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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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nisch, mußte man mich leicht für einen Polen hallen. Es wäre wohl un-
praktisch gewesen, hätte ich mich bei meiner Beschäftigung modischer Tracht be¬
dient; in jahrelangem Handel und Wandel mit Polen mußte ich ihresgleichen
scheinen. Dies ward mein Unglück, da ich, wie man bald sehen wird, in den
stürmischen Tagen der galizischen Revolution von den Bauern als der regierungs¬
feindlichen Partei angehörig, etwa als ein Emissär oder Beamter irgendwelches
adeligen Jnsurgentencomitvs angesehen wurde, was mir schreckliche Leiden und
eine langwierige Einkerkerung zuzog.

Während des ganzen Winters 1843 war ich wie sonst in der Nähe des
San, besonders in den dem Fürsten Sapieha gehörigen Wäldern beschäftigt
gewesen, für mein Haus Holz einzukaufen, das im Sommer verstößt werden
sollte. Am 22. Februar dieses Jahres, als eben die Unruhen ausgebrochen
waren, befand ich mich in dem Flecken Rubrik, rzcszower Kreises, am San
und traf dort zufällig den jüdischen Handelsmann Baruch Schlajen aus Ulanow,
einem Städtchen unweit Rubrik, am andern Ufer des Flusses. Derselbe bot
mir kieferne Balken zum Verkauf an, die am Wistok in der Gegend von Kil-
kow, tarnower Kreises lagen. Er bat mich, sogleich mit ihm dorthin zu fah¬
ren, indem er meinte, man habe jetzt gute Schlittenbahn, er sei in jener Ge¬
gend viel bekannt, die Bauern würden uns nicht aufhalten, es sei auch gar
nicht so schlimm, wie das Gerücht gehe. Ich schwankte auch keinen Augen¬
blick, indem ich mich auf meine Papiere, meine Kenntniß der Bauern, meine
damals noch jugendlichere Kraft, und 'im Nothfall auf ein Paar Pistolen ver¬
ließ, die ich geladen in der Reisetasche stets bei mir führte. Da also Schlajen
eine gute Fuhrgelegenheit und ich einen Tag Zeit übrighatte, so ließ ich mein
Fuhrwerk in Rubrik stehen, und fuhr mit dem jüdischen Händler 12 Uhr Mit¬
tags ab. In der Brusttasche meines Rockes hatte ich 4200 Gulden in Pa¬
pieren und 100 in Gold; meine Legitimationspapiere und Reisebedürfnisse
steckten bei den Pistolen in einem Reisesack, der vor mir auf dem Schlitten
lag. Wir fuhren quer durch den rzcszower Kreis und kamen ungefähr um
3 Uhr Nachmittags nach dem Dorfe Dcikowiec. Ich bat Schlajen, hier etwas
zu verweilen, indem ich Hunger verspürte und bei den dortigen Deutschen etwas
zu essen vorzufinden hoffte. Schlajen meinte jedoch, es wäre in Kolbuszow
(einem schon zum tarnower Kreis gehörigen Flecken) besser, ich sollte nur
warten, wir hätten nur noch durch das Dorf Werynia zu fahren, und in einer
halben Stunde würden wir dort sein. Damit tröstete ich mich, und wir fuhren
weiter, indem wir uns der Grenze des tarnower Kreises immer mehr näher¬
ten. Wir kamen in das Dorf Werynia und wollten eben durchfahren, als
etwa ein Dutzend Bauern, mit langen Knütteln bewaffnet, aus. dem Wirths¬
hause stürzten, den Pferden in die Zügel fielen und uns mit den Worten:
"Halt, es ist nicht erlaubt weiter zu fahren!" anhielten.


nisch, mußte man mich leicht für einen Polen hallen. Es wäre wohl un-
praktisch gewesen, hätte ich mich bei meiner Beschäftigung modischer Tracht be¬
dient; in jahrelangem Handel und Wandel mit Polen mußte ich ihresgleichen
scheinen. Dies ward mein Unglück, da ich, wie man bald sehen wird, in den
stürmischen Tagen der galizischen Revolution von den Bauern als der regierungs¬
feindlichen Partei angehörig, etwa als ein Emissär oder Beamter irgendwelches
adeligen Jnsurgentencomitvs angesehen wurde, was mir schreckliche Leiden und
eine langwierige Einkerkerung zuzog.

Während des ganzen Winters 1843 war ich wie sonst in der Nähe des
San, besonders in den dem Fürsten Sapieha gehörigen Wäldern beschäftigt
gewesen, für mein Haus Holz einzukaufen, das im Sommer verstößt werden
sollte. Am 22. Februar dieses Jahres, als eben die Unruhen ausgebrochen
waren, befand ich mich in dem Flecken Rubrik, rzcszower Kreises, am San
und traf dort zufällig den jüdischen Handelsmann Baruch Schlajen aus Ulanow,
einem Städtchen unweit Rubrik, am andern Ufer des Flusses. Derselbe bot
mir kieferne Balken zum Verkauf an, die am Wistok in der Gegend von Kil-
kow, tarnower Kreises lagen. Er bat mich, sogleich mit ihm dorthin zu fah¬
ren, indem er meinte, man habe jetzt gute Schlittenbahn, er sei in jener Ge¬
gend viel bekannt, die Bauern würden uns nicht aufhalten, es sei auch gar
nicht so schlimm, wie das Gerücht gehe. Ich schwankte auch keinen Augen¬
blick, indem ich mich auf meine Papiere, meine Kenntniß der Bauern, meine
damals noch jugendlichere Kraft, und 'im Nothfall auf ein Paar Pistolen ver¬
ließ, die ich geladen in der Reisetasche stets bei mir führte. Da also Schlajen
eine gute Fuhrgelegenheit und ich einen Tag Zeit übrighatte, so ließ ich mein
Fuhrwerk in Rubrik stehen, und fuhr mit dem jüdischen Händler 12 Uhr Mit¬
tags ab. In der Brusttasche meines Rockes hatte ich 4200 Gulden in Pa¬
pieren und 100 in Gold; meine Legitimationspapiere und Reisebedürfnisse
steckten bei den Pistolen in einem Reisesack, der vor mir auf dem Schlitten
lag. Wir fuhren quer durch den rzcszower Kreis und kamen ungefähr um
3 Uhr Nachmittags nach dem Dorfe Dcikowiec. Ich bat Schlajen, hier etwas
zu verweilen, indem ich Hunger verspürte und bei den dortigen Deutschen etwas
zu essen vorzufinden hoffte. Schlajen meinte jedoch, es wäre in Kolbuszow
(einem schon zum tarnower Kreis gehörigen Flecken) besser, ich sollte nur
warten, wir hätten nur noch durch das Dorf Werynia zu fahren, und in einer
halben Stunde würden wir dort sein. Damit tröstete ich mich, und wir fuhren
weiter, indem wir uns der Grenze des tarnower Kreises immer mehr näher¬
ten. Wir kamen in das Dorf Werynia und wollten eben durchfahren, als
etwa ein Dutzend Bauern, mit langen Knütteln bewaffnet, aus. dem Wirths¬
hause stürzten, den Pferden in die Zügel fielen und uns mit den Worten:
„Halt, es ist nicht erlaubt weiter zu fahren!" anhielten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/51>, abgerufen am 15.01.2025.