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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Preußen sich damit verhaßt machte. So zeigte Metternich, ohne zu sagen,
wie er dachte, eine theilnehmende Miene und ließ sich Gutachten vorlegen, so
begünstigte er, ohne sich zu engagiren, die Anstrengungen derer, welche, um
Deutschland einig zu machen, rastlos bemüht waren, die Zolleinheit der zehn
Millionen Deutschen im preußischen Staat aufzulösen.

Am 10. Februar fand wieder eine Sitzung des Ausschusses wegen des
Handels und Verkehrs statt, in der man die Sätze, welche früher Bernstorff,
und andere, welche später Berstett aufgestellt, verglich: der bekannte Gegensatz
war darin formulirt. Da Bernstorff die Unmöglichkeit weiter zu gehen erklärte,
als er in seinen Sätzen gegangen, und da man jetzt zu der Erkenntniß ge¬
kommen war, "daß auch wegen Oestreichs eine dem Handel günstigere Bestim¬
mung nicht zu erreichen sei", da man serner dafür hielt, daß es der Bundes¬
versammlung zu überlassen sei, wie sie mit dem ihr zu ertheilenden Auftrag zu
Stande kommen werde, so vereinigte man sich dahin, daß nur von einer all¬
gemeinen Instruction der Bundesversammlung und von einer Vereinbarung zu
gleichförmigen Entschließungen wegen des freien Verkehrs mit Lebensmitteln die
Rede sein solle. Wie tief hatte man bereits seine Ansprüche gegen Preußen
herabgestimmt, und wie deutlich kündigte sich schon dessen Sieg in der Sache an!

Bernstorff ersuchte Berstett, die Abfassung des Vertrags an die Plenar-
versammlung zu übernehmen, dieser aber lehnte ab, indem er äußerte, wenn
man nun einmal der Ansicht sei, daß in dieser Sache nichts geschehen könne,
so scheine es zweckmäßiger, lieber gar nichts zu sagen als Unbefriedigendes.
Darauf übernahmen v. Globig und v. Berg die Arbeit, die indeß weder
v. Bernstorsss noch v. Berstetts Billigung erwarb. Letzterem schien es nach
den Bemerkungen, die er in der Ausschußsitzung vom 2. März dazu machte, be¬
sonders daran zu liegen, daß sein früherer Vorschlag einer Zolleinrichtung für
ganz Deutschland gegen das Ausland als gar nicht existirend angesehen werde.
"So weit war es gekommen," sagt Aegidi hierzu, "Berstett schämte sich, im
Sinne seines Nebenius vorgegangen zu sein. Den praktischen Staatsmann
reut ein Unternehmen, welches scheitert." Hatte Berstett sich hauptsächlich gegen
die Motivirung der Artikel des Vortrags gekehrt, so wandte Bernstorff sich
gegen diese Artikel selbst, die ihm noch zu weit gingen, und schlug eine neue
Redaction vor, die in der nächsten Sitzung des Ausschusses, Z.März, in der
Hauptsache angenommen wurde. Bernstorff hatte durchgesetzt, was er gewollt.

Am 4. März versammelte sich das Plenum der Conserenz, und Bernstorff
verlas darin die Arbeit des zehnten Ausschusses. Als der Vortrag begann und
der erste Satz, der diese Sache an den Bundestag verwies, abgelesen wurde,
"da platzte einer der Anwesenden in Lachen aus, dem fast Unanimia nach"
folgten."

So faßten schon am 4. März 1820 die Vertreter der deutschen Fürsten


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Preußen sich damit verhaßt machte. So zeigte Metternich, ohne zu sagen,
wie er dachte, eine theilnehmende Miene und ließ sich Gutachten vorlegen, so
begünstigte er, ohne sich zu engagiren, die Anstrengungen derer, welche, um
Deutschland einig zu machen, rastlos bemüht waren, die Zolleinheit der zehn
Millionen Deutschen im preußischen Staat aufzulösen.

Am 10. Februar fand wieder eine Sitzung des Ausschusses wegen des
Handels und Verkehrs statt, in der man die Sätze, welche früher Bernstorff,
und andere, welche später Berstett aufgestellt, verglich: der bekannte Gegensatz
war darin formulirt. Da Bernstorff die Unmöglichkeit weiter zu gehen erklärte,
als er in seinen Sätzen gegangen, und da man jetzt zu der Erkenntniß ge¬
kommen war, „daß auch wegen Oestreichs eine dem Handel günstigere Bestim¬
mung nicht zu erreichen sei", da man serner dafür hielt, daß es der Bundes¬
versammlung zu überlassen sei, wie sie mit dem ihr zu ertheilenden Auftrag zu
Stande kommen werde, so vereinigte man sich dahin, daß nur von einer all¬
gemeinen Instruction der Bundesversammlung und von einer Vereinbarung zu
gleichförmigen Entschließungen wegen des freien Verkehrs mit Lebensmitteln die
Rede sein solle. Wie tief hatte man bereits seine Ansprüche gegen Preußen
herabgestimmt, und wie deutlich kündigte sich schon dessen Sieg in der Sache an!

Bernstorff ersuchte Berstett, die Abfassung des Vertrags an die Plenar-
versammlung zu übernehmen, dieser aber lehnte ab, indem er äußerte, wenn
man nun einmal der Ansicht sei, daß in dieser Sache nichts geschehen könne,
so scheine es zweckmäßiger, lieber gar nichts zu sagen als Unbefriedigendes.
Darauf übernahmen v. Globig und v. Berg die Arbeit, die indeß weder
v. Bernstorsss noch v. Berstetts Billigung erwarb. Letzterem schien es nach
den Bemerkungen, die er in der Ausschußsitzung vom 2. März dazu machte, be¬
sonders daran zu liegen, daß sein früherer Vorschlag einer Zolleinrichtung für
ganz Deutschland gegen das Ausland als gar nicht existirend angesehen werde.
„So weit war es gekommen," sagt Aegidi hierzu, „Berstett schämte sich, im
Sinne seines Nebenius vorgegangen zu sein. Den praktischen Staatsmann
reut ein Unternehmen, welches scheitert." Hatte Berstett sich hauptsächlich gegen
die Motivirung der Artikel des Vortrags gekehrt, so wandte Bernstorff sich
gegen diese Artikel selbst, die ihm noch zu weit gingen, und schlug eine neue
Redaction vor, die in der nächsten Sitzung des Ausschusses, Z.März, in der
Hauptsache angenommen wurde. Bernstorff hatte durchgesetzt, was er gewollt.

Am 4. März versammelte sich das Plenum der Conserenz, und Bernstorff
verlas darin die Arbeit des zehnten Ausschusses. Als der Vortrag begann und
der erste Satz, der diese Sache an den Bundestag verwies, abgelesen wurde,
„da platzte einer der Anwesenden in Lachen aus, dem fast Unanimia nach«
folgten."

So faßten schon am 4. März 1820 die Vertreter der deutschen Fürsten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/521>, abgerufen am 15.01.2025.