seiner Väter, nur höchst geheime Huldigungen zu widmen wagt. Nicht einmal in Bayern, dem es soviel Glanz und Größe in Aussicht stellt, hat es die Anfänge einer halbwegs dauerhaften Partei für sich zu Stande bringen können. Als der Pfälzer Abgeordnete Umbscheiden einen derartigen Versuch unternahm, protestirte im Namen seiner Freunde der ebenfalls bayerische Abgeordnete Brater. Und jetzt, wo sich ähnliche Gelüste an die bevorstehende Abgeordnetenversammlung knüpfen könnten, haben Brater und seine Freunde wiederum eine Vorbesprechung der zur bayerischen Fortschrittspartei gehörenden Ab¬ geordneten nach Nürnberg ausgeschrieben, von welcher der dortige „Correspondent" wohl nicht mit Unrecht vermuthet, daß sie bestimmt sei, Triaspläne in der Geburt zu ersticken. Das Triasproject — sagt die unter Braters Auspicien erscheinende Erlanger Autographische Korrespondenz — „will die Nation ablenken von dem einzigen Ziel, das ihres Strevens werth ist. das sie treu und fest im Auge behalten muß, um nicht abermals, wenn die günstige Stunde kommt, an ihrer eigenen Rathlosigkeit und Zerfahrenheit zu scheitern." Man darf hiernach wohl bezweifeln, ob die in Aussicht genommene zweite Versammlung der „deutschen Volkspartei" in Nürnberg die Ergebnisse liefern wird, welche die schwäbischen Triarier von ihr hoffen. Es ist ein richtiger Jn- stinct, was von Darmstadt nach Nürnberg weist. Nürnberg ist die liberalste Stadt Bayerns; der Radikalismus findet in ihr einen gewissen Boden. Wenn es dort nicht gelingt, der neuen politischen Secte Bekenner zu werben, so muß sie auf Bayern mehr oder weniger verzichten. Ohne Bayern aber, was wäre die Trias? Dasselbe, was „Kleindeutschland ohne Preußen," d. h. Trias, d. h. Unsinn. Aber ob Nürnberg Bekenner liefern wird — Nürnberg, in welchem Brater und Cramer mit allen gegen eine Stimme zu Abgeordneten erwählt sind, wo die Fortschrittspartei ihr Hauptquartier und ihr stärkstes Lager hat, das möchte doch sehr fraglich sein. Herr Dr. Büchner ist allerdings neulich dort gewesen und hat das Terrain studirt, allein daß er außer Ludwig Feuervqch.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/546>, abgerufen am 15.01.2025.