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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Schritts gewählt, und die Geistlichen dieser Confession, mit etlichen, über Schenkel
zürnenden Ausnahmen, sich sehr rühmlich vor ihren katholischen College" aus¬
gezeichnet.

Ziehen wir die Summe der ganzen Wahlbewegung, so finden wir: Es
galt eine Wahl zu Versammlungen, die lediglich einen administrativen Charakter
haben. Niemals war eine Parteispaltung unnöthiger. Die Ultramontanen,
auf die vermeintliche Stärke ihres Anhanges pochend, haben die Wahl zu einer
großen politischen Demonstration machen wollen, welche der Regierung ein
mächtiges Mißtrauensvotum entgegenschleudern sollte. Grade das Gegentheil
ist geschehen. Ohne es zu suchen, hat die Regierung durch eine Volksabstimmung,
wie sie in Baden bisher unerhört war, ein unbedingtes Vertrauensvotum aus
allen Theilen des Landes erhalten.




Die Föderativrepublikaner.

Bis gegen Ende des Jahres 1863 stand unter den Gegnern des vernünf¬
tigen deutschen Einheitsgedankens die großdeutsche Partei im Vordertreffen, ihre
radicalen Bundesgenossen hielten sich mehr zurück. Allein was dem Fürstentage
folgte, die Unfähigkeit Oestreichs selbst unter den günstigsten Umständen über
Preußens Widerstand gegen eine Bundesreform im conservativen Sinne Herr
zu werden, die Entlarvung seines zur Schau getragenen deutschen Patriotismus
während der Schleswig-holsteinischen Erhebung, entzog der großdcutschen Partei
allen Boden im Volk. Das sich entwickelnde preußisch-östreichische Doppelregi¬
ment über Deutschland schuf dagegen Stimmungen, wie sie sich der Radikalis¬
mus nicht besser wünschen konnte. So löst denn jetzt im Lager der süd- und
mitteldeutschen Preußenfeinde der linke Flügel den rechten ab. Während es
Wohl noch sehr zweifelhaft ist, ob die im vorigen Jahre schon ausgesetzte General¬
versammlung des Reformvereins diesmal zu Stande kommt, hat sich die so¬
genannte "deutsche Volkspartei" am 18. September in Darmstadt zum ersten
Mal förmlich gesammelt.

Das "deutsche Volk" nahm sich in Darmstadt allerdings etwas ärmlich


Grenzboten III. 186ö. 70

Schritts gewählt, und die Geistlichen dieser Confession, mit etlichen, über Schenkel
zürnenden Ausnahmen, sich sehr rühmlich vor ihren katholischen College» aus¬
gezeichnet.

Ziehen wir die Summe der ganzen Wahlbewegung, so finden wir: Es
galt eine Wahl zu Versammlungen, die lediglich einen administrativen Charakter
haben. Niemals war eine Parteispaltung unnöthiger. Die Ultramontanen,
auf die vermeintliche Stärke ihres Anhanges pochend, haben die Wahl zu einer
großen politischen Demonstration machen wollen, welche der Regierung ein
mächtiges Mißtrauensvotum entgegenschleudern sollte. Grade das Gegentheil
ist geschehen. Ohne es zu suchen, hat die Regierung durch eine Volksabstimmung,
wie sie in Baden bisher unerhört war, ein unbedingtes Vertrauensvotum aus
allen Theilen des Landes erhalten.




Die Föderativrepublikaner.

Bis gegen Ende des Jahres 1863 stand unter den Gegnern des vernünf¬
tigen deutschen Einheitsgedankens die großdeutsche Partei im Vordertreffen, ihre
radicalen Bundesgenossen hielten sich mehr zurück. Allein was dem Fürstentage
folgte, die Unfähigkeit Oestreichs selbst unter den günstigsten Umständen über
Preußens Widerstand gegen eine Bundesreform im conservativen Sinne Herr
zu werden, die Entlarvung seines zur Schau getragenen deutschen Patriotismus
während der Schleswig-holsteinischen Erhebung, entzog der großdcutschen Partei
allen Boden im Volk. Das sich entwickelnde preußisch-östreichische Doppelregi¬
ment über Deutschland schuf dagegen Stimmungen, wie sie sich der Radikalis¬
mus nicht besser wünschen konnte. So löst denn jetzt im Lager der süd- und
mitteldeutschen Preußenfeinde der linke Flügel den rechten ab. Während es
Wohl noch sehr zweifelhaft ist, ob die im vorigen Jahre schon ausgesetzte General¬
versammlung des Reformvereins diesmal zu Stande kommt, hat sich die so¬
genannte „deutsche Volkspartei" am 18. September in Darmstadt zum ersten
Mal förmlich gesammelt.

Das „deutsche Volk" nahm sich in Darmstadt allerdings etwas ärmlich


Grenzboten III. 186ö. 70
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[0543] Schritts gewählt, und die Geistlichen dieser Confession, mit etlichen, über Schenkel zürnenden Ausnahmen, sich sehr rühmlich vor ihren katholischen College» aus¬ gezeichnet. Ziehen wir die Summe der ganzen Wahlbewegung, so finden wir: Es galt eine Wahl zu Versammlungen, die lediglich einen administrativen Charakter haben. Niemals war eine Parteispaltung unnöthiger. Die Ultramontanen, auf die vermeintliche Stärke ihres Anhanges pochend, haben die Wahl zu einer großen politischen Demonstration machen wollen, welche der Regierung ein mächtiges Mißtrauensvotum entgegenschleudern sollte. Grade das Gegentheil ist geschehen. Ohne es zu suchen, hat die Regierung durch eine Volksabstimmung, wie sie in Baden bisher unerhört war, ein unbedingtes Vertrauensvotum aus allen Theilen des Landes erhalten. Die Föderativrepublikaner. Bis gegen Ende des Jahres 1863 stand unter den Gegnern des vernünf¬ tigen deutschen Einheitsgedankens die großdeutsche Partei im Vordertreffen, ihre radicalen Bundesgenossen hielten sich mehr zurück. Allein was dem Fürstentage folgte, die Unfähigkeit Oestreichs selbst unter den günstigsten Umständen über Preußens Widerstand gegen eine Bundesreform im conservativen Sinne Herr zu werden, die Entlarvung seines zur Schau getragenen deutschen Patriotismus während der Schleswig-holsteinischen Erhebung, entzog der großdcutschen Partei allen Boden im Volk. Das sich entwickelnde preußisch-östreichische Doppelregi¬ ment über Deutschland schuf dagegen Stimmungen, wie sie sich der Radikalis¬ mus nicht besser wünschen konnte. So löst denn jetzt im Lager der süd- und mitteldeutschen Preußenfeinde der linke Flügel den rechten ab. Während es Wohl noch sehr zweifelhaft ist, ob die im vorigen Jahre schon ausgesetzte General¬ versammlung des Reformvereins diesmal zu Stande kommt, hat sich die so¬ genannte „deutsche Volkspartei" am 18. September in Darmstadt zum ersten Mal förmlich gesammelt. Das „deutsche Volk" nahm sich in Darmstadt allerdings etwas ärmlich Grenzboten III. 186ö. 70

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/543>, abgerufen am 15.01.2025.